Und an Kindheit streift
Des Alters Geistesblindheit.,
Uns war es schon ganz recht, dafs die Sonne Hamadans mit mildem
Strahle über unsern Häuptern schien, und die gefürchtete Grobheit fand
ihre Schutzwehr mehr in dem Firmän des Schah, als vielleicht in unseren
europäischen Personen, über welche die verwunderte Gassenwelt die Köpfe
schüttelte.
Das waren so meine Gedanken, als wir in die Stadtruine einrückten,
wo plötzlich auf einem kleinen Meidan eine Ehrenwache von acht Mann
Serbazen, halb in Lumpen gekleidet, das Gewehr präsentirte, und andere
acht Mann, Hamadaner Constabler, ihre Amt's-Insignien, d. h, lange Rohrstöcke,
hochachtungsvoll senkten. Wir ritten wohl eine halbe; Stunde durch
die ganze Stadt. Rechts von uns, ein wenig in der Tiefe, lag das Viertel
der Armenier, neben uns zeigten sich die Reste alter Begräbnifsstätten,
deren Leichensteine, mit prachtvollen Arabesken und Inschriften geschmückt,
wie Kraut und Rüben durcheinander lagen und an verschiedenen Stellen,
wie so häufig in Persien, zu Brückensteinen über Rinnsalen benutzt wären.
Nachdem wir den Anblick der schlecht gebaueten, halb zerstörten,
traurigen und düstern Stadt lange 'genug gekostet hatten, hielten wir endlich
in einer engen Sackgasse still und stiegen müde und matt vor einer
kleinen Thüre von unsern Pferden. Hier war unser Menzil. Der Besitzer
des Hauses war verreist und so hatte man es für das Gerathenste gehalten,
den Fremden in dem leeren Neste ein Quartier, zu bereiten. Ueber einen
Hof mit Seitenflügeln kam man nach einem Talar mit sehr geschmackvollen
Gitterfenstern in bunter Glasscheibenmalerei, auf den Boden desselben waren
wollene und Filzteppiche ausgebreitet und darauf ganze Ladungen von
Zuckerhüten, Zuckerwerk und Früchten ^aufgespeichert. Dieser Saal und
ein Nebengemach bildeten unsere Gastzimmer. Hinter dem Hause lag ein
dumpfiger Garten, in dem es so wild atissah, als habe die Natur hier
selbstständig seit Jahren Gärtnerei betrieben. Während wir unsern Hunger
und Durst stillten, wobei uns die beiden persischen Honoratioren treulich
Gesellschaft leisteten, kam die Nachricht an, dafs der Gouverneur der Stadt,
ein Brudersohn der Mader-i-Schah (Königin-Mutter), leider zur Jagd gegangen
wäre, und den zugedachten Besuch der fremden Mission erst am folgenden
Tage empfangen könne. Den Abend verbrachten wir in der fröhlichsten
Und- angenehmsten Weise mit Aufführung einer improvisirten Alexander-
Tragödie, deren wesentlichster Bestandtheil eine Hamadaner Pfirsich-Bowle
war. Der vielgerühmte Hamadaner Wein ist stark, trinkbar und weit besser
als das Teheraner Gebräu, verdient aber seinen Ruf viel weniger, als die
Lobeserhebungen eines unserer persischen Gesellschafter erwarten liefsen.
In ganz Frengistan sollte, ihm zufolge, nicht solches Weinchen sein.
Am folgenden Tage, es war der 11. September, fing die Qual jener
ceremoniellen Höflichkeiten an, welche die persische Sprache in dem Ausdruck
dtd u b a z-did, wörtlich: Sehen und Wiedersehen, d. h. auf gut
deutsch Besuch und Gegenbesuch, zusammenfafst. Den Reigen eröffnete
der röthbärtige Wezir der Stadt Hamadan, Mirza Hadschi Ä z iz , welcher
am Tage vorher als Beweis seiner Höflichkeit vier Rebhühner übersendet
hatte und heute mit einem langen Schwänze von Schreibern und Begleitern
unserem Eltschi seine Visite abstattete. Wir kennen die Redensarten bereits,
mit welchen ein derartiger Besuch eihgeleitet wird, und bemerken
nur, wie aus der Unterhaltung hervorging, dafs in Hamadan, wo man vortrefflich,
persisch spricht, 10,000 Khanewdr (also ungefähr 70,000 Seelen)
leben, dafs die Stadt ausgezeichnet ist durch Gerbereien, und dafs nebenbei
die Schusterei, die Färberei, die Fabrikation von Kalemdam (Schreibkasten)
und Filzteppichen besondere Industriezweige bilden. Bald nachdem
der Herr Wezir heimwärts gegangen war, machten wir uns auf den
Weg, um in Begleitung unserer Soldaten, Diener und einer Schaar Ferra-
sehen des Gouverneur^ eine Rundreise durch die Stadt zu unternehmen.
. Ganz in der Nähe eines reifsenden Baches, der aber bei der diesjährigen
Wasserarmuth tropfenweise dahinsiegte, betraten wir zunächst ein
moscheenartiges Gebäude, in Kreuzesform mit Kuppel darüber erbaut, das
einen einzigen, kellerartigeri Raum umschlofs, in welchem sich ein an-
muthiges Derwischnest befand. In jeder Ecke desselben hockte ein Bruder
Derwisch auf einer Strohmatte, in Gesellschaft eines hölzernen Kaliun, alle,
mit Ausnahme eines Blinden, in arabischen oder persischen Handschriften
lesend. Es waren dies Derwische aus Arabistan, welche an dieser heiligen
Stätte ' ihr Menzil bei Tag und bei Nacht , aufgesehlagen" hatten. In der
Mitte des Raumes befanden sich zwei Gräber, ziemlich roh aus Sandstein
aufgeführt-; das. vordere aus' einer gröfseren Steinplatte bestehend, auf welcher
eine zweite in Gestalt eines persischen Sargdeckels ruhte. Arabische
Inschriften in Relief und einfache Arabesken verzierten beide Grabdenkmäler.
Auf dem ersten erinnerten die Worte des Sockels: Dies ist das
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