So stand es mit der Arbeit, als jene Nachrichten und Anfragen wegen
Fortsetzung derselben zu mir gelangten. Ich vermehrte sogleich die Zahl
der Arbeiter, indem ich die Nachgrabungen bei jener zweiten Pyramide einstellen
liefs und anordnete, dafs der Brunnen abgeschrägt und die Gänge im
Innern aufgeräumt werden sollten, um den Zugang bequemer zu machen,
welches etwa 14 Tage wegnahm. Ungeachtet dieser Vorkehrungen war mein
Besuch derselben weder bequem noch gefahrlos. Die Araber hatten sich am
Abhang des Brunnens auf kleinen VorSprüngen etagenweis aufgestellt und
bildeten mit ihren Schultern, Rücken und Knieen eine lebendige Treppe,
auf der ich hinabstieg; Sand und Steine stürzten aber gleichwohl in solcher
Menge herab, dafs ich den Eingang ins Innere mir mit den Händen bahnen
mufste. Die eingeschlossene Luft war unerträglich erhitzt, so dafs ich kaum
darin auszudauern vermochte; leider hatte ich kein Thermometer mitgenommen,
bin aber nicht abgeneigt, ihr eine Temperatur von 40 Grad Iteau-
mur beizumessen.
Mit vieler Mühe untersuchte ich alle nur vorläufig wegsam gemachten
Gänge, Brunnen und Gemächer, wobei die unsägliche Menge marmorner
und alabasterner Fragmente mich in Erstaunen setzte, die von zerschmetterten
Vasen herzurühren schienen. Aufser diesen füllten Sand und Steine
die Wege oft so gänzlich, dafs ich an vielen Stellen, bald auf dem Gesicht,
bald auf dem Rücken liegend, nur mit der äufsersten Anstrengung mich
fortzubewegen vermochte. In der grofsen Kammer fand ich einen in Schutt
vergrabenen Granitblock, der mir ein grofser Sarkophag zu seyn schien,
und weiter oben einen mit Steinen und Vorgesetzten Holzkloben verwahrten
Eingang. Ich verordnete vor allem die Aufräumung dieses nach oben führenden
versperrten Weges und des scheinbaren Sarkophags, so wie einiger
entdeckten Nebenkammem, und gab dem Herrn S e g a t o und noch einem
anderen Künstler, die mich begleiteten, den Auftrag, das Innere und Aeufsere
der Pyramide genau zu vermessen.
Dies wurde von ihnen mit der gröfsten Anstrengung und Genauigkeit ausgeführt
; diese achtungswerthen Künstler hätten aber heinah ihre Bemühungen
mit dem Leben bezahlt, denn als sie am vierten Tag in die Pyramide eindrin-
gen wollten, stürzte der Brunnen zusammen, und sie mufsten sich glücklich
schätzen, nicht verschüttet worden zu seyn, welches nur einen Augenblick später
I unfehlbar ihr Loos gewesen seyn würde; denn es bedurfte einer Arbeit von
acht Tagen, um den Brunnen und Zugang wieder aufzuräumen. Die Taf
e ln XXVI., XXVII und XXVIII geben die Resultate der Arbeit S e g a t o ’s
und seines Gehülfen; da indefs die Aufräumung des Innern bei weitem noch
nicht vollendet war, so begnüge ich mich, einige allgemeine Bemerkungen
über die Eigenthümlichkeiten dieser Pyramide hier beizufügen, mir vorbehaltend,
von dem später Gefundenen künftig Rechenschaft zu geben:
1) Die Orientirung der vier Seiten ist nicht genau nach den vier Weltgegenden
gerichtet, welches bei den Pyramiden von Ghizeh der Fall seyn soll.
2) Ihre Basis bildet kein regelmäfsiges Quadrat, wie bei denen von Ghizeh,
so dafs bei dem obersten Absatz ein sehr längliches Viereck entsteht.
3) Die Pyramide von Sakkara ist mit einer 14 Fufs dicken Einfassungsmauer
aus Quadersteinen umgeben, die an mehreren Punkten noch aus dem
Sand und Schutt hervorragt. Dies ist bei keiner anderen bemerkt worden,
und sie erhält dadurch eine Aehnlichkeit mit den Tempeln, die man gleichfalls
auf diese Art gegen den Andrang der Ungeweihten abschlofs.
4) Sie ist in sieben Absätzen treppenartig erbaut, obgleich vor Anstellung
der Nachgrabungen nur sechs derselben sichtbar waren. Diese Absätze
sind aus Quadern aufgeführt, die einen bedeutenden Einfall nach Innen
haben, wie Tafel XXVII. genau angegeben ist Die Steine sind mit Kalk
verbunden, zeigen aber keine Spur, dafs sie jemals mit Marmor oder Granit
bekleidet waren.
5) Der einzige bis jetzt gefundene Eingang ist unter der Erde.
6) In den ändern Pyramiden hat man bis jetzt nur wenige Gänge und
Kammern gefunden; in dieser sind sie neben und über einander sehr
zahlreich.
7) Die Pyramide selbst ist zwar aus Quadern aufgeführt, aber alle bis
jetzt entdeckten'HJänge und Kammern sind aus dem Felsenkern ausgehauen,
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