E rlä u teru n g en u n d B em e r k u n g en zu v o r ste h e n d em K alen d er.
Bereits an verschiedenen Stellen unseres Reiseberichtes haben wir Gelegenheit
gehabt, auf die Lieblingsneigung der Perser für astronomische
und astrologische Studien aufmerksam zu machen, und wir hoben es besonders
hervor, wie sehr man in Iran noch heutigen Tages und selbst in
den höchsten Kreisen von Tag- und Stundenwählerei, im engsten Zusammenhang
mit den Stellungen der Planeten, abhängig ist. Diese Vorliebe
ist kein modernes Product und etwa erst entstanden durch Berührung und
nähere Verbindung mit angrenzenden oder eingewanderten Culturvölkern
(wiewohl zuzugeben ist, dafs die arabische Wissenschaft nicht ganz ohne
Einflufs gewesen sein mufs), sondern sie ist uralt und ein treu bewahrtes
Vermächtnifs der frühesten Zeiten, von welchen uns Denkmäler schriftlich
Zeugnifs abgelegt haben.
Bei einem Volke, das der Sterndeuterei, hervorgerufen und begünstigt
durch die ungewöhnliche Reinheit und Klarheit des Himmels, in so sichtbarer
Weise von Alters her bis auf die Gegenwart gehuldigt hat und immer
noch nachhängt, darf ganz natürlich das Vorhandensein, einer astronomischen
Litteratur, wenn auch, aus Mangel genauer Instrumente, einer unvollkommenen,
vorausgesetzt werden, und in der That ist diese in vielen Schriften
in reichem Maafse vertreten. Obgleich der Prophet im Koran erklärt hat,
da-fs Jeglicher Mann, welcher an dem Einflufs der Gestirne glaubt, ein
Ungläubiger sei“, so kehren sich die Perser nichtsdestoweniger an diesen
Ausspruch, sondern haben mit der Astronomie das wunderlichste Spiel getrieben
und sie als eine Wissenschaft, welche auf das Leben und auf die
Verhältnisse der Menschen einen gewichtigen Einflufs ausübte, in ihren
Schriften weiüäuftig behandelt.
Indem wir hier im Allgemeinen nur andeuten können, was in gelehrten
Werken älterer und neuerer Zeit ausführlich besprochen worden ist
gehen wir näher auf den persischen Kalender ( Taqwirn) ein, der in den
verschiedenen Städten Persiens, meist in mehreren Redactionen, lithogra-
phirt erscheint und einige Wochen vor dem Nauruz-Feste in den Buchhändlerbuden
der Bazare käuflich ausgegeben wird. Die Verfasser derselben
sind Astronomen und Astrologen (muneduchim) , welche sich aus-
schliefslich mit ihrer Wissenschaft beschäftigen und sich, wie die Astrologen
des Mittelalters, meist in dem Geleite besonders vornehmer Personen zu
befinden pflegen. Wir haben einen Kalender vor uns, aus dem vorstehende
Concordanz ausgezogen ist und der nach der Aufschrift von einem gewissen
Äbdwrrakhvm aus Schiraz hauptsächlich für das Jahr 1277 der mohameda-
nischen Aera verfafst worden ist. In Bezug auf dieses Jah r, welches mit
dem Tage des 20. Juli 1860 unseres christlichen Kalenders beginnt, müssen
wir die Bemerkung vorausschicken, dafs die mohamedanische Aera bekanntlich
mit dem 16. (astronomisch 15.) Juli 622 nach Chr. Geb. ihren Anfang
nimmt und dafs die einzelnen Jahre, als Mondjahre aus zwölf Mondmonaten
bestehend, um eilf Tage kürzer als das regelrechte, aus 365} Tagen bestehende
Sonnenjahr sind. Die Reduction eines Jahres-Datums mohameda-
nischer Aera in das entsprechende Jahr der christlichen Aera geschieht annähernd
richtig dadurch, dafs man von jedem Jahrhundert 3 Jahre (jedes angefangene
Drittel des Jahrhunderts aufserdem als voll gezählt) abzieht und
zu dem Rest die Zahl 622 hinzulegt. Nehmen wir das mohamedanische
Jahr 1277 als Beispiel, so müssen hiervon 12,77 X 3 = 38,31 d. h. 39 volle
Jahre subtrahirt werden, bleibt Rest 1238, und dazu 622 Jahre addirt werden.
Die Summe 1860 entspricht somit dem betreffenden Jahre der christlichen
Aera.
Ein solches wandelbare Mondjahr mit seinen Mondmonaten kann seinen
Zweck als Datumzeiger für gewisse Feste und geschichtliche Ereignisse
erfüllen, hat aber gar keinen Werth in astronomischer Beziehung, oder
zur Angabe periodisch wiederkehrender Phänomene. Die Völker, welche
die Lehre des Propheten Muhammecl augenommen haben und damit auch
den aufgestellten arabischen Mondkalender (tarikh araM), bedienen sich des
letzteren wohl zur Bestimmung ihrer religiösen Feste, zur Datirung von
Schriftstücken, nicht aber zur Notirung periodischer Ereignisse, vorzüglich
solcher, welche von dem Stande und von dem Einflufs der Sonne auf die
Erde in regelmäfsiger Wiederkehr abhängig sind. Sie wenden dann ein
ihnen naheliegendes oder besonders bekanntes Sonnenjahr an, wie z. B.
die in Aegypten lebenden Mohamedaner das Jahr der koptischen Aera,
welches aus dem grauesten Alterthume herrührt und bereits auf den ägyptischen
Denkmälern der ältesten Pharaonenzeit zur Datirung benutzt er