schieden von Mendes selbstr) , der im Osiris gleichsam als sichtbar erschienen
gedacht wurde. In bemalten Darstellungen versinnlichte man dies noch
durch ein flammenfarbiges Gewand 2). Keinem anderen, als dem Osiris,
war auch jene mystische Feier im Inneren des Ammontempels zu Theben
geweiht, und hier erblicken wir ihn gleichfalls im Adytum des Jupiter. An
seinem Geburtsfeste, das am ersten der fünf ägyptischen Schalttage begangen
wurde, trat jener Geheimdienst aus seinem Dunkel hervor; es war ein
phallisches Volksfest von unbeschreiblicher Ausgelassenheit 3). Ein gemeiner
Wasserträger, Namens Pamyles, hörte zu Theben im Tempel des Ammon,
als Osiris geboren wurde, eine Stimme erschallen: „Der Herr des All tritt
ans Licht!“ Deswegen nannte man dies Fest die Pamylien, und jener Wasserträger
genols hohe Verehrung; einige dachten sich ihn als den Erzieher
des Osiris und als einen priapischen Gott 4). Selbst in Bildwerken scheint
er, doch nicht auf diese Art, vorzukommen.
Aus dem Erzählten bewährt sich unsre Vermuthung, dafs nicht blos in
Libyen, sondern, auch zu Theben in Oberägypten, Osiris für einen- Sofci
Ammons galt; dagegen jener andere Mythus, der ihn von Ammon blos
adoptiren, aber von der Sonne erzeugt werden läßt, wahrscheinlich die Lehre
der Priester von Heliopolis enthält Auch die Aethiopier verehrten mit
größtem Eifer blos Ammon und Osiris s); später scheint zwar ihr Cultus
zum Theil sich verändert zu haben 6), allein jene beiden Götter dachten sie
sich ohne Zweifel in dem bezeichneten engeren Verhältnifs; was für die
1) S te p h . B y Z. S. V. Ylavog ToXii: ’E<rTt Je Ktcl rov 3-tov (des Mendes) ctyxXfcct ftlyXt oßmu
to ectioto» ti5 £ tt« S'xxTvXovi, hireupi tb fcxo-T/yctf tjj Jef<<£. Eben so werden die Statuen des Osiris
beschrieben, und auch hier sehen wir ihn so dargestellt.
2) P l u ta r c h , de Is. et Osir. c. 51. 3) P l u ta r c h , ibid. c. 12. und 26*1 H erod. II, 48.
4 ) P l u ta r c h . I. I. c. 12. cf. J a b lo n s k y voces Aeg. p. 192.
5) H e r o d o t. I I , 29. D io d o r . I I I , 2.
6 ) Nach D io d o r . I I I , 8. und S tr a b o X V I I . p. 82?. verehrten siq aufser Ammon auch
Mendes, Isis und Herkules. W a d d i n g t o n glaubt in den Bildwerken von Merawe noch andere
Gottheiten erkannt zu haben. Journal o f a visit to Aetldopia. p. 167.
Religionsgeschichte nicht unwichtig ist, denn auch nach griechischem Glauben
war Bacchus der Sohn Jupiters.
Ueber der erhobenen Hand des Osiris schwebt die mystische Geißel;
| zwei sich oben umlegende Straußfedern ') auf seinem Haupte bezeichnen
ihn als König der Gerechtigkeit.
Da wir hier den Osiris als Todten und Lebenden neben einander gesehen,
kann ich nicht umhin, eine merkwürdige Darstellung zu berühren, die
sich an der schon einmal erwähnten weiblichen Mumie des Herrn von
Pourtalbs befindet. Auf dem inneren Boden des äußeren Sarges derselben
sieht man eine Verzierung, die auf ägyptischen Denkmälern als Bezeichnung
des Grabes oft vorkommt 2), aber hier fast zu der Größe eines menschlichen
Körpers ausgedehnt ist. Ueber diesem Grabe ruht der Hauptschmuck des
[ Osiris als Königs der Gerechtigkeit, zugleich mit den Zeichen des Mendes
und des guten Genius, und darüber, an der aufsteigenden Seite des Sarges,
das Zeichen des Phtha, der Käfer, in kolossaler Größe, nebst der Sonnen-
Ischeibe, beide von goldener Farbe. Aus der Hülle des Grabes schauen
[ zugleich die Augen des Osiris hervor, und zwei große Fittige, die sonst ihn
j wohl einhüllen AJ, sind von beiden Seiten ausgespannt, die Leiche gleichsam
[ganz zu umfassen. Es ist Osiris als personißcirtes Grabt aber mit den Zeichen
i der Gerechtigkeit, des Lebens und Lichtes. So wunderbar diese Darstellung
pst, hat sich doch der Mythus erhalten, wodurch sie erklärbar wird: Als
[Isis den erschlagenen Osiris fand, war seine Leiche in einer Säule eingelschlossen
4). Selbst die Griechen hatten diese schöne Fabel aufgenommen,
¡und verehrten einen A/orocro; nepxiomf 5), einen von der Säule umgebenen
Dionysus; es ist der gleichsam als lebendiges Grab personificirte Osiris. In
1) Die» Sieht man auf kolorirten Abbildungen, z. B. B e l z o n i , p L n . Die Bedeutung giebt
; oraP °llo I I , n s . Man sehe oben pag. 105.
2) Man sehe Tafel X X X I f . , nebst der Erklärung. 3) M. s. T a fe l X X X . Fig. 1.
4) P lu ca r ch . de Is. ec Osir. c. 15. 16. Hierauf bezieht sich auch der von P lu c a r c h .
aP- -1. erwähnte mystische Gebrauch-, und Sarapis als Grabes-Osiris.
[ 5| Schol. Eurip. Phoeniss. 654. Siehe S c h n e id e r .