dafs selbst ein geübtes Kennerauge kaum folgen kann, und ihr verzweigter
Blätterkranz bildet zuletzt im wörtlichsten Sinne eine Blumensprache, deren
Hauptgedanke das mohamedanische Glaubensbekenntnifs ist: Es giebt keinen
Gott aufser Gott. Im dachlosen Innern des Gebäudes,, das keinen anderen
Schutz als den der Absperrung gewährte, safs in einer Ecke eine
blutarme Familie, Mann, Frau, grofse und kleine Kinder, welche an dieser
Stätte ihre Sommerwohnung aufgeschlagen hatte, und wie es den Anschein
haben mufste, von der Mildthätigkeit der Fremden lebte, welche eine gleich
näher zu beschreibende Oertlichkeit hierselbst besuchen. Durch ein Loch
in der Mitte des ehemaligen Fufsbodens der Moschee steigt man nämlich
mehrere Stufen abwärts und gelangt schliefslich in eine Art von Krypte,
aus einem gewölbten, kellerartigen Baume bestehend, mit drei,Abtheilungen,
in deren mittlerer ein grofser glatter Kalksteinblock in oblonger Form
auf dem Boden liegt. Alte zerrissene und beschmutzte Koranblätter und
runde Gebetscheiben aus getrockneter Erde mit Inschriften lagen auf dem
grofsen Steine, der als ein von mohamedanisehen Pilgern vielfach besuchter
Wallfahrtsgegenstand bezeichnet wurde, da er das Grab, eines, ich weiß
nicht welches Imams bedecken soll. In der Nähe desselben lagen und
standen eine Menge ausgebrannter irdener Votivlampen umher, die so fettig
und schmierig aussahen,, dafs man sich in Acht nehmen mufste, sie absichtlich
oder zufällig zu berühren. Das Merkwürdigste an dem ganzen
Keller ist jedenfalls ein verschütteter Gang in der Abtheilung rechter Hand.
Man sieht hier deutlich ein von Mauerwerk umschlossenes Loch, das, wie
die hamadanische Begleitung versicherte, auf Stufen abwärts in eine endlose
(? ) Tiefe führe. Nun folgte die Geschichte aller alten Löcher und
Gänge. Einmal nämlich sei ein neugieriger Hamadaner hinabgestiegen, aber
nicht mehr zurückgekehrt; seitdem habe man es für das Gerathenste gehalten,
das Loch zuzuschütten. Sollte dieser Gang älter als die Moschee
sein und eine Erinnerung an die sagenhaften unterirdischen Semiramis-
Kanäle enthalten, von denen uns das Alterthum Andeutungen hinterlassen
hat? -p
Unseren Heimweg schlugen wir durch die Bazare der Stadt ein, welche
zwar nicht so einladend als die von Teheran und Täbriz sind, aber, dennoch
auf den Strecken, woselbst die verschiedenen Innungen nebeneinander
ihre Werkstätten aufgeschlagen haben, ein reinliches, sauberes Ansehen
haben. Und das ist im Orient, schon der wohlthuenden Seltenheit halber,
ein Grund mehr, den Besuch eines Ortes ja nicht zu unterlassen. Auffallend
und besonders charakteristisch für die Hamadaner Bazare sind die
regelmäßig geschnitzten Holzgitterwerke, durch welche die einzelnen Buden
nach der Straßenseite hin geschlossen werden können. Die Marktgassen
sind kühl, aber dunkel und finster; da wo sich zwei Bazare durchschnei-
den, bildet eine Kuppel das Kreuzgewölbe, aber ohne jegliches Ornament
und Malerei, lediglich aus gebrannten Steinen ausgeführt. Als Curiosum
sei bemerkt, dafs wir in einem Baum, worin etwa drei Europäer mühsam
Platz zum Hanthieren gefunden haben würden, 20! schreibe: zwanzig
Schusterjungen in knieender Stellung lustig arbeiten sahen, während der
Meister und sein Geselle vor dem Qitter der Werkstatt safsen und wacker
auf ihre persischen Pantoffel loshämmerten.
Kaum hatten wir Zeit, uns nach der Bückkehr im Hause von den
mannigfachen Eindrücken des verflossenen Tagesabschnittes zu erholen und
unsere Gedanken zu Papiere zu bringen, als eine vierbeinige Visite angesagt
ward, die jeden Augenblick erwartet werden konnte. Es dauerte
gar nicht lange, so erschien der Thierhüter des Häkim’s der Stadt mit
einer Löwin, die er an einer Kette mit sich fortschleppte, während das
königliche Thier mit lautem Geheul unseren Hof betrat. Sie war vor sechs
Monaten von einem Bauer gefunden worden und mochte wohl ein Jahr
alt sein. Zu den Tönen einer Handtrommel mufste sie allerhand Kunststückchen
äusführen, wobei sie von einem Kunstgenossen, den wir anfänglich
ganz übersehen hatten, einem Hundekopfaffen redlich unterstützt wurde.
Der Affe hielt sich, sehr vorsichtig,. in respectvoller Entfernung von der
unzufriedenen Löwin, während die persische Männerwelt in unserem Hause
mit der Löwin umging, als stamme sie direkt von dem kühnen Kitter in
Schiller’s „Handschuh“ ab.
Der Gouverneur der Stadt, nur von Geburt kein Hamadaner, hatte auf
wiederholte Anfrage, ob er heute die preußische Mission zu empfangen
bereit sei, erwiedern lassen,, er befände sich unwohl, habe eine Medicin
eingenommen, und sei deshalb erst morgen in den Stand gesetzt — natürlich
mit der unvermeidlichen Inschallah-Parenthese — den fremden Wezir
zu empfangen. Er bäte sich aber den Doctor der Gesandtschaft aus —
eine deutliche Anspielung auf meine Wenigkeit, — den er wegen seiner
Leiden zu consultiren beabsichtige.
Kückantwort: Der Chef der Mission habe auf morgen einen Ausflug