Die Gegend zwischen Radamoun, Hermopolis, Melawi, bis nach Antinoe
giebt ein Beispiel, in welches Paradies sich Aegypten unter der Hand betrieb,
samer Einwohner verwandeln würde. Ueberall grünende Saaten! Getreide-
und Doura-Felder wechselten ab mit Pflanzungen von Zuckerrphr, Wicken
und Bohnen, beide jetzt in voller Blüthe! Dazwischen Palmenwäldchen,
Sykomoren, Gummi- und Tamarindenbäume. Kameele, Pferde, Büffel, Esel
und Schaafe weideten durch einander im Klee, und vertraulich mit ihnen
der weifse Ibis, eine Reiherart mit schwarzem, geraden Schnabel. (Ardea
garzetta). Diese Kleefutterung des Viehes dauert vier Monate und heifst Bar-
zim, während welcher Zeit es nicht zu trinken erhält und weniger als sonst
angestrengt wird.
Von der Fruchtbarkeit Aegyptens macht man sich bei uns einen übertriebenen
Begriff. Nach allen auf verschiedenen Punkten eingezogenen
Nachrichten gewinnt man selten mehr als das siebente bis zehnte Aussaatkorn.
Das Feld wird aber nicht gedüngt, und nach einander mehrmal
bepflanzt, wodurch der Ertrag gesteigert wird. Das gewonnene Getreide
würde für den Bedarf der Einwohner nicht zureichen, genössen diese nicht
meist Bohnen, Linsen, Doura und andere Früchte. Zweckwidrig ist der
Gebrauch, die Saat gleich nach dem Rücktritt der' Wasser auf dem noch
schlammigen Boden auszustreuen, wodurch viel verdirbt; das Unterpflügen
geschieht höchst nachläfsig, so dafs ein Theil der Saat von den Schollen
erstickt, und noch mehr von den zahllosen Vögeln, besonders Tauben, die
in unglaublicher Menge vorhanden sind, aufgezehrt wird. Auch während
das Korn in Garben steht oder in Haufen aufgeschüttet im Felde liegt
nähren diese sich ungestört, und man rechnet den dadurch veranlafsten
Schaden auf ein Drittel des ganzen Ertrags.
Dicht bei Radamoun liegen die Trümmer des Castellum Hermopoliticum,
blofse Schutthaufen gebrannter Ziegeln und Scherben.
Den dritten Tag verliefsen wir Herrn B r i n e ’s gastfreie W o h n u n g , wo
jeder Reisende nicht blos einer herzlichen Aufnahme sicher seyn darf, sondern
gewöhnlich noch auf mehrere Tage mit Vorräthen aller Art reichlich
v e rse h e n wird. Wir erreichten dann Monfälout, wo viel Leinwand verfertigt
wird; und darauf Siout, eine der gröfsten Städte Ober- Aegyptens an einem
Kanal, eine Viertelmeile vom Nil entfernt und auf einer Anhöhe vor einem
steilen Bergrücken belegen, der die Grotten des alten Lycopolis enthält,
welches einst die Stelle der jetzigen Stadt einnahm. Besonders in dieser
Gegend gewinnt man das ächte Opium der Thebaide.
Bei Gau- el- Kebir, dem alten Antäopolis, suchte ich umsonst den berühmten
Porticus und den kleinern, peripterischen Tempel; das hohe Wasser
hatte dies Jahr die letzte noch stehende Säule niedergestürzt, und nur einzelne
Steinblöcke mit Hieroglyphen lagen zerstreut umher. Ich liefs durch
Herrn R i c c i das am besten erhaltene Fragment abzeichnen, man findet es
Tafel XX. Fig. 5., und bei meiner Rückkehr, wenige Monate später, waren
die Einwohner beschäftigt/auch diese letzten Trümmer zum Kalkbrennen
und zu Bausteinen zu zerschlagen, so dafs jetzt wahrscheinlich keine Spur
von Antäopolis- übrig ist Ein schräg liegender Steinblock dient den Weibern
als Mittel gegen die Unfruchtbarkeit, indem sie auf demselben herabgleiten.
Etwa eine halbe Meile oberhalb El-Gau findet man Katakomben,
die, nach Herrn R i c c i ’ s Versicherung, mit mehr Sorgfalt, als die von Theben
ausgehölt sind, und in einiger Entfernung einen Steinbruch.
Zu Äkhmim sieht man von dem alten Chemmis oder Panopolis nur Schutt
und einzelne Steine; die jetzige Stadt ist ziemlich grofs, und jedes der nach
ägyptischer Art von Lehmziegeln erbauten Häuser trägt, wie die meisten in
Ober-Aegypten, einen Taübenschlag. Vertraulich mit seinem Federvieh wohnend,
behält im engen Inneren der Eigenthümer kaum Platz für sich *),
und ist den ganzen Tag mit Aufsuchen des zahllosen Ungeziefers beschäftigt,
welches zu tödten er indefs aus Aberglauben Bedenken trägt. Die
Tauben werden nicht gespeist, sondern liefern blos Dünger zum Bau der
Pästeken. Viele Einwohner sind Katholiken, deren geistliche und weltliche
*) Schon dem H e r o d o t war das Zusammenleben der Aegypter mit ihrem Vieh anffal-
lmib II, 36¡,¿¿5