Zelte standen im Schatten und aufser dem unmittelbaren Bereiche des
Windes, das Thermometer zeigte nur 29 • Grad Reaumur. Gleichwohl schien
die Hitze ganz unerträglich, die Lippen waren trocken, die Zunge klebte
am Gaumen, und selbst die Robustesten von uns sahen blafs und abgespannt
aus.
Die Messung der Polhöhe bei Bir El Kor gab 31° 27 9
Den 27sten Morgens um 10 Uhr trennten sich unsere beiden Karavanen,
nachdem wir uns gegenseitig Lebewohl gesagt und die Hände gedrückt
hatten. Die Naturforscher mit ihrem Gehülfen und ihrem Dragoman, Herr
Professor L im a n , welchem Herr B o l d r i n i auf meine Erlaubnifs als Gehülfe
sich anschlol's, Herr Dr. S c h o l z mit einem arabischen Bedienten, siebzehn
bewaffnete Araber, geführt von den beiden Verwandten des Scheik und dem
Magrobinen, in allem 28 Personen, zogen gerade aus gegen Westen nach
der tripolitanischen Grenze, von der sie nur etwa noch fünf Stunden entfernt
waren. Sie hatten 29 Kameele und zwei Pferde bei sich. Ich dagegen wandte
mich südlich, begleitet von Herrn G ruo c , meinen beiden Bedienten und
acht Arabern, nebst dem Scheik und dem Mamelucken. Wir hatten drei
Pferde und zwölf Kameele, unter welchen zwei kranke.
Ich durchzog von nun an eine etwas rauhere, unwegsame Gegend f die
mit Sand und Steinen angefiillt war, und erreichte nach einem dreistün.
digen Marsche den Brunnen Bir-Thoana. 1J Stunden weiter trafen wir
auf einen kleinen Steinhügel, bei welchem ein Brunnen, Bir Laghi-Furath,
mit wenigem, aber gutem Wasser. Um halb sechs Uhr erreichte ich den
Fufs des Gebirges La-Babbia, zog über dessen Rücken fort und traf endlich
in der Dunkelheit bei dem Brunnen Bir Fadi-Babbia. ein, in dessen Nähe
die Zelte errichtet wurden.
Der heftige Ritt dieses Tages, noch beschwerlicher gemacht durch ein
zufälliges Scheuwerden meines Pferdes, hatte meinen entzündeten Arm so
sehr verschlimmert, dafs ich mich entschliefsen mufste, hier einige Tage
still zu liegen, so sehr ich gewünscht hätte, meine Genesung in Siwal)
abwarten zu können. Leider war der Ort, wo wir uns befanden, zum
Bleiben wenig geeignet Der Brunnen, welcher mir zum voraus von dem
Schwager des Scheiks als vortrefflich geschildert war, enthielt zwar gutes
Wasser, aber so wenig, dafs er. in vierundzwanzig Stunden kaum drei
Bockshäute voll lieferte, welches wohl für die Menschen, aber nicht zum
Tränken unserer Thiere hinreichte. Diese mufsten daher einen ganzen
! Tagemarsch zurück nach Bir El-Kor zur Tränke geführt werden, wo das
; Schöpfen des Wassers aus dem sehr tiefen Brunnen jedesmal einen halben
Tag wegnahm, und nur mit grofser Mühe bewerkstelligt werden konnte;
und doch waren die armen Thiere schon wieder verdurstet, wenn sie den
dritten Tag zu uns zurückkehrten. Zum Glück befand sich etwa eine Meile
von unserem Lager ein einsamer Ziegenhirt, der mir täglich eine Flasche
Milch zu bringen versprach, die mir zur Erquickung und zu Umschlägen
für meinen Arm, an dem ich unsäglich litt, sehr willkommen war. Ich
mulste bis zum achten Tag hier bleiben; wie schrecklich wäre, ohne
[diese zufällige Labung, meine Lage gewesen! Jener arme Araber behauptete,
nicht mehr als zwei Ziegen hei seiner Heerde zu haben.
Den 28sten blies ein starker Südwestwind, den die Araber Merisy nannten,
und der Krankheiten herbeiführen soll. Ich litt den ganzen Tag viel, machte
•indefs eine kleine Ausflucht, um den nahe gelegenen Bergrücken zu untersuchen.
Glücklicher Weise brach in der Nacht mein Arm auf, der entsetzlich
angeschwollen war. In eben dieser Nacht schossen die Araber einen Wolf,
[den sie durch einen hingeworfenen Ziegenmagen herbeigelockt hatten. Er
[War etwas kleiner, als die in Europa gewöhnlichen, aber sehr fett Die
Araber machten sich sofort über ihn her, balgten ihn ab, brieten und verzehrten
ihn mit grofser Lust. Ein Religionslehrer, der kurz nach vollendeter
Mahlzeit ins Lager kam, und merkte, was sie gespeist hatten, schärfte ihnen
[darüber sehr ernstlich das Gewissen. „Der Wolf müsse zu den Hunden
[gezählt werden, und sey eine unreine, verdammliche Speise.“ Die Araber
Entschuldigten ihren Verstofs, indem sie meinten, dieser Wolf sey gar fett
[gewesen. IJeberhaupt bewiesen sich meine Beduinen bei allen Gelegenheiten
als sehr laue Anhänger Mohamed’s.
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