der Götter Ophioneus oder Ophion, welchen sein Name als ein Wesen in
Schlangengestalt kenntlich macht, vom Throne stiefs, schleuderte Rhea die
Gattin desselben, Eurynome, in den Tartarus *). Apollonius Rhodius, bei
welchem Orpheus diesen Götterkrieg besingt, läfst beide alten Götter hinabsinken
in die Tiefe des Okeanos a) ; wo Eurynome mit der Thetis den vom
Himmel herabgestürzten Vulkan unter den strömenden Wassern auferzog s),
und auch den vor Lykurgus aus Nysa flüchtenden Bacchus in der Tiefe des
Meeres aufnahm *). Wegen dieser milden Gesinnung dichtete man, Eurynome
habe dem Jupiter die Grazien geboren. Nach Pausanias hatte sie zu Phi,
galia in Arkadien einen Tempel, der jährlich nur einmal geöffnet wurde.
Ihre Darstellung war der Gattin eines schlangenleibigen Gemahls nicht unangemessen,
oben weiblich, unten in einen Fisch endigend und in der Mitte
von goldenen Reifen umgeben 5). Diese Sagen und Bilder, von offenbar
nicht griechischem Ursprung, erhalten einen überraschenden Aufschlufs durch
die Nachricht des Manetho, dafs dem Helios der Agathodämon in der Herrschaft
gefolgt, aber von Kronos verdrängt worden sey, 6). Nun wird jener,
wie schon bemerkt, immer in Schlangengestalt gedacht; er ist also kein
anderer als Ophioneus selbst, und Eurynome ohne Zweifel jene Menuthis
oder Eumenuthis, die als Gattin des Canobus öder Chnoubis und als Meeresgöttin
oben erwähnt wurde 7) Das salzige Meer selbst war übrigens
den Aegyptern unrein und verbalst, sie hielten es für kein Element, oder
ursprünglichen Theil der Natur 8), sondern es sey gesalzen von den Thränen
1 ) Schon P h e r e c y d e s v o n S y r ö s hatte von diesem alten Gott in Schlangengestalt erzählt,
welchen Kronos der Herrschaft beraubte: T z e t z e s zu L y c o p h r . 1191. und S c h o l, A e sc h f]
Prometh. 965.
2) A p o l lo n . R h o d . 1 , 503 — 506'. 3) I l i a s X V I I I , 398 — 405.
4) I l i a s V I , 136^ Schol. 5) P a u s a n . V I I I , 41.
6) ' M a n e th o bei S y n c e ll. Chronogr. p . 40.
7 ) Oben pag. 109. E p ip h a n iu s - bei J a b lo n s h y Panth. I I I . p. 147. und 154. Gerade der
Hauptarm des Nil, welcher gewöhnlich der Kanobische heilst, wird von Ptolemäus der Strom *>
Agathodämon genannt. Geogr. IV . c. 5. p . 105.
8) P lu ta r c h . de Is. e t Osir. c. 7. Symp. V I I I , 8.
des gestürzten Kronos z); die Thränen Jupiters aber fielen als fruchtbarer
Re en herab 2) Die Grazien endlich sind keine ägyptischen Gottheiten,
sondern gehören, im Glauben wie in der Kunst, blo.s den Griechen an 3).
Ueber das Erscheinen der Rhea unter den Tempelgenossen des Ammon
c'ebt Diodör befriedigende Auskunft, so sehr er das Mythische zu verw
is c h en sich bemüht hat 4). Rhea war, nach ihm, eine Schwester des
Kronos und anfangs dem Ammon vermählt, der in Libyen herrschte, gebar
ihm aber keine Kinder. Als daher diesem von der Amalthea, welcher Ammon
das Horn des Ueberflusses geschenkt hatte, (nach Diodor einen sehr
f r u c h t b a r e n Landstrich, offenbar Siwah selbst, welches auch das fabelhafte
Nysa der Griechen zu seyn scheint) s). ° siris gekoren wurde, entbrannte
Rhea Vor Eifersucht über die wunderbaren Gaben des Kindes, und entfloh
zu Kronos, mit welchem sie sich vermählte, und von ihm den Typhon und
die Nephthys gebar, von Helios und Hermes aber, nach der gewöhnlichen
Erzählung, die übrigen Hauptgottheiten der dritten Ordnung, die im öffentlichen
Dienst am meisten geehrt wurden; so dals Rhea mit Recht auch bei
den Aegyptern die Mutter der Götter genannt werden konnte. Die Bildung
m it dem Löwenkopf theilt sie mit ihrer gleichartigen Tochter Nephthys 6).
In der Erwähnung der Amalthea als Mutter des Osiris, wahrscheinlich der
| ammonischen Venus -Dione, ist die Hindeutung auf Mendes nicht zu ver-
kennen 7).
Im Gottesdienst scheint man die Rhea, als furchtbare Göttin, auf die
Unterwelt und den dunklen, grauenvollen Erdenschoofs bezogen zu haben.
Vor dem Grabestempel des Merarton befand sich eine Doppelreihe sitzender
1) Ibid. c. 3?. Dieser Ausdruck des Pythagoras ist offenbar aus Aegypten entlehnt.
2'j Clern, A l e x . S trom , V. p> 571. Sylb. 3) H e r o d o t. I I , 50.
4) D io d o r , I I I , 67.,- er nennt Kap. 73. diese Mythen ausdrücklich libysche, s. oben p. 108.
5) Hom. hymn. 26, 9. 10. I l i a s V I , 1.33, 6) Man sehe Tafel X X I I . Fig. I.
fj) Man sehe B S t l i g e r 's Amalthea im ersten Heft der. gleichnamigen Zeitschrift, wo indefs
die hier entwickelten Mythen nicht berührt sind.