Wir afsen innerhalb der obbenannten Tempelruine zu Mittag, und
besuchten auf der Rückkehr die Ruine Kamisi, welche einer alten Burg angehört
zu haben scheint. Einige Substructionen und viele Ziegelsteine, welche
man in deren Nähe findet, so wie auch ein gerade gegenüber liegender
Katakombenberg, sind deutliche Spuren eines ehemals hier vorhandenen
Ortes. Eine halbe Stunde von diesen Ueberbleibseln trifft man abermals
die Ueberreste eines alten Gebäudes: Kasser-Gakam genannt. Ich ward
durch besondere Umstände abgehalten sie zu besuchen x).
In dieser Gegend wird etwas Reis gebaut, da man aber hier viel süfses
Wasser findet, so würde man weit mehr von dieser nützlichen Getraideart
gewinnen können; jetzt wuchern in dem fruchtbaren*Boden Schilf, Bin-
sen und Rietgras. Wir zogen bei dieser kleinen Ausflucht über bedeutende
Salzmassen, die auf einer weiten Strecke zu Tage brachen, und von welchen
die Bewohner Siwahs s alle Jahre gerade an einem und demselben ThgeE'iäm-
lich dem Feiertage, an welchem die Karavane nach Mekka abzieht j ihren
Vorrath auf das ganze Jahr entnehmen.
Auf diesem Ritte kam ich über Stellen, , die "eine Viertelmeile lang dergestalt
mit Salz belegt waren, dafs es schien, sie seyen beschneit ; auf anderen
Punkten fand ich mit Salztheilen so stark geschwängerte Lachen, dafs meine
Kleidungsstücke, durch das blofse Anspritzen, wie mit einer Salzkruste über1
zogen wurden. Dieses Salz ist sehr gut, und galt im Alterthum für reiner
und heiliger als jedes andere. Man fand Scheiben bis zu drei Zoll Dick
und klar wie Krystall. Gewisse Priester des Ammon brachten es in Körben,
die aus Palmblättern geflochten waren, nach Aegypten, wo man sich desselben
beim Opfer bediente, wozu das Meersalz, als Schaum des Typhon,
nicht heilig genug war. Auch aulser Aegypten bedienten sehr fromme Leute
sich desselben beim Gottesdienste 2). Der König von Persien, der aus allen
1 ) Eine Zeichnung dieser Ruine von Herrn L i n a n t , aus der man sieht, dafe dieser Bau
griechischen Ursprungs ist, wurde diesem Werke nicht beigelegt, um der Bekanntmachung derselben
in der angekündigten Reise des Herrn L i n a n t nicht voraugreifen.
2) A r r ia n . de exped. A le x . I. I I I . c. 4.
P r o v i n z e n seines weiten Reiches blos das beste genofs, erhielt aus Aegypten
Salz vom Tempel des Ammon und Wasser aus dem Nil x). Ich habe von
diesem Salz einen ziemlichen Vorrath mitgebracht; eine chemische Analyse
desselben von Herrn Professor John, die meinen Lesern ohne Zweifel willkommen
seyn wird, findet man diesem’Kapitel beigefügt. Auffallend ist es,
mitten aus den Salzlagem bisweilen süfse Quellen hervorsteigen zu sehen 2).
Es war meine" Absicht, den schon erwähnten See Birket-el-Araschi zu
besuchen I allein ein ganz eigener Unfall, der durch meinen Scheik ver-
anlafst wurde, verstattete mir nicht wohl einen längeren Aufenthalt in Siwah.
Aufserdem wurde mir versichert, dafs auf den Inseln jenes Sees, deren es
mehrere geben soll, keine antiken Denkmäler anzutreffen seyen. An den
Ufern desselben fand Herr D r o v e t t i sehr viele Meerconchylien, welche
die Vermuthung bestätigen, dafs einst das Meer diese ganze Gegend bedeckt
habe.
Unser Scheik, der mir schon so vielen Verdrufs gemacht hatte, war
nämlich auf Befehl des Pascha mit dessen Eroberungstruppen nach Siwah
gezogen, und gerade sein ihm untergeordneter Stamm, Dschimmedt, hatte
sich beim Angriff gegen die Siwaher ausgezeichnet, und über vierzig derselben
getödtet; sein Schwager aber, der mich ebenfalls begleitete, mit eigner
Hand ihrer zwei erlegt. Da nun in Siwah die Blutrache, wie wir oben
gesehen, im strengsten Sinne des Wortes noch ausgeübt wird, der Scheik
und dessen Schwager sofort erkannt wurden, und jener unklug genug war,
aus dem Grunde, dafs er die Erhebung der Kontributionen in Siwah übernommen
und für deren richtigen Eingang zu sorgen versprochen hatte, sich
geltend zu machen, so benutzten einige unruhige Verwandten der Getöd-
teten einen zufällig zwischen ihnen und einem schwarzen Sklaven des Scheiks
entstandenen Zwist als eine Gelegenheit, sich rächen zu können. Sie prügelten
den Sklaven erstlich derb durch, und dann stürmten sie auf unsern
1) A th e n a e u s l. I I . c. 74. Schweigh.
2) Schon H e r o d o t bewunderte diese Erscheinung. IV, 181. 3) Oben pag. 83.