Zuschauerkreis, drängte nach der Bühne zu, und fast hatte ich Bangender
Fanatismus, einmal losgelassen, würde sich gegen uns richten. Allein es
galt den Schauspielern, welche die Partei der Feinde des Imam darstellen,
die sich stets auf das Schleunigste zurückziehen müssen, um nicht der religiösen
' Volkswuth1 anheimzufallen.
Oft genug tritt ein wirklicher Kampf ein, der bisweilen mit dem Tode
mehrerer Personen endet. Ein solcher Tod wird aber als etwas Gott' besonders
Wohlgefälliges angesehen, und wenn sich auch der leicht erregbare
Perser nicht grade danach sehnt, so fürchtet er ihn doch auch nicht. In
der kleinen Stadt Demawend, in der Nähe des gleichnamigen Berges, 2 bis
3 Tagereisen von Teheran entfernt, findet fast alljährlich eine grofse religiöse
Prügelei Statt. Wer stirbt, wird als Paradiesgänger gradezu beneidet.
Wir besitzen eine vortreffliche Schilderung der eben besprochenen Ta-
zieh, welche den geistreichen Verfasser von Hadschi Baba zu ihrem Urheber
hat und mit der gewöhnlichen Schärfe und Treue, welche diesen Schriftsteller
so rühmlichst auszeichnet, aufgefafst und niedergeschrieben ist. Wir
entlehnen dieselbe der- deutschen Uebersetzungr von ¿ J am e s M o r i e r ’s
sämmtlichen Werken^ (vom Dr. Bärmann, Braunschweig 1837, Theil III.
S. 10811’.), um ein Beispiel zu geben, in welcher ausgedehnten Weise in
früheren Zeiten den Europäern die Freiheit- gestattet wurde, Zeuge und
Zuschauer der so überaus merkwürdigen Trauerschauspiele zu sein.
„Das tragische Ende Hosseins, das mit dessen Flucht aus Medinah begann
und mit seinem Tode auf der Ebene von Kerbela endete, ist in ein
aus mehreren Abtheilungen bestehendes Drama gefafst worden, von.welchem
am Morgen jedes der zehn Tage ein Akt aufgeführt wird. Die Vorstellung
des letzten Theils, die am Tage Ruz-Katl stattfindet, und'den Tod'
des Märtyrers in sich fafst, wird mit grofsem Pomp, im Beisein des Königs,
auf dem gröfsten Markte der Stadt ausgeführt. Der Gegenstand, der reich
an rührenden Zwischenvorfällen is t, würde schon an und für sich in den
Herzen einer christlichen Zuschauerversammlung lebhaftes Interesse erregen,
um wieviel mehr mufs er in seiner Verbindung mit allen Religions- und
Natiönalgefühlen der Perser für diese ansprechend sein. In den Augen der
Christen würde Hossein als Held erscheinen; den Persern ist e r , wie gesagt,
ein Märtyrer. Die Wechselvorfälle in seinem Leben, seine Gefahren
in der Wüste, seine Standhaftigkeit, sein unbezwinglicher Muth, seine Ergebung
in der Stunde seines Sterbens — dies Alles sind Umstände, bei
denen die Perser mit Entzücken verweilen, und die in ihnen einen Enthusiasmus
erregen,, der durch keinen Zeitverlauf gemindert werden kann.
Durch die F'eier dieses Trauerfestes wird ihhen die Erinnerung an diejenigen
erhalten, welche den Helden tödteten, und folglich nährt sich auch
dadurch ihr Hafs gegen alle Muselmänner, die keinen Antheil an ihren Gefühlen
dabei nehmen. Sie verwünschen Jezid und verfluchen Omar mit
solchem unversöhnlichen Groll, dafs man die1 in ihren Städten aufgeführten
Seenen hat mit ansehen müssen, um von dem Grade des Fanatismus; der
sie alsäann beseelt, sich einen Begriff machen zu können. Ich habe gesehen,
wie. einige von den Heftigsten unter ihnen, indem sie „Ja Hossein /*
schrieen, fast- nackt, -blofs ihre Lenden bedeckt, durch die Strafsen rannten
und sich freiwillig Bitze und Schnitte, dafs ihnen das.Blut am Leibe herunterströmte,
beibrachten, um ihre. Liebe,, ihre Angst oder ihre Bekümmer-
nifs dadurch auszudrücken. Von solcher Art müssen die Verletzungen gewesen
sein, die, wie wir in der heiligen Schrift lesen, den Israeliten von
Moses verboten wurden, ,und diese Ueberspanntheiten müssen, wie ich muth-
mafse, denen der Baalspriester gleichkommen, welche laut riefen „und sich
ritzten mit Messern und Pfriemen,, bis dafs ihr Blut hernachging“.
Die Vorkehrungen, die man in der Stadt traf,' bestanden darin, dafs auf
den Märkten und in den Strafsen grofse Zelte, Takieh JTaziehf) genannt, er-
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richtet wurden, die man mit schwarzen Linnenstreifen und anderen Trauerzeichen
versah. Diese Zeltaufrichtung .geschieht entweder auf Kosten des
Mehal oder Distrikts, oder von. angesehenen Männern, als ein Zeichen von
deren Frömmigkeit, und jeglicher Volksstand hat Zutritt in dieselben. Zur
Errichtung des Takieh gehört das Dingen eines Mollah oder Priesters, ferner
das der Schauspieler und deren Kleider, so wie das Ankäufen von
Lichtern. Viele giebt es, die diese Gelegenheit benutzen, um für ihre Sünden
zu büfsen, oder dem Himmel für irgend eine ihnen gewordene Segnung
zu danken, indem sie zu der mildthätigen Handlung des' Zelterrichtens auch
noch Speise und Trank an das Volk vertheilen, welches solches Zelt besucht.
Unser Nachbar, Mahomed Khan, hatte-ein Takieh in seinem Hause, zu
welchem alles Volk des Mehal zahlreich hinwanderte. Während der Zeit
dieser Versammlung hörten wir einen beständigen Lärm von Trommeln,
Cymbeln und: Trompeten. Wir bemerkten; dafs aufser den verschiedenen,
auf Märkten und in Gassen errichteten Takiehs, auch ein hölzernes Pult
ohne weiteren Zubehör aufgestellt war, hinter welchem herab ein Mollah