Kameplien und das belebende Herz Aegyptens; eben deshalb aber zugleich
auch das Herz und die Seele der Welt. Denn das ägyptische Land war nach
dem Glauben seiner Bewohner der Mittelpunkt, der Nabel und Haupttheil
der Welt, das Gegenbild des Himmels, das Sacrarium und Allerheiligste
der Erde, oder nach einem sehr bezeichnenden Ausdruck: der sehende
schwarze P u n k t in der M itte des W e ltau g e s *).
An der Seite Minervens erscheint in bekannter, Gestalt A n u b i s , der
Sohn des Osiris und der Nephthys, welche man sich als ein zweideutiges
Wesen und als irdische Venus, im Gegensatz der Urania, dachte. Sie war
die Schwester und Gattin Typhon’s, und wie dieser ein Kind des Kronos-
Apopis und der Rhe'a. Unerkannt ruhte sie in den Armen des Osiris, welchen
sie heimlich liebte, dem aber, als er von ihrem Lager aufstand, sein Kranz
von Melilotus entfiel, woran Isis entdeckte, wer der Vater des von seiner
Mutter weggeworfenen Kindes sey 2). Von ihr erzogen, wurde Anubis ein
Diener und Gehülfe der Isis und des Osiris, und der Hüter des Amenthes
oder des Todtenreiches; man dachte sich ihn aber nicht feindselig, sondern
als einen freundlichen Gott, der den Abgeschiedenen wohl will. Sein symbolischer
Kopf ist der des Schakals oder wilden Hundes, weil dieses Thier
in grofser Anzahl den Saum der libyschen Wüste längs Aegypten bewohnt,
eben die Gegend, wo fast alle Gräber sich befinden. Die Bilder des Anubis
pflegten aus reinem Golde zu seyn, oder wenigstens vergoldet
Im Prytaneum zu Olympia verehrte man, aufser der ammonischen Juno,
auch einen Hermes P a ram m on , gleichfalls einen ammonischen Gott aB
wahrscheinlich den hier vorkommenden Anubis, oder den in der mittleren
Reihe sich findenden ibisköpfigen Theuth.
Die nun folgende Göttin mit der oben sich umlegenden Straufsfeder auf
dem Haupte, ist häufig eine Genossin des Anubis. Sie findet sich in allen
1 ) H o r a p o l io . I , 21. Die anderen Ausdrücke theils bei ihm, theils in den hermetische
Schriften.
2) P l u ta r c h , de 1s. et Osir. c. 14. 38. 44. 59. 3) P a u s a n . V , 15. Oben pag. 103.
Darstellungen des Todtengerichts, wo sie mit Lotusstab und Schlüssel vor
den Abgeschiedenen tritt. Sie kommt vor, sitzend neben der Nemesis
welche den Maafsstab der Gerechtigkeit mit der Hermesleuchte in den Händen
und den Planeten Saturn über dem Haupte führt. Denn dafs Nemesis eine
ägyptische Göttin war, ergiebt sich aus einer merkwürdigen Stelle des
: Achilles Tatius,. wo gesagt wird, der Planet, welchen man dem Saturn
j zueigne, heifse bei den Griechen Phänon (4>aiW), bei den Aegyptern aber
sey er der Stern der Nemesis (Ntpvnaq aVr»g) '). Der Maafsstab der Gerech-
I tigkeit (wi&i/c imat07vn(), an welchem sie mit einem Pfeil oder Griffel
| mifst, wird von Clemens erwähnt 2), und die astrologische Hermesleuchte
| fovo5) kommt bei Athenäus vor 3). Neben dieser Nemesis, die man
nach dem Gesagten den Aegyptern nicht absprechen kann pflegt die hier
I dargestellte Göttin auf einem Throne zu sitzen *), und erscheint aufserdem
Hn mannigfachen Verbindungen. Auf der Wage des Todtengerichts liegt in
[der einen Schale beständig eben die Feder, die sie auf ihrem Haupte trägt;
aus Horapollo aber wissen wir,, dafs die Straufsfeder das Symbol des
I gerechten Gerichtes war 6).
Ich erkenne demnach in dieser weiblichen Gestalt jene G ö ttin der
Wahrheit und des Rechts, deren Bild (aya.Xp.a.) aus einem blauen Edelstein,
der älteste Priester und Oberrichter an einer goldenen Kette um den
1) A c h ill e s T a t iu s , Isagoge in A r a d Phaenom. in P e ta v . Uranolog. p. 136. cf. J a -
itilonsty, Kemphah Aeg. Deus. p. 33.
2) Clemen s A l e x . S tr o m a t. V*. p . 633. Sylb.
3) A th e n . X I . p . 478. (Schweigh. c. 55.J nach der überraschend glücklichen Verbesserun.
f reuzer ’s im D io n y s u s p. 2 5 64.
L Hl I Kl,e unsere S XXIL ü Nach P l i r t iu s H. N . X X X V I , 19. 2. standen
a ynnth fünfzehn Statuen der Nemesis in eben so vielen Kapellen. L HB B; B F h i la e > Descripcion. de TEg. I . p l. 22. Fig. 2., auch in den Abbildungen
lern hoh. M Fab. 18. Fig. 1., wo indefs die Deutung derselben als Hennes und Bitte
P Hohe Nilfluth verfehlt ist..
! *)■ H o ra p o llo I I , 118..