wird bald in ihnen nicht Diener finden, sondern Herren. Wer sie blos in
ändern Verhältnissen gesehen hat, glaube nicht, dafs er die Söhne der
Wüste kenne. Derselbe Araber, der in der Stadt und vor mächtigen Vorgesetzten
eine bescheidene, oft kriechende Unterwürfigkeit zeigt, und sich
scheinbar alles gefallen läfst, fiihlt sich unabhängig, sobald er die Wüste
betritt. Er ist dann sich bewufst, dafs er seinen Zufluchtsort erreicht hat,
der allenthalben ihm offen steht, und wo jede bürgerliche Macht vergebens
ihn aufsucht. Die Straflosigkeit macht ihn übermüthig und unbeugsam.
Das Gastrecht sichert ihm allenthalben seinen Unterhalt, und was er bedarf
ist leicht gegeben; eine Handvoll Datteln genügt ihm zur Nahrung auf
einen ganzen Tag. Wenn man ihm droht, giebt er eine eben so laute
Drohung zurück, und hält es für sein Recht, sich eines Feindes durch
Mord zu entledigen.
Diese Betrachtungen kommen hier um etwas zu früh, man lese aber
im Folgenden die Bestätigung. Ich gebe das Tagebuch meines Zuges in
seiner ganzen Umständlichkeit; das Dramatische der Vorgänge wird dieser
vielleicht zur Entschuldigung dienen.
Den 5ten Oktober war unsere Karavane zusammengebracht, und lagerte
sich etwa eine halbe Meile von Alexandrien auf dem Wege nach Marabout.
Die Herren Naturforscher mit ihrem Gehülfen und ihrem Dragoman, einem
syrischen Christen, waren schon vorausgegangen, und campirten seit einigen
Tagen an den Ufern des Sees Mareotis, um Excursionen anzustellen.
Um das Ausbleiben des Herrn Professor L i m a n zu ersetzen, so weit es
möglich war, hatte ich die Herren G r u o c und B o l d r i n i engagirt; jener
war ehemals Wege- und Brücken-Inspector in Italien, und B o l d r i n i Offi-
cier. Dieser sollte mir beim Abzeichnen und bei der Vermessung von Denkmälern,
Herr G r u o c bei den topographischen Arbeiten zur Hand gehen.
Meine Frau und noch eine andere Dame, nebst mehreren Herren von
Alexandrien hegleiteten mich gegen Abend hinaus, um das Lager zu besehen.
Manches war noch anzuordnen, manches vergessen; im Ganzen hatte
aber alles ein versprechendes Aussehen.
Einundvierzig Kameele waren für unsern Dienst, bestimmt, wovon zehn
insbesondere für mich und zehn für die Naturforscher. Sie waren auf hunder
t Tage gemiethet, das Stück zu vierzig spanischen Thalern. Aufser diesen
hatten die Beduinen noch andere Kameele zur Fortbringung ihrer
Sachen und Vorräthe. Fünf waren insbesondere blos zum Wassertragen
bestimmt. Ferner befanden sich vier Pferde bei der Karavane, indem
ich, d e r Scheik und zwei seiner Schwäger, die ihn begleiteten, beritten
waren. Unsere Bedeckung bildeten fünfundzwanzig Beduinen, die zugleich
die Kameele führen sollten, und mit schlechten Flinten bewaffnet waren.
Zu u n s e r e r Aufwartung hatten wir vier Diener bei uns.
Am folgenden Tage wurde es drei Uhr Nachmittags bis ich Alexandrien
verlassen konnte. Auch diesmal begleitete mich meine Frau, die Herren
T o u r n e a u x , D r o v e t t i , B u c c i a n t i und andere. Die Karavane hatte sich
bereits in Bewegung gesetzt, wir erreichten sie aber bald, und in der Nähe
jvon Marabout trennte ich mich von meiner Frau und meinen Freunden.
Bald darauf, etwa um halb sechs Uhr, erreichten wir das Zelt unserer
[Naturforscher, die bei Tschelle Lachterieh campirt waren, und uns mit Flin-
jtenschüssen bewillkommneten, welches von uns erwiedert wurde. Unsere
[Zelte wurden neben dem ihrigen errichtet; wir lagerten auf einem sandigen
mit Gestrüpp bewachsenen Platz, wo sich aber sehr gutes Wasser fand.
[Vor uns lag der sanfte Landrücken, der sich längs dem Meere hinzieht.
Bald aber fanden schon hier sich Schwierigkeiten und Zwiste. Der
jScheik behauptete, die Kisten der Naturforscher seyen zu grofs, und wei-
Rerte sich sie zu laden. Auch widersetzte er sich meiner Anordnung, die
BVasserschläüche hier zu füllen, obgleich uns dies dringend empfohlen war,
indem wir auf den nächsten Märschen kein so gutes wieder antreffen wtir-
| ' ®er Zwist wurde so heftig, dafs ich drohen mulste, sofort nach
[Alexandrien umzukehren, und die Karavane aufzulösen. Er gab nun mit
verbissener Wuth nach; allein da es an Mitteln fehlte, die Kisten auf den
Kameelen zu befestigen, so mufste ich den Mamelucken nach der Stadt
Macken, um die nöthigen Packsättel, Netze und Stricke zu besorgen.