den Mund legt ( Metam. X I , p. 260.J: „Lebe selig, lebe glorreich in meinem Schutz; und
wenn du, nach vollendeter irdischer Laufbahn, zu den Todten hinabsteigst, wirst du selbst
im unterirdischen Halbrund 'mich, die du hier sichest, wieder erblicken, erleuchtend die
Finsternisse des Acheron, als Herrscherin der stygischen Wohnung, und in elysischen
Gefilden weilend, mich, die Gnädige, ohne Unterlafs preisend anrufen.“ (V iv e s autem bea-
tus, vives in mea tutela gloriosus! e t, cum spatium seculi tui permensus, a d Inferos demearis,
ibi quoque in ipso subterráneo semirotundo m e , quam vides, Acherontis tenebris interlucentem
Stygiisque penetralibus regnantem, campos Elysios incolens ipse, tibi propitiam frequens ado~
rabis.) Bekanntlich waren die Aegypter das merkwürdige Volk, welches die Lehre von
der Unsterblichkeit der Seele zuerst annahm und verbreitete. Oeffnet man den Deckel
dieses zweiten Sarges, so findet man einen innersten dritten, der auf das sorgfältigste
bemalt ist, indefs von dem sogleich zu beschreibenden einer anderen Mumie sich nicht
wesentlich unterscheidet.
T a f e l X X X V I I .
Auch dieser Mumiensarg schliefst noch einen zweiten, fast eben so bemalten in sich;
die darin beigesetzte Leiche scheint indefs weihlich zu seyn, wie sich aus dem Geier, der
über der Scheitel die Flügel ausbreitet, schliefsen läfst. Auf der Brust der Todten streckt
eine knieende Göttin sehr grofse Fittige aus,, die nach äegyptischer Alt an ihren Armen
befestigt sind. Auf ibrem Haupte ruht eine Scheibe, in welcher man hier, so wie auf
den innersten Särgen beider Mumien, den T a fel X X X . Fig. 8. vorkommenden Namen
bemerkt, wodurch diese Göttin als ein weiblicher A g athodämon bezeichnet wird.
Unter dem zierlichen Sessel, worauf sie knieet, sieht man den Todten auf einer Bahre
ruhen, die, wie gewöhnlich, der ausgereckten Gestalt eines Löwen gleicht, weil die
Leiche des Osiris den Nil hinabschwamm, dessen Symbol der Löwe ist. Ueber der Leiche
schwebt ein Falke mit einem Menschenhaupte, oder eine Sirene, gleichsam als Bote der
Unterwelt (oben S. 415.), und scheint begrüfsend die Flügel zu senken. Dann folgen
sieben Streifen hieroglyphischer Schrift, alle mit einer weder gehörnten, noch dickhalsigcn
Schlange beginnend, die nach Young den Begriff: ewig, ausdrückt (hierogl. vocab. Nr. 109.).
Zu beiden Seiten stehen die vier Todtenhorte, die sich dadurch auszeichnen, dafs sic
sowohl hier, als auf dem inneren Sarge dieser Mumie unverkennbare Thyrsen halten,
deren auch Plutarch und Apulejus in Beziehung auf den ägyptischen Cnltus Erwähnung
thun (d e Is. et Osir. c. 35. Metamorph. X I . p. 271.). Nur der Anubis und der Mondesgenius
mit dem Kynokephaluskopf halten einmal auf jeder Seite in beiden Händen eine Binde,
die wir schon T a fel X X . Fig. 5.» T a fel X X X . Fig. 1. und T a fel X X X I I . Fig. 9. fanden, und
die sich ohne Zweifel auf die Einwickelung der Todten in Leichentücher bezieht, die bei
den ägyptischen Mumien oft von endloser Länge sind. Auch diesem Gebrauch gab man
einen mythischen Anlafis, den Plutarch andeutet (d e Is. et Osir. c. 21.); immer ist es der
erschlagene Osiris, auf den man bei jedem grofsen und geringen Anlafs hingewiesen wird.
