raschender Pracht und Herrlichkeit lag plötzlich der durch manche Phänomene
räthselhafte Goktscha-See vor unseren Augen, ein Alpensee, ein-
gefafst von malerisch gruppirten Schneebergen, die sich in dem lichtgrauen
glatten Wasserspiegel wie schwarz-weifse Federfahnen abspiegeln. Dazu
ungeheure Stille, nicht jene zur Ruhe und zur Beschaulichkeit einladende
Stille, sondern erschreckende Einsamkeit, in der das Herz bange schlägt,
in der wir kaum zu athmen wagen. Und doch war der Anblick schön,
so unendlich schön, dafs wir ans den Wagen in den tiefen Morast stiegen,
um uns in unbeschränkter Weite so lange als möglich des herrlichep Naturschauspieles
zu erfreuen.
Die Strafse geht allmälig bergab, wendet sich nach der nordöstlichen
Spitze des vulkanischen Sees, näher bezeichnet durch die russische Poststation
Tschvbukli, und steigt dann wieder aufwärts die steile westliche Uferseite
entlang bis zum Dorfe Ellenewka. Die Dörfer an der Poststrafse,
sämmtlich von den fleifsigen Malakanen bewohnt, müssen den Weg zu allen
Jahreszeiten, besonders aber im Winter, in freiem und fahrbarem Zustande
erhalten. Däfs dies keine Kleinigkeit ist, sollten wir bald aus eigener E rfahrung
kennen lernen. Plötzlich eintretende Schneewehen (chasses de neige)
bedecken in kürzester Frist die Strafse am See oft fünf bi« sechs Fufs
hoch mit Schnee, so dafs jede Wegspur unsichtbar gemacht wird. Die
a rm e n Bewohner am Goktscha-See schippen Jahr aus Jahr ein den Schnee
von der Bergstrafse weg, sind dafür von allen Lasten und Steuern befreit,
vielleicht noch überglücklich, als Seetirer so wohlfeilen Kaufes vom Zahlen
wegzukommen.
Wie an den übrigen Stationen der Strafse, so erwartete, auch hier am
schönen Alpensee den K. Minister-Residenten Preufsens eine offizielle Be-
grüfsuug, diesesmal in deutschen Tönen und in der liebenswürdigsten Weise
ausgesprochen. Ein junger russischer Offizier in voller Uniform, höherer
Beamte im Dienste des Gouvernement von Eriwan und Sohn des früheren
russischen Gesandten in Teheran, Graf S im o n i t s c h , erwartete
mit etlichen- Kosaken vor dem kleinen Posthause am Goktscha-See die
preufsische Ambassade, welche thalabwärts; zu der nördlichen Uferspitze
desselben herniederstieg. Nach den herzlichsten Begrüfsungen auf beiden
Seiten-, wobei selbst der persische silberne Kalian, die bekannte
Wasserpfeife der Rothköpfe jenseits desAraxes, seine Rolle spielte, wurde
nach kurzem Aufenthalte das Zeichen zum Aufbruch gegeben.
Auf der langen Dachkante des Posthauses safsen ein Dutzend geschwätziger
- Starmätze und schienen nach dem lauten Gezwitscher zu urtheilen in
der lebhaftesten Unterhaltung miteinander hegriffen zu sein. Bald senkten
sie den Kopf in der Richtung nach uns hin, bald erhoben sie ihn sonnen-
wärts, vor lauter Wohlbehagen die gelben Schnäbel weit aufsperrend. Wir
nahmen die Erscheinung der munteren Thierchen als eine gute Vorbedeutung
für unseren Uebergang am Goktscha-See mit auf den Weg.
Die Strafse, so eng, dafs kaum ein Wagen Platz linden konnte, erhebt
sich steigend und sinkend etwa fünfzig bis hundert Fufs über dem Ufer
des Sees. Die Lawinen hatten ihn wenige Stunden vor unserer Ankunft
vollständig verschüttet, und eine Menge der Anwohner war augenblicklich
damit beschäftigt, den Rädern eine Fährte frei zu legen. Der Schnee
konnte beseitigt werden, aber nicht das Glatteis* mit welchem die gefährliche
Bergstrafse ihrer ganzen Länge nach bedeckt war. Der Uebergang,
der etwa eine Stunde dauerte, war schauerlich genug. Bald gleiteten die
Räder bis zur äufsersten Kante der Strafse nach der Seite des steilen Seeufers
ab und nur viele Menschenhändewwelche eiligst in die Felgen eingriffen,
konnten uns allein vor der drohenden Gefahr des Hinabsturzes retten. Graf