in die Höhe. Auch hierin sind alte Höhlen vorhanden, die gegenwärtig den
Aufenthalt kurdischer und tatarischer Räuber und ihres Raubes bilden. Von
hier aus beunruhigen sie die Landstrafse Tag und Nacht. Auf der Höhe
des Felsenpasses, welcher hier zu Lande unter der Bezeichnung des Wolfs-
thores bekannt ist, hielt ein Tatar Wacht, indem er auf die lange Flinte
gestützt aufmerksam nach allen Seiten hin auslugte.
Mit Sonnenuntergang zogen wir in das Dorf Baschnaraschen ein. Der
alte Tataren-Khan Halil-Beg, ehemaliger Perser, welchem das Dorf gehört,
hatte seine Söhne in reichstem Waffenschmuck entgegengesendet und liefs
durch dieselben die Bitte ausdrücken, in seiner Behausung das Absteigequartier
zu nehmen. Es war dies somit der erste Istakbal.
Nach einer zwölfstündigen Reise, so lange hatte der Weg gedauert,
konnte ein solches Anerbieten wohl nur mit dem gröfsten Danke angenommen
werden. Das Haus ist ganz persisch eingerichtet. Wir scheinen in
dem Endervn zu logiren, denn die Frauen sind unter uns in einem niedrigen
Erdgeschofs eingesperrt worden und benutzen die offenen Thürritzen,
um die fremden Gäste näher in Augenschein zu nehmen. Die Zimmer sind
sauber geweifst, mit Wandnischen und Kaminen versehen, das grofse Fenster
mit den bunten Glasscheiben schliefst uns von der einen Seite des
Hofes ab. Persische Teppiche von ausgezeichneter Güte bedecken allenthalben
den Fufsboden.
Zum erstenmale wurden wir mit einer ächt persischen Mahlzeit be-
wirthet. Die Speisen wurden nach orientalischer Sitte alle mit einem Male
aufgetragen. Wir hockten rings herum, der alte Halil-Beg gab erst wiederholten
Aufforderungen nach, an dem Mahle Theil zu nehmen. Die Söhne
standen hinter uns, die rechte Hand an den Dolchgriff gelehnt, als ein Zeichen,
dafs sie jeden Augenblick bereit seien, uns mit den Waffen zu ver-
theidigen. Von Zeit zu Zeit verrichteten sie die Dienste bei Tische, welche
sonst nur von den Dienern des Hauses geleistet zu werden pflegen. Es
ist das ein schönes Stück morgenländischer Sitte, dafs der Gastfreund seinen
Gast selber bedient oder durch seine Söhne bedienen läfst.
Die Vorgesetzten Schüsseln, aus denen mit den Händen gegessen wurde,
bestanden aus ächt persischen Gerichten, als da sind Pilau, Tschilau, Kebab,
Honig, Ziegenkäse, Butter, Zwiebeln und dazu dünnes und langes Fladen-
brod. Die Perser nennen Pilau den mit Fett und sonstigen Ingredienzen
zubereiteten Reis, die Lieblingsspeise des Morgenländers, Tschilau den nur
in Wasser gekochten Reis und Kebab die auf eiserne Spiefse gesteckten
stark gepfefferten und über einem Kohlenfeuer gebratenen kleinen Stücke
Hammelfleisches.
Dafs man bei einem solchen Gastmahle, wobei die Finger die Stelle
von Löffel, Messer und Gabel, und das dünne Brot die Stelle der Servietten
vertraten, manches mit herunterschluckt, was in Europa zu den Tischabscheulichkeiten
gehört, versteht sich im Morgenlande zu sehr von selber,
um weiter davon zu sprechen.
Hälil-Beg und seine Söhne, welche an ihrer tatarischen Nationaltracht
russische Offiziersepauletten trugen, waren eifrige Russenfreunde, und konnten
nicht Wunders genug von dem erzählen, was sie in St. Petersburg am
Hofe des Czaren gesehen und erlebt hatten. Die russische Regierung hat
es mit grofsem Geschicke verstanden, die Häuptlinge des ehemaligen persischen
Landes für sich zu gewinnen und den Interessen Rufslands hold zu
machen. Man giebt ihnen Orden und Offlzierspatente, beruft sie nach Petersburg
und öffnet ihnen die Pforten des kaiserlichen Pallastes und der
hohen Aristokratie. Kommen die guten Mohamedaner zurück, so sind sie
die gröfsten Russenfreunde geworden, die nicht anstehen würden, bei einem
ausbrechenden Kriege die Waifen gegen ihre eigenen Glaubensgenossen zu
ergreifen und gegen sie zu Felde zu ziehen.
Am 6. April wendeten wir dem gastlichen Hause Halil-Beg's den
Rücken. Unsere Karawane war heute durch die Anwesenheit zweier Pferdehengste,
eines prachtvollen Karabagh-Goldfuchses und eines Schimmels aus
der Pferdezüchterei Halil-Beg's vermehrt worden. Je näher wir der persischen
Grenze kamen, je gröfser wurde aufserdem die Schaar der begleitenden
Tataren, welche im gestreckten Trabe neben den dahineilenden
Wagen einherreiten. Die Pferderasse, das merkt man bereits h ie r, ist in
Asien von einer seltenen Ausdauer im Lauf. Nach kaum einstündiger Fahrt
hatten wir eine Abzweigung des Aras erreicht, der in zahlreichen Armen
von kaum zwei Fufs Wassertiefe die Poststrafse durchschneidet. Der Flufs
hat die Eigenthümlichkeit, alle Jahr seinen Lauf zu verändern, so dafs der
Strafsenbau darunter sehr leidet.
In Kiwräch, woselbst die Pferde gewechselt wurden, hatten wir einmal
wieder die Freude, auf zwei Europäer zu stofsen, die sich in den Personen
des russischen Districtshauptmannes und des vielgereisten und vieler Sprachen
kundigen Polizeimeisters von Nachitschewan, Mr. Q u a r t a n o , dem