K a p i t e l .
Schilderung Alexandriens — Okkels — Umgang der Franken unter sich — Horschlag,
den alten und neuen Hafen zu verbinden — Befestigung Alexandriens und M itte l, sie
zweckmäfsiger einzurichten Einnahme der Stadt durch die Engländer — Die Sattle des
Diokletian — Obelisken der Kleopatra — Piscina — Katakomben — Neugeöffnete Gräber —
Unternommene Nachgrabung in der Nähe der Obelisken u n d bei dem Thor von, Rosette —
Umgegend Alexandriens Bemerkungen über die ägyptische Augenkrankheit.
Von der Audienz bei Sr. Hoheit dem Pascha kehrte ich zurück nach meinem
Schiff, um meine Frau abzuholen, die Herr D r o v e t t i nach dem
Häfendamm geleitete. Erwartungsvoll gespannt auf alles Neue, das unserm
Blicke sich darbieten würde, wanderten wir von da durch einen Theil der
Stadt nach dem Frankenquartier.
Belebter, als wir geglaubt hatten,- war das Schauspiel, in welches wir
uns versetzt sahen, aber auch lebhaft das Gefühl, es sey ein fremder Welt-
theil, den wir beträten. In engen Strafsen ein treibendes Gewühl von
Menschen aller Farben in den mannigfaltigsten Trachten, und von rauher
ungewohnter Sprache. Zwischen ihnen sich drängende Kameele und
Esel in grolser Anzahl, zum Theil mit Wasser, Gütern oder Menschen
befrachtet Aber bei diesem Anschein eines emsigen Verkehrs allenthalben
nur zu redende Spuren des bittersten Elends: Hunger und Blöfse! Die
Strafsen ohne Pflaster und voll Wust. Offene Plätze, mit nichts bedeckt,
als mit Sand und Staub, ohne einen Baum, der gegen die brennende
Sonnenhitze geschützt hätte. Hin und wieder die ekelhaften Reste verwe-
[sender Thiere, und Hunde in lästiger Anzahl. Verfallene und verlassene
Häuser, und die bewohnten von schlechter Bauart, und fremdartigem,
unheimlichem Ansehn. Dies ist Alexandrien, wo die Neuheit des afrika-
| nischen Lebens gleich im ersten Augenblick alles Anziehende verliert.
So gelangten wir zu dem Okkel des Herrn D r o v e t t i , und traten ab
bei dem Handelscompagnon desselben, Herrn T o t j r n e a u x .
Diese Okkels bezeichnen deutlich genug den gesellschaftlichen Zustand
des Orients. Es sind gleichsam Privatfestungen; Gebäude von gemeiniglich
sehr beträchtlichem Umfange, und in einem Viereck angelegt. Da meistens
nur ein Eingang zu ihnen führt, so kann man .um so leichter, im Falle
[eines Tumults, in seinen eignen Mauern sieb sichern, und in Zeiten der
Pest die Gemeinschaft mit der Stadt abbrechen. Der Name wird auch hergeleitet
von El-Kalaat, welches ein Kastell bedeutet
Kurz nach meiner Ankunft erhielt ich den Besuch der hiesigen fremden
Consuln; denn hier ist es Gebrauch, dafs man in dieser Höflichkeitsbezeugung
den Fremden zuvorkommt. Ueberhaupt läfst man es gegen diese an
[keiner Art von Aufmerksamkeit fehlen, und die Gastfreiheit geht hierin so
[weit, dafs man jeden empfohlenen Fremdling Wochen, ja-Monate lang bei
»sich aufnimmt, und unentgeltlich verpflegt.
Gleichwohl kann ich mich nicht enthalten, einen Tadel hier auszu-
[sprechen, zu dem das Leben der in Alexandrien wohnenden Franken mir
Anläfs zu geben scheint. Der Ton des Umgangs ist im Allgemeinen etwas
[kleinstädtisch und lästig. Man bekümmert sich gegenseitig viel um einander,
und ist sehr eifersüchtig auf jeden zu gebenden und zu erhaltenden
{Besuch. Aber ungeachtet aller dieser Höflichkeitsbezeugungen ist jeder
gesellige Verein hier sehr schwierig, da National - und Handelsverhältnisse
Familien und Einzelne trennen, und sie sich unter der Hand Böses genug
Fanzudichten suchen. Um so ehrenvoller sind die Ausnahmen, deren mehrere
gefunden zu haben, ich gern anerkenne. Die Menge der hier zusammenströmenden
Europäer von allen Nationen ist übrigens sehr grofs; da ihr
einziger Zweck ist, sich zu bereichern, so darf es nicht befremden, wenn