Die Siwaher hatten mich eine ziemliche Strecke begleitet, und einer
ihrer Scheiks blieb über Nacht in meinem Lager. Von ihm erfuhr ich, dafs
■vier Stunden von Siwah gegen Süden eine Ruine belegen sey, die Koreischa
genannt wird; eine andere, Namens Sethum, ist fünf Stunden östlich vom
Hauptort entfernt, und liegt etwas seitab von der Strafse nach El-Gara.
Nach den Beschreibungen, die er geben konnte, schienen sie mir nicht
bedeutend genug, um sie aufzusuchen. Die vielen Ruinen in der Nähe von
Siwah beweisen indefs, welche Volksmenge einst das ammonische Ländchen
enthalten haben mufs, und dafs das bewohnte Gebiet der alten Fürsten
nicht hlos auf die jetzige Oase beschränkt war. In der Erzählung von Alexanders
Heereszug werden auch ammonische Städte erwähnt, und von den Ortschaften
der Oase selbst unterschieden.
Den folgenden Tag brachen wir um sechs Uhr auf. Gesträuch und
einzelne kleine Bäume erfreuten noch hin und wieder das Auge; im allgemeinen
gewann aber die Gegend immer mehr das trostlose Ansehn der
libyschen Wüste. Mit Kieseln überstreuter Sand erschien wieder, in den
Vertiefungen aufgeschwemmter Lehm, und die Kalk- und Sandsteinberge
waren zerrissen und zerbröckelt. Wir zogen über mehrere Plateaux und
durch Schluchten, die zu mörderischen Hinterhalten sehr geeignet schienen,
und viele Grabmäler von Erschlagenen, auf welche der Scheik mich aufmerksam
machte, bewiesen, wie unsicher die Gegend sey. Eine Anzahl in
gerader Linie errichteter Steinhaufen bezeichneten die Wahlstatt eines gröfse-
ren Kampfes und die Gefallenen.
Während solcher Unterhaltungen gewahrte mit Schrecken der Scheit
auf dem sandigen Boden einer Schlucht, die wir durchzogen, die frisch
eingetretenen Spuren eines Zuges berittener Araber, der, nach der Breite
der Fronte zu schliefsen, an fünfzig Pferde, aulser Kameelen und Eseln, hei
sich führen mufste; in der Einsamkeit der Wüste eine höchst bedenkliche
Erscheinung! Der Verdacht wurde sogleich rege, es seyen dieselben Räuber,
welche zwischen Bir - la - Babbia und Siwah uns nachgestellt hatten.
Die Araber wurden sehr unruhig, und wir nahmen auf ihre Bitten unsere
Waffen zur Hand; hatten aber Anlafs bei dieser Gelegenheit mehrere sehr
nationeile Züge an unsern Begleitern zu beobachten.
Aus der Form des Beschlages der Pferde, die im Sande eingedrückt
wlr bemühten sie sich, den Stamm, zu welchem die gefürchteten Feinde
gehörten, auszumitteln, und bestimmten ihn sehr genau. Es mufs also in
den Beschlägen bei den Beduinenstämmen eine hergebrachte Verschiedenheit
beobachtet werden; und für streifende Wüstenbewohner scheint dies eine
sehr zweckmäfsige Einrichtung. Aus anderen Kennzeichen wufsten sie auch
die muthmafsliche Entfernung der Feinde zu erforschen, Sie zerrieben den
Dung der Kameele mit den Händen, und zogen aus dem Grade der Trockenheit
desselben die tröstliche Folgerung, dafs jene einen Vorsprung von fast
zwei Tagen vor uns voraus haben müfsten. Sobald ihnen dies ausgemacht
schien, überliefsen sie sich wieder ihrer gewöhnlichen Sorglosigkeit. Wenn
es wirklich Feinde waren, so schienen sie, durch unsere Zögerung bei
Siwah irre geführt, uns zum zweitenmal verfehlt zu haben. Wir beobachteten
indefs auf unserem ferneren Zuge einige Vorsicht, da irgend ein Zufall
uns leicht mit ihnen zusammen führen konnte.
Während des heutigen Marsches kamen wir, in der Entfernung von
etwa einer Meile gegen Süden, an einer kleinen, ziemlich bewachsenen Oase
vorbei, die Einlewein genannt wird, aber jetzt unbewohnt ist. Sie ist reich
an Dattelpalmen, deren Früchte einzusammeln, einem jeden nach Belieben
frei steht. Wahrscheinlich lag hier der Ort, den Ptolemäus Parembole
nennt ‘(’AÄ'^otvigoo Alexanderslager) , und wo, nach dem Namen
zu schliefsen, ein Theil der Armee des macedonischen Königs, während seines
Besuchs in Siwah, stationirt war. Ptolemäus setzt ihn, nach ungefährer
Bestimmung, wie er immer thut, einen halben Grad östlich von der Stadt
Ammon; und selbst dieser Ort gehörte noch zum ammonischen Gebiet *).
Abends um acht Uhr machten wir, absichtlich etwas seitwärts von der Ka-
ravanenstrafse, Halt, und bivouakirten im Sande.