vietten in einem kalten Nebenzimmer angeboten wurde, bildete den Schlufs
der Audienz. Männiglich durchwanderten wir die nassen Höfe, stiegen
in die Wagen, hüllten uns dicht in die Mäntel ein, und-Einer brummte
ganz leise in den Bart hinein:
„ Ich möchte nicht der Sultan sein! “
VI. Kapitel.
A b re is e v o n S tam b u l. — D a s ¡Schwarze' Meer. — T r a p e z u n t .
Den Aufenthalt in Konstantinopel beschlossen wir am letzten Tage des
Monates Februar mit einem Diner beim persischen Gesandten Mirza-Hussein-
Khan. Unter den eingeladenen Gästen befanden sich aufser den Mitgliedern
der preufsischen Gesandtschaft: der frühere türkische Seraskier Namik
Pascha, der freundliche, heitere Kiamil Pascha, früher türkischer Gesandte
in Berlin, ein Tscherkessenfürst Ismael-Beg, General in russischen
Diensten, in einer weniger malerischen als reichen Tracht., und der
erste Dragoman der österreichischen Internuntiatur, Bäron Schlechta.> Das
Diner war europäisch; doch tranken die anwesenden türkischen und persischen
Herren, mit Ausnahme eines einzigen, keinen Tropfen Wein.
Obgleich zwei europäische Diener bei Tische servirten, so standen dennoch
viele persische „Bätscheh“ neugierigen Bliekes in der Thür. Wenn
die Zimmer durch die langen, rings umherlaufenden Diwans den Charakter
des Türkischen hatten, so zeigte sich die Eigenthümlichkeit des Persischen
in den zahlreichen Blumenvasen und Glasglocken, welche die brennenden
Kerzen umgaben. Die Fülle schöner Früchte und süfser Leckereien bis
zum Zuckerwerk hin gab uns einen Vorgeschmack der persischen Gastmähler,
die uns in Teheran erwarten sollten. Nach Tische wurde in dem grofsen
Saale, woselbst sich das lebensgrofse, von einem persischen Künstler gemalte
Oelbild des Schahynschah „des Königs der Könige“ befindet, wacker
geraucht. Cigarren, Tschibuks und Nargilehs, die drei Repräsentanten
der europäischen, türkischen und persischen Rauchwelt, machten ohne
Unterschied der Nation, die Runde. Da rauchte ein Europäer die persisehe
Wasserpfeife, hier ein Türke die europäische Cigarre, dort ein Perser
den türkischen Tschibuk. —
Die Unterhaltung, belebt durch die Anwesenheit so verschiedenartiger
Elemente, berührte alle nur möglichen Verhältnisse des Morgen- und
Abendlandes. Wir selber suchten von den Persern über Persien Auskunft
und Belehrung zu erhalten. Sie ward in geflügelten Worten mit jener Zuvorkommenheit
und Vollständigkeit gegeben, welche den Perser, dem
Fremden gegenüber, so entschieden auszeichnet.
Von den besten Wünschen für unsere Weiterreise begleitet, verliefsen
wir spät in der Nacht das Hôtel des persischen Gesandten, fanden nach
vieler Mühe. vor der Thür unsere Ueberschuhe und legten uns zur Ruhe,
um am nächsten Tage, dem 1. März, den Weg der Argonauten einzuschlagen.
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Ein paar Dutzend Koffer und Kasten wanderten in der Frühe des genannten
Tages auf den breiten Rücken türkischer Lastträger die Strafsen
abwärts dem Hafen zu. Der Kawafs der preufsischen Gesandtschaft hielt
mit seinem Stocke die gebührende Ordnung aufrecht, vermochte aber
nicht die gellenden Töne der schreienden und zankenden Schiffer zu beherrschen,
welche sich um unsere Personen und Koffer wie Räuber, die
eine Theilung der Beute vornehmen, herumrissen. Eine obligate Bakschisch-
Ausstreuung kupferner Münzen nach rechts und nach links hin verschaffte
uns das Vergnügen, den stattlichen Schraubendampfer Trebisonde der
österreichischen Lloyd-Gesellschaft in unseren Booten ohne Fährlichkeit
zu erreichen.
Um 10 Uhr befanden wir uns am Bord des starken eisernen Schiffes
mit Doppeldeck, von 400 Pferdekraft. Die Reisenden sind zu sehr an
die Höflichkeit der unterrichteten und gebildeten Capitäne und Offiziere
der Lloydschiffe gewöhnt, als dafs wir ein Recht haben dürften, ausnahmsweise
den Seeoffizieren der Trebisonde ein besonderes Lob zu spenden.
Wir bildeten die einzigen Passagiere erster Klasse, dagegen wimmelte das
Schiff von einer zahllosen Schaar Mitreisender letzter Klasse, wie man sie
in der Welt vielleicht nur hier zu sehen gewohnt ist. Stelle man sich vor
eine bunto Versammlung armer, zerlumpter Nogai-Tataren, Türken, Griechen,
Armenier, Perser, von sehr zweideutigem Aussehn, ein jeder in
seiner besonderen Nationaltracht, meistens bis an die Zähne bewaffnet,
die ohne Unterschied des Landes und Glaubens auf Ober- und Zwischen-
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