würde als etwas besonders Gottloses gelten. ' Man schliefst lieber einen
Vergleich und gewährt dem Schuldner die Mittel weiter zu arbeiten und
damit die Gelegenheit, seine Schulden, wenn auch nur theilweise abzutragen.
Der gesetzmäfsige Zinsfufs beträgt zu Teheran .wie im ganzen Orient 24 §.
Der Kaufmannsstand eignet sich ganz vorzüglich zum Charakter der Perser;
das muntere, lustige Treiben in den Bazars, gewürzt durch Anecdoten und
Klatschereien, das Handeln, Schachern und Gewinnen bietet dem Sohne Irans
ein sehr gelegenes, willkommenes Feld der Beschäftigung dar, der er defs-
halb mit ganzer Seele zugethan ist.
Nicht so günstig gestellt, aber merkwürdig genug ist der,Stand der
Handwerker (qäsib), die meist nach Zünften geordnet sind, unter einem
Altmeister {reis, buzurk oder risch-geßd) stehen und gewöhnlich in bestimmten
Quartieren ihre Buden (dokkän) nebeneinander aufgeschlagen haben.
Der Altmeister zieht nach der Miethe (qerajeh) für dieselben die Steuer
(tehmil oder maliät) ein und zahlt sie an den Schah. Die Buden sind kleine
Löcher, nach der Strafse hin offen; der Arbeiter sitzt mit seinen Jungen
in derselben und betreibt mit Hülfe weniger, roh gearbeiteten Instrumente
sein Handwerk. Bemerkenswerth ist es, dafs die Füfse mit den beweglichen
Zehen ebenso fleifsig arbeiten helfen als die Hände. Der Teheräner
Handwerker ist äufserst geschickt, aber zu anhaltender Arbeit nicht geeignet.
Die Geduld geht ihm leicht aus. Seine vortrefflichen Anlagen zeigen sich
am glänzendsten in der Nachahmung europäischer Werke, bis auf die
Stempel in AV^isehrift an Messern, Klingen u. s. w. hin.
Der Kriegerstand gehört unbedenklich der gedrücktesten und bedauerns-
werthesten Kaste an. Der persische Serbäz, den armen Familien in Städten
und Dörfern entrissen, d. h. denjenigen, welche nicht im Stande sind,
durch Protection oder durch Geschenke sich vom Soldatenstande loszukaufen,
ist für die Lebenszeit bis zum Greisenalter hin verpflichtet, als Soldat
im Frieden und im Kriege zu dienen. Schlecht gekleidet, schlecht bewaffnet,
meist ohne Schuhbekleidung, erhält er nicht einmal seine Besoldung,
welche von Oben herab durch Hände geht, die allmählig das Geld
verschwinden lassen. Aus dem Schatze fliefst das Geld in die Hände des
Sartip oder des Generales, und tröpfelt nun, bereits um ein Bedeutendes
verringert, wie durch ein Sieb durch die gierigen Hände der Serhenk
(Obersten), Jawer (Majore), Sultan (Hauptleute) und Ndib (Offiziere), so
dafs zuletzt ein magerer Tropfen oder gar nichts den Serbas und ihren
Wekil (Unteroffizieren) zufällt. Schlecht verpflegt, bekleidet und uni-
forfnirt, bleibt dem Soldaten nichts, übrig als zu arbeiten und niedrige
Dienste zu verrichten, für welche Erlaubnifs er gezwungen ist, seinen
Offizieren mindestens die Hälfte seines'Verdienstes zu opfern. So hat man
denn in Teheran und in ändern Städten Persiens mit militärischen Garnisonen
die traurige Gelegenheit, den persischen Soldaten in Uniform in
den Bazaren als'Handwerker und Tagelöhner beschäftigt, oder an den
Ecken der belebtesten Strafsen sitzen zu sehen, häufig in der Nähe seines
Qaraul oder Wachtpostens, und das bekannte p ü l-e -s id „Schwarzgeld!“
d. h. „Wer will K u p f e r g e ld wechseln?“ laut schreien zu hören. Dann
hat er sich als Geldwechsler etablirt; freilich besteht sein ganzer Geld-
vorrath aus einer geringen Summe kleiner Münze und sein Wechseltisch aus
einem hölzernen Brette oder einer kleinen hölzernen Schüssel.
In grofsen Städten-sind den armen Kriegern die Mittel geboten, sich,
wenn auch nothdürftig, in der beschriebenen Weise ihr tägliches Brot zu
verdienen; sehlimm sieht es dagegen aus, wenn sie nach armen Dörfern
versetzt oder gar in die Campagne geschickt werden. Die allgemeine Noth
erreicht dann ihren höchsten Gipfel und wird Ursache unglaublichster
Scenen. Es wird geraubt,und geplündert, so lange es zu rauben und zu
plündern giebt, und wenn alle Mittel der Selbsterhaltung durch menschliche
Nahrung erschöpft sind, das Gras von dem, Boden, sorgsam ausgerissen und
verzehrt, wpbei oft blutiger Streit über das grüne Besitzthum entsteht.
Wir schildern keine Ausnahmefälle, wie sie vielleicht zu allen Zeiten und
unter allen Völkern vorgekommen- sin d , ^sondern Thatsachen, die sich in
Persien bis in die Geschichte der letzten Tage hinein wiederholt haben.
V erproviantirungs - Systeme kennt Persien noch nicht; man zieht in den
Krieg; und überläfst dem lieben Herrgott die schwere Sorge für den wichtigsten
Theil eines Feldzuges.
So lächerlich bisweilen der Anblick der persischen Serbazen ist, in
ihrer Noth, Abgerissenheit, Zerlumptheit, in ihrem knechtischen Gehorsam
und ihrer Unterwürfigkeit, so ehrenwerth sind dennoch der Charakter und
die Eigenschaften derselben und verdienen eigentlich Bewunderung. Die Ausdauer,
ohne Sold, Nahrung, Zelte, Betten die Strapazen eines Feldzuges zu
ertragen, übersteigt wahrlich alle menschlichen Begriffe, Dabei stellen sie
sich in vollstem Gehorsam dem Feinde gegenüber und halten Stand so lange
es eben geht, d. h. so lange ihre Offiziere nicht Reifsaus nehmen. Ohne