erlegt, durch Gewährung reicher Mittel zu einer möglichst angenehmen
Existenz so erträglich als möglich zu machen bestrebt ist. Der Garten,
welcher sich vor dem Wohnhause des englischen Gesandten befindet, ist wunderbar
schön; dunkle Cypressen, hohe Platanen und schattige Sykomoren
wechseln mit hellblühenden Sträuchern und dunkelen Lauben ab, die zum
längeren Aufenthalte unwiderstehlich einladen.
Der gegenwärtige Vertreter I. M. der Königin von England war Sir
H e n ry R aw lin s o n . Seine frühere Stellung unter denPersern als Organisator
eines persischen Kavallerie - Regimentes, seine genauen Kenntnisse
der Sprachen und Sitten dieses Theiles des Morgenlandes, seine Beliebtheit
bei den Eingeborenen, denen er so manche Etiquettenstreitfrage durch die
Finger sah, und vor allen die reichen Mittel, über welche er unbeschränkt
zu gebieten hatte, trugen neben der angenehmen, liebenswürdigen Erscheinung
des vollendeten Gentleman dazu bei, die unangenehmen Erinnerungen
der M u r r a y ’gchen Affaire und ihrer Folgen zu verwischen. Sir H e n r y
R aw lin s o n ist gleich ausgezeichnet als Militär wie als Diplomat, als Gelehrter
wie als Menschenkenner. Seine Wahl war unter allen Umständen
eine sehr glückliche zu nennen und hatte sich in einer Weise bewährt, dafs
seine baldige Abberufung von Teheran von den Persern wie von den Europäern
mit gleichem Bedauern empfunden wurde.
Hr. v. A n i t s c h k o f f , der russische Gesandte, ist ein europäischer
Veteran in Persien. Seit dreifsig Jahren zu diplomatischen Diensten in
Iran verwendet, hat er Gelegenheit gehabt, ein gutes Stück persischer Geschichte
zu studiren und den Charakter der persischen hohen Beamten nach
den guten und schlechten Seiten hin kennen zu lernen. Das Klima, Krankheiten
und der lange Aufenthalt in der persischen Welt haben seine Kraft
gebrochen und seine Energie gelähmt. Der ehemalige Löwe, dessen Stimme
die Perser zittern machte, ruht müde und matt auf seinem Lager. Aber
je schweigsamer und stiller er geworden ist, je mehr fürchtet man ihn, je
mehr fragt man sich: „was mag er denken und sinnen?“
Baron P ic h o n , der französische Eltschi, hatte den Muth gehabt, mit
seiner Familie nach Persien überzusiedeln, um auf drei lange Jahre in
Teheran zu weilen, und die Segnungen und Wohlthaten europäischer Ci-
vilisation dem Staatsdienste zum Opfer zu bringen. Die Familie P ic h o n ,
dankbar rufen wir dieses Lob nach, bildete den einzigen Mittelpunkt der
europäischen Welt in Teheran, zu dem man sich gern flüchtete,, um auf
Stunden, die leider allzuschnell verflossen, zu vergessen, dafs man in Asien
lebte. Die Liebenswürdigkeit des Gesandten und seiner Gemahlin war mit
einer Feinheit der Gefühle und der Empfindungen gepaart, die auf die
ganze Umgebung in der wohlthuendsten Weise wirkte. Frankreich spielt
in politischer Beziehung in Persien keine besondere Rolle; es ist ein
fleifsiger, aufmerksamer Zuschauer, aber mehr noch als dies der eigentliche
«tatsächliche Vermittler zwischen Persien und Europa. Die Erziehung
und Bildung junger Perser in Paris nach europäischem Muster, die Sendung
der französischen Militär-Mission und französischer Arbeiter nach
Teherán; die stete Verbindung mit Paris, das die Perser als die Hauptstadt
von Frengistan ansehen, durch Correspondenz und schnelle Mittheilung
der neuesten Erfindungen und Entdeckungen, die Vorliebe des Schah
für die französische Sprache und das französische Leben, ja selbst die Verwandtschaft,
die zwischen den Persern und den Franzosén nach der Seite
heiterer Lebenslust hin Statt findet, hat den Franzosén eine' Stellung verschafft,
aus der sie unter allen Umständen schwer zu verdrängen sind. Der
französische Gesandte war das verkörperte Bild des Franzosen, wie er im
Orient von Orientalen und Occidentalen gern gesehen wird, als der Vertreter
feiner, anmuthiger Gesittung.
In Asien hören im geselligen Leben die Unterschiede der europäischen
Länder- und Völkerkarte auf. Man tjitt Sich durch die lange, weite Trennung
Von Europa und von europäischer Sitte, durch die 'Gemeinsamkeit
der Religion und der Gewohnheiten, im Gegensatz zu den Widersprüchen
mit dem morgenländischen Leben, viel näher als irgendwo in der Welt,
man ehrt in jedem Europäer d en Landsmann und pflegt im Laufe der Zeit
dieses Verhältnifs als eine Art von Familien-Rücksicht. Es verging nicht
lange und wir hatten bald genug in Teheran so viel charmante Landsleute
gefunden, dafs wir aufathmeten und das Leben anfingen viel erträglicher
zu finden, als es sich von vornherein anzulassen schien. Wir sahen uns
gegenseitig oft und gern, und nur wenn Zeitungen und Briefe aus Europa
mit dem persischen Courier anlangten, da stockte auf ein Paar Tage der
regelmäfsige Verkehr unter den Landsleuten von draufsen.