Am Fufs der Mumien, wo häufig der libysche Fucl^s dargestcllt ist, sehen wir hier auf
beiden Seiten das Auge des Osiris, mit angefügtem siderischcn Stab und einem anderen
Ansatz, dessen Form es sehr zweifelhaft macht, ob eine Thräuc, wie bisweilen wirklich
der Fall ist ( Y o u n g ''s hierogl. vocab. Nr. 100.^), dadurch angczcigt wird. Horapolio
erwähnt der Verbindung von Auge' und Zunge (I, I>7.), Clemens von Auge und Ohr
( S tr o m . I. V . p. 566. • auch der Vereinigung von Auge und Hand wird gedacht; aher
alle diese treffen nicht zu. Auf einem geschnittenen Steine der Königlichen Sammlung zu
Berlin ist ein deutlicher Flügel und eine Hand mit einem Auge verbunden. Visconti hielt
überhaupt das hier vorkommende Zeichen für ein geflügeltes Auge (Museo P i o -C l e m . II.
p. 37.). Allein am meisten Achnlichkeit scheint mir dieser Ansatz, hier und Tafel X X X V . Fig. \ .,
mit der Form des ägyptischen Steuerruders zu haben, wie es z. B. T a fel X X X IV . -Fig. 2-
vorkommt. Die Bedeutung kann nicht zweifelhaft seyn; cs ist dieselbe, in der hei den Griechen
und Römern Fortuna das Steuer führt. In der Sonncrischeibc erblickt man, statt des falkenköpfigen
Helios (T a fe l X X IV . Fig. 2. ) , bisweilen dies Auge mit dem Ruder und dem gebogenen
Stab ( R i c h a r d s o n 's cravels Vol. I. p . 244.); indem man sehr natürlich die Sonne als das
allsehcndc Auge der Welt betrachtete. Die Wortbedeutung des Namens O s iris ( P l u ta
r c h de Is. et Osir. c. 10.» " f rov feit OS ro ¡r«At<> reu fi IPI rot otp5-ot.\f*ot Alyvtrrlct yXtimi
<Pect(o»Te{. cf. D io d o r . 1. c. 11. E u s e b . Praep. Evang. I. p. 27.) gab indefs Anlafs, das
Auge insbesondere zur Hieroglyphe dieses Gottes zu machen. Man rief ihn an, als
ruhend in den Armen der Sonne ( r o t i t t*7( «V**a*/s Kfvtrrofettot rov 'ha/«», P l u ta r c h . I. c. 52.),
und feierte ein besonderes Fest der Sonnenstäbe (ßctKTti^Us 'ha/•». ib id .\ Es ist also das
Auge d e r V o rseh u n g , ein noch immer gebräuchliches, schönes Symbol.
T a f e l X X X V I I I
Nimmt man von der grofsen Mumie, T a fel X X X V . und X X X V I ., auch den dritten
innersten Deckel hinweg, so erblickt man den Todten, eingehüllt wie er hier dargestellt
ist. Die Leichentücher sind von röthlicher Farbe, die von Krapp herrühren soll, darüber
liegen sehr regclmäfsig gelegte, wcifsc Binden. Auf der Scheitel sind die Enden derselben
mit einem Siegel aus Nilschlamm befestigt. Eine noch unentwickelte Papyrusrolle der
Königlichen Sammlung trägt drei kleine Siegel, gleichfalls in Nilschlamm abgedruckt, durch
welche ein Faden läuft. Auf der Brust des Todten ruht der heilige Käfer, das Symbol
des Phthah und der zeugenden Kraft der Welt, aus Lapislazuli geschnitten, mit goldenen
Flügeln. Er hält über sieb, wie gewöhnlich, die Sonnenscheibe. Dann sieht man die
vier Todtenhorte: S o n n e , Mond, O s iris und A n u b is, und unter ihnen einen Streifen
Hieroglyphen, alles aus stark vergoldetem Schmelz geformt. Das Merkwürdigste ist indefs
das kunstreiche Netz aus blauen Schmclzkorallcn, worin die Leiche cingewickclt ist. Eine
chemische Analyse derselben findet man oben unter den Beilagen des Herrn Professors
Jo h n , Seite 337. Wie jeder Gehrauch der Aegypter, hatte auch diese Netzcinwickelung
einen mythischen Anlafs. Auf der bcmbinischen Tafel erblickt man im untersten Streifen
zweimal den Horus, ganz von einem Netze umwunden, das hinten am Halse mit einem