
 
		Die  Umgebungen  des  Gottes  sind  nicht  weniger  merkwürdig,  als  das  Bild  selbst  
 Links  zu  oberst  erblickt  man  eine  grofse  Schlange,  die  auf  einigen  Papyrusrollen  der  
 Königlichen  Sammlung  von  ganz  ungeheurem  Maafse  erscheint,  so  dafs  sie  viele  Götter  
 trägt  und  von  anderen  gezogen  wird.  Sie  erinnert  an  die  Weltumfangende  Schlange  
 V ä su g h i,  die  in  der  indischen  Mythologie  eine  sehr  bedeutende  Rolle  spielt,  und  im  
 Allgemeinen,  wie  hei  den  Aegyptern,  das  Symbol  von  Lehen,  Tod  und  Ewigkeit  ist  
 (Amarasinha  l.  c.J.  Rechts  erblickt  man  eines  von  jenen Kästchen,  deren  mehrere  sich  
 in  der  Königlichen  Sammlung  befinden  (T a fe l X X X IV .   Fig.  U ) ,  und  die  wahrscheinlich  
 kleine  Gräber  darstellen. 
 Unter  diesen  Zeichen  senken  zu  beiden  Seiten  zwei Geier,  die  Symbole  des Himmels,  
 der Weissagung  und  der Barmherzigkeit,  anbetend  die Fittige.  Vor  jedem  steht,  in  einem  
 Ringe,  ein  Herrscherstab,  an  denen,  bei  der  Gröfse  und  der  sorgfältigen  Ausführung  des  
 Gemäldes,  die  Weglassung  des  Vogelkopfes  und  des  Auges  nicht  für  zufällig  zu  halten  
 ist  (oben  S.  118.).  Der  Geier  zur  Linken  hält  m  den  Klauen  eine  zierliche  Binde,  die  
 sich  wahrscheinlich  auf Begrähnifsgehräuche  bezieht  (c f.  T a fel X X .  Fig.  5.,  T a fe l X X X I I .  
 Fig.  9-,.  T a fe l X X X IV .  Fig.  \.  c.  d.  und  Fig.  4 .J ,  so  wie  die  neben  derselben  befindliche  
 Laute  (cf.  T a fel  X X X V .  Fig.  \.  und  oben  Seite  398.).  Von  den  Zeichen  zur  Linken  hat  
 Herr  Y o u n g ,  durch  sorgfältige  "Vergleichung  der  Hieroglyphen  mit  der  griechischen  
 Uebersetzung,  ausgemittelt,  dafs  sie  in  der  Inschrift  von  Rosette,  den  Titel  des  Ptole-  
 mäns:  E p ip h a n e s ,  ausdrücken  ( Y o u n g ’’s  hieroglyphical vocabulary  Nr.  121.J;  Der  obere  
 Zug  bedeutet  nämlich  Glanz,  und  die  schreitenden Beine  tra g e n :  also  T r ä g e r   des  
 G la n z e s ;  welcher  trefflichen  Auslegung  man  um  so  sicherer  beitreten  kann,  da  sie  
 der  Wortbildung  des  ägyptischen  Ausdrucks:  OEPißor  genau  entspricht.  Eine  andere,  
 nicht  weniger  sinnreiche  Hieroglyphe  für  einen  nahe  verwandten  Begriff  findet  sich  bei  
 Y o u n g   Nr.  63. 
