schicken, die Einwohnerzahl eines Ortes, einer Stadt und einer ganzen
Provinz nach Khanewar, d. h. nach Familien, nach Häusern (da ja jedes
Haus nur von e in e r Familie bewohnt wird) und geben in dieser Bezeichnungsweise
ihre statistischen Angaben. Dafs die letzteren, wie überall im
Orient, höchst mangelhafter Natur sind, brauche ich wohl kaum zu bemerken.
Am sichersten scheint es immer noch, nach der Zahl der Khanewar
eine approximative Schätzung vorzunehmen, wobei man im Durchschnitt
6 bis 7 Personen auf eine Familie zu rechnen hat. Der Il-Märzän würde
demzufolge aus einer Bevölkerung von ungefähr 4000 Seelen bestehen.
Das Dorf, hier zu Lande Dasch-Härzcm, d. h. „das steinerne Härzän“ genannt,
war einst viel gröfser und bewohnter. Die Mehrzahl der Dörfer
auf der Hochfläche, die wir durchritten, und am Rand der Gebirge, gehören
gleichfalls dem Stamme der vielfach zerstreuten Härzän an.
In östlicher Richtung von unserer Strafse schliefsen beinahe unzugängliche
Felsmassen die Landschaft Karadagh, das persische Montenegro, ein.
Hier hausen, besonders in der Richtung nach dem kaspischen Meere zu,
die turkomanischen Schahsewèn nebst anderen minder' berühmten lldts.
Der Hauptort der Schahsewèn, deren Zahl durch etwa 10,000 Zelte näher
bestimmt ist, heifst Mischkin, im Norden des über zwölftausend Fufs hohen
/Sewafuw-Gebirges. Würden die Berge des Karadagh und der von uns augenblicklich
bereisten Landschaft im Besitz einer wohl geordneten Regierung
sein, so hätte man schon längst Vortheil von den reichen Kupfer- und
Bleigruben gezogen, die sich allenthalben in deutlichen Spuren nachwei-
sen lassen.
Auf unserer Strafse, linker Hand, hatten wir nach etwa zweistündigem
Marsche in dem berühmten Karawanentempo jawasch, jawasch! Gelegenheit,
eine altpersische Karawanserai in Trümmern und Ruinen zu erblicken, die
erste, der wir begegneten. Die Perser bezeichneten dieselbe als Abbassijeh,
d. h. als ein Werk des grofsen Schah-Abbäs (1586—1628), der in Iran in
aller Munde lebt und einen Ruf wie Friedrich der Grofse oder Napoléon I.
bei uns hat.
Seine Regierung, besonders ausgezeichnet durch fortdauernd glücklich
geführte Kriege gegen die Türken, bildet einen Glanzpunkt in der traurigen
Geschichte der persischen Spätzeit. Handel und Wandel blühten zum letz-
teumale unter dem wenn auch despotischen und vielleicht zu hoch geschätzten
Scepter Abbas des Grofsen. Die an den Karawanenstrafsen durch
ganz Persien hin angelegten Karawanseraien, Herberge für Menschen und
Thiere und Waaren gewährend, sind selbst in ihren Ruinen so stattliche,
so herrliche Bauwerke seiner Zeit, dafs kein Königspallast der modernen
Beherrscher den Vergleich mit einer Karawanserai Abbas’ auszuhalten im
Stande ist. Die soliden, aus grofsen behauenen Blöcken bestehenden Fundamente
und Unterbaue, die prächtigen, mit lhschriften und Arabesken in
Mauerwerk und bunten Glasuren ausgeführten, gewölbten Portale, die künstlich
und sehr geschickt zusammengefügten Mauersteine, die Treppen, Cor-
ridore, Zimmer, Ställe, Brunnen u. s. w., sie geben einmüthig Zeugnifs
davon, dafs einst glücklichere, bessere Tage in Persien geblüht haben und
dafs die gegenwärtigen Zustände so riesenhafte Rückschritte der älteren
Zeit gegenüber darstellen, dafs der Vergleich nach allen Seiten hin zum
Nachtheil der modernen staatlichen Verhältnisse ausschlägt.
So leicht und so vortheilhaft es wäre, die mehr oder weniger verfallenen
Äbbasijen durch passende Restaurationen in brauchbaren Zustand
zu versetzen, so wenig geschieht, d. h. gar nichts, um sie ihren alten
Zwecken wiederzugeben. Im Gegentheil, man bestiehlt und zerstört alte Baustücke,
um ein bequemes Material zu elenden Wohnungen und Khans in
Städten und Dörfern zu gewinnen.
Die Perser haben ein schändliches Sprichwort, das genau dem französischen
après moi le déluge entspricht und den Schlüssel zu mannigfachen
sonderbaren Erscheinungen im Charakter der Perser liefert. Sie sagen
gewöhnlich dunjä päs merdeg - i - men tscheh derjä tscheh ser-ah „die Welt
mag nach meinem Tode ein Meer oder leerer Wüstenschein werden.“ Mit
diesem sauberen Sprichwort erklärt man leider allzudeutlich die Sorglosigkeit
für jede Art dauernder Wohlthat, welche möglicherweise der Nachkommenschaft
oder den zukünftigen Geschlechtern zu Gute kommen könnte.
Eine solche Zerfahrenheit rächt sich aber andererseits durch die Theilnahm-
losigkeit, welche Kinder und Erben den Werken der dahingeschiedenen
Vorderen schenken. Wenn es ein Haus ist, da verläfst der Sohn nach dem
Tode des Vaters die Wiege seiner Kindheit und baut sich ein neues Nest.
Das alte Haus zerfällt, stürzt ein und dient höchstens armen Bettlern und
lungernden Hunden als eine vorübergehende Zufluchtstätte.
Dafs der Anblick derartiger zerfallenen Karawanseraien der guten alten
Zeit kein besonderes Vergnügen dem Philanthropen einflöfst, wird um so
glaubhafter erscheinen, als die gegenwärtigen Tschaparkhanehs und Khane in
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