statt zweihundertachtzig Cuhitus, darf man höchstens achtzig annehmen. An
den Wänden tragen vierzig Priester es in Procession I), und die Ueberein-
stimmung dieser Bildwerke mit dem, was Diodor und Curtius von eben
der Feierlichkeit, wie sie beim Tempel des libyschen Ammon begangen
wurde, erzählen, ist so grofs, dafs man glauben könnte, sie hätten die Bilder
von Karnak vor Augen gehabt ; selbst die Pateren, womit, das; Schiff
behängen war, erblicken wir dort So fest hielt der Aegypter auf seine heiligen
Gebräuche, dafs mitten in wasserloser Wüste das geweihte Nilschiff des
Ammon in dessen Tempel nicht fehlen durfte 2). Wahrscheinlich enthielt
also das verhangene Gemach, das auf jenen Schiffen zu Theben immer
angebracht ist, eben ein solches mystisches Bildwerk, wie das ammonische,
von dem weiterhin die Rede seyn wird. Wie heilig es gedacht sey, geht
schon daraus hervor, dafs blos vor ihm die sonst immer ruhende Sphim
sich aufrichtet und auf ihren vier Füfsen steht!
Achten wir zuerst auf die Bilder der Decke, die man Tafel VIII. und IX.
zu oberst dargestellt sieht. Mit ausgebreiteten Flügeln schweben hier Geier
oder Adler zwischen Sternen.
Zwei Vögel aus dem Geiergeschlecht hatten bei den Aegyptern symboli;
sehe Bedeutung; Horapollo unterscheidet sie durch die Namen yv^i und atro;ä).
Jener ist der Vvltur perenopterus, der Aasgeier; dieser nach meiner Meinung
der Vultur barbatus, der Lämmergeier, •yuwafero;, der gröfste Adler der
alten Welt. Jener, der Geier, findet sich in ganz Aegypten; dieser auf den
äthiopischen Alpen, und nur selten auch in der Thebaide. Wegen der
Aehnlichkeit ihrer Gestalt ist es meistens unmöglich, sie in den Bildwerken
zu unterscheiden; aufser vielleicht wo die Farben erhalten sind, wie in der
von Belzoni entdeckten Katakombe, Theben gegenüber.
1 ) Description de VE g y p te , Planches Vo l. I I I . pl. 3?. 33. D io d o r X V I I , SO. giebt 80
Priester an. Man vergleiche unsere X X I I I ste T a fe l, Fig. 2 ., wo ebenfalls eine solche Procession
dargestellt ist.
2) H i r t a. a. O. p. 14. 3 ) H o r a p o l lo I , 11. I I , 56.
Beide geben hier eine passende Bedeutung. Der Adler ist das Symbol
der königlichen Herrschaft, und war dem Ammon, dem Beherrscher der
[Götter, geheiligt z). Auf einem Onyxcameo der Königlich Preufsischen
I Sammlung, von der schönsten griechischen Arbeit und beträchtlicher Gröfse,
wo Ptolemäus Philadelphus und Arsinoe, seine Schwester und Gemahlin, ver-
I einigt dargestellt sind, ruht ein Adler mit gesenkten Flügeln über dem Helm
[des Ptolemäus, die von Jupiter verliehene Herrschaft und den Schutz dieses
Gottes anzudeuten. Der Adler war überhaupt das beständige Symbol des
[ptolemäischen Fürstenhauses. Bei Griechen und Römern war er der König
der Vögelder Blitzträger und Bote Jupiters und das Zeichen des Imperiums;
als Symbol mächtiger Reiche hat er noch jetzt seine alte Bedeutung
nicht verloren. Zu Theben in Oberägypten verehrte man ihn als heiliges
| Thier. Auch hier könnte man deshalb an der Decke des Ammontempels
Adler vermuthen, wie sie sich an der zu Karnak finden 2), und die Feldzeichen
3) in ihren Klauen scheinen diese Auslegung zu rechtfertigen.
Allein der Geier ist eben so treffend. Er ist das Symbol des Himmels 4),
[und die drei Sterne über jedem ausgespannten Flügel bezeichnen ohne
[Zweifel gleichfalls den Himmel. Der Geier ist aufserdem Symbol der Weis-
[sagung, des Jahres und der Erbarmung 5), lauter Beziehungen auf Ammon,
[die zum Theil erst weiterhin sich entwickeln werden. Der wallende Streifen
[an dem Kopfe der Vögel scheint den Blitz anzudeuten, der in Oberägypten
^unbekannt, also dort kein Attribut Ammons, aber in Libyen nicht ungewöhnlich
ist 6). Wahrscheinlich fafsten die Griechen, weil der äthiopische
Geieradler ihnen unbekannt blieb, die Bedeutung beider symbolischen Zeichen
[zum Theil in dem einen Adler zusammen.
1) D io d o r . I, 87. H o rd p . I I , 56.
! 2) Description de IE g ., Planches Vol. I I I . pl. 50., und noch ein ähnlicher Plafond findet
pich pl. gl. In beiden Fällen ist aber die Auslegung so zweifelhaft wie hier; die Blitze fehlen,
wegen des sogleich anzugebenden Grundes.
3) Und. z. B. Vol. I I I . p l, 30, B e l z o n i pl. 2. 4) H a r a p o l lo I , 11.
5) Wegen der außerordentlichen Liebe zu seinen Jungen. ' 6) S. oben pag. 76.
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