 Z u   beiden  Seiten  des  Osiris  streckt  eine  knieende  weibliche  G estalt,  sehnsüchtig  
 be ten d ,  die  Hände  gegen  ihü  au s ;  vor  jed er  von  ihnen  bezeichnen  ein  Halbkreis  und  ein  
 E i  das  weibliche  Geschlecht  ( Y o u n g   l.  c.  Nr.  3.  9.  58.J,  gleichsam  als  wäre  das  W o r t :  
 F r a u ,   neben  ihnen  geschrieben.  Beide  Gestalten  sind  sehr  häufig  Begleiterinnen  des  
 Osiris,  wenn  er  als  To d e sg o tt  dargestellt  is t;  au f  zwei  Papyrusrollen  der  Königlichen  
 Sammlung  stehen  sie  neben  d e r  B ah re ,  worauf  seine  Leiche  ru h t;  au f  einer  anderen  
 hinter  seinem  T h ro n ,  wie  au f  unserer  T a fel X X X I V .   Fig.  l.  a .b .]   und  au f  dem  grofsen  
 Sarkophage  T a fel X X X V .   Fig.  l.  erblickt  man  au f  jeder  der  schmalen  Seiten  eine  von  
 ihnen.  A u f  ihrer  Scheitel  trägt  die  eine  beständig  einen  T h ro n   (auch  T a fe l X X X V I .) ,   
 die  andere  ein  kleines  Gebäude,  welches  ein  Grab  zu  seyn  scheint. 
 Die  Göttin  zur  Linken  is t  ohne  Zweifel  I s i s ,   die  Schwester  u n d   Gemahlin  des  Osiris,  
 h ie r,  zum  Zeichen  d e r  T ra u e r,  ohne  den  Geie r,  ohne  den  Basilisk  u n d   den  Sothis  zwischen  
 Gazellenhömem  (oben  S.  1270,  dargestellt.  Nur  der T h ro n   au f ih re r  Scheitel  macht  
 sie  kenntlich,  der  bisweilen  noch  über  der  Sothisscheibe,  wie  in   mehreren  Bildwerken  des  
 Tempels  zu  Tenlyris  (Description  de  VEgypte,  Antiquität  Vol. IV . J ,   immer  aber  neben  ihr  
 angebracht  is t,  um  die  thronende  Herrscherin  Aegyptens  zu  bezeichnen.  Das  Gerüst,  auf 
 welchem  sie  k n ie et,  u n d   das  aus  einem  Herzen  sich  zu  entwickeln  scheint,  ist  die  Hieroglyphe  
 Aegyptens  und  des  Nils,  die  man ,  als  den  Mittelpunkt  u n d   belebenden  Haupttheil  
 der  W e l t ,  durch  ein  Herz  ausdrückte  (H o r a p . I ,   21. 22.  P l u ta r c h .   de Is.  etOsir.  c. 33J .   
 Un ter  und  au f  dem  Gerüste  stehen  W a ss e rk rü g e ,  Symbole  der  Fruchtbarkeit  und  des  
 Troste s. 
 Schwieriger  ist  die  Deutung  der  Göttin  zur Rechten.  Seh r  häufig  erblickt  man  in  den  
 ägyptischen  Denkmälern  ein  weibliches  W e s e n   mit  Kuhohren  ( z .B .  Ta fel X X IX .  Fig. 6.) ,  
 das  gewöhnlich  au f  seinem  Haupte  einen  Tempel  träg t;  u n d   in  dieser  Gestalt  den  Säulen-  
 knauf  vieler  Heiligthtimer  bildet,  un te r  ändern  im  P ro n ao s  des  Yennstempels  zu  Tentyris.  
 Eh en   deshalb  bin  ich  aber  der  Meinung,  dafs  es  nicht  die  Venus  selbst  sey,  sondern  die  
 ältere  Göttin  A t h o r   oder  A th y r i ,   die  Personification  der  U rn ach t,  des  ältesten  W e s e n s   
 der  ägyptischen  Mythologie.  Dieser  Auslegung  kommt  die  W o rtb ed eu tu n g   zn  Hülfe,  da  
 nach  Hcsychius  ( I .  p.  132.  A l b e r t i )   im  Aegyptischen  A th y r   eine  K u h ,  und  ein  ähnlich  
 lautender  Ausdruck  die  N a c h t   hiefs  ( J a b l o n s k y   Pantheon  I .  p.  ) 0 Z u   Atarbechis  im  
 D e lta ,  welcher  Name  die  S t a d t   d e r   A th y r   bezeichnet,  wurden  nach  Herodot  alle  Kühe  
 beerdigt  (H e r o d o t   H,  41.).  Die  Gegend  der  Gräber,  dem  alten T h eb en   gegenüber,  war  
 eben  dieser  Göttin  geweiht,  und  von  ih r  heifst  der  Nomas,  welcher  die  Memnonien  enthielt, 
   bald  Tathyris,  bald  Phathyrites,  beides  vollkommen  sprachrichtig  von  Athyri  gebildet. 
   -(Herrn  T ö c h o n   s  Zweifel,  Medailles  des  nomes  p.  75.,  werden  hiedurch  beseitigt.)  
 B e i  den  Griechen  heilst  diese Nachtgöttin  oft  ebenfalls V en u s ,  d a rf  aher mit  den  jüngeren  
 Göttinnen  ähnlicher Bedeutung,  Menuthis  und Ncphthys,  nicht  verwechselt  werden,  ü eb ri-  
 gens  is t  nicht  zu  übersehen,  dafs  die  ältesten Götter  nicht  auch nothwendig die mächtigsten  
 und  glänzendsten  sind.  W i e   bei  den  Griechen  die  Olympier  von  älteren  Göttern  abstammen 
 ,  denen  sie  an  Macht  überlegen  sind;  so  erscheinen  hei  den Aegyptern  die  Götter  der  
 ersten  O rdnung  zwar  als  unentstanden,  unvergänglich  u n d   keinem  Leiden  erreichbar,  aber  
 ihre  stets  gleiche  W irk sam k e it  greift  gleichsam  nicht  ein  in  den  W e c h s e l  des  Irdischen.  
 W e i t   energischer sind die Götter der zweiten Ordnung,  mit  denen  die Schöpfung  anhebt,  und  
 deren  Zwölfzahl,  nach  den  astrologischen  Ansichten  des  Alterthums,  der  B a u   der  W e l t   
 unterthan  ist;  sie  sind  entstanden,  also  auch  vergänglich,  aber  von  nicht  ablassender  
 Wirksamkeit.  Die  wahrhaften  Herrscher  alles  Irdischen,  u n d   sonach  die  glorreichsten  
 u n d   gegenwärtigsten  der  Götter,  sind  aber  die  der  dritten  Ordnung,  ungeachtet  sie  nicht  
 blos  vergänglich,  sondern  auch  dem  Le iden  u n d   selbst  der  Leidenschaft  u n d   der  Sünde  
 unterthan  sind.  D e r  Beweis  dieser  Ansicht  ergicht  sich  aus  der  genauesten Erwägung  des  
 physisch-religiösen  Glaubens  der  alten  W e lt.  Die  Göttin  d e r Urnacht  stützt  a lso ,  in  würdigster  
 Bedeutung,  die  Tempeldeckc  der  jüngeren  Liebeskönigin.  Ein  diesen  Säulenknäufen  
 ähnliches  Geräth  ist  es  au ch ,  welches  in  d e r  Procession  T a fe l X X .  Fig.  [  <)er  
 einzeln  gehende  Prieste r  träg t  (oben  S.  392.).  Aber  unwahrscheinlich  wird  es  nun  auch,  
 dafs  Athyr  hier  neben  Osiris  dargestcllt  sey. 
 Eine  andere  Göttin  der  ersten  O rd n u n g ,  L a t o n a   oder  B u t o ,   könnte  eher  der  Isis  
 zur  Seite  stehen.  Ih r  vertrante  die  Isis,  als  sie  nach  dem  T o d e   des  Osiris  suchend  rnn-  
 h en rrte ,  ihre  Kin d er,  Horns  und  Bu b astis,  welche  Buto  au f  einer  schwimmenden  Insel