Auffallend ist überhaupt in den ägyptischen Bildwerken das häufige
Vorkommen jener Bockshörner. Aufser Ammon und bisweilen Osiris, fuhren
sie Horus, Hermes, Mars, Typhon und vielleicht noch andere Götter, mit
mannigfaltigem Zierrath verbunden. Sie erscheinen hin und wieder auf
Kanoben, Sphinxen und Sirenen, ferner auf den Häuptern der Könige und
vieler Priester. Was aber am sonderbarsten ist, selbst das Zodiakalzeichen
des Widders hat bei den Aegyptern, aufser seinen natürlichen Hörnern, auch
diese I). Dafs sie sich auf Mendes beziehen, wird zwar nirgends bemerkt,
ist aber unläugbar; auf unsrer einundzwanzigsten Tafel Fig. 2. wird man ihn
damit dargestellt finden. Von diesem Gott wissen wir indefs nicht mehr,
als dafs er Vorsteher der Zeugung war, und zur Ordnung der acht ältesten
Götter gehörte 2). Unter den Thieren war der Bock ihm geweiht, oder vielmehr
der mendesische Bock war sein leibhaftiges Bild, wie der Apis gleichsam
der fortlebende Osiris. Deswegen nannten die Griechen den Mendes:
Pan, nach dem bockfufsigen arkadischen Gott, welchen Herodot den jüngsten
aller Götter nennt, während Mendes der älteste sey 3). Man hat sich gewundert,
ihn in den ägyptischen Bildwerken gar nicht erscheinen zu sehen4),
jetzt finden wir die Hindeutung auf diesen Gott fast allenthalben. In welchem
Verhältnifs Ammon zu ihm stand, was im Innern des Tempels zu Theben
geschah, verbarg die Decke des Geheimnisses.
Jetzt ist diese Decke gefallen! Ungehindert untersucht der Reisende die
verborgensten Orte des mystischen Dienstes. Hat man im Tempel zu Karnak
Pforten, Höfe, Hallen, Säle und Gemächer in endloser Folge durchschritten,
1 ) Man sehe die bembinische Ta fel, wo sich zu vielem Gesagten die Belege finden. Die
vierte Figur der obersten Reihe daselbst ist Mars, zu seiner Mutter kommend (H e r o d o t. II , 64-} ■
Man vergleiche unsere Tafeln X V I , X X I I , 2., X X IV , 3., X X X , l . etc., nebst den Erklärungen.
2 ) H e r o d o t. I I , 46. S tr a b o X V I I . p . 802. P lu ta r c h . de ls . et Osir. c. 73., wo vielleicht
im Text bei Squire ein Fehler stehen geblieben ist.
3) H e r o d o t. I I , 145. 146-
4) H i r t l. c. p . 12. Die dort für Pan erklärte Gestalt, Tafel I. Fig. 7., stellt ihn nicht dar.
Man vergleiche unsere T a fel X X I I . Fig. 1.
■ so gelangt man zu dem heiligsten Adytum, das im Alterthum ohne Zweifel
■ blos Geweihte der höchsten Ordnung, Oberpriester und Könige, betraten. Es
■ ist ein doppeltes Gemach, ganz -von Granit, einst mit ehernen Thüren ver-
■ schlossen, über deren Eingänge sich die mystische Sonne aus reinem Golde
■befand. Das letzte Innere ist etwa fünf und zwanzig Eufs lang, dreifsig Fufs
■breit, und die Dicke der Mauern beträgt drei Fufs. Oben und rings umher
■ ist es ganz eingeschlossen und umbaut von ändern Theilen des Tempels.
■ Diese sind aus Sandstein aufgeführt und sorgfältig so eingerichtet, dafs sie
■nirgends das Heiligthum berühren. Um dasselbe her blei.bt deshalb ein freier
■Gang von ziemlicher Breite (über 9 Fufs), und über demselben ein leerer
■Raum. In jenem aufseren Umgang ist die Weihe eines Königes dargestellt1);
■denn kein König, obgleich nach dem Gesetz zur Kriegerkaste gehörig, durfte
■den Thron einnehmen, bevor er nicht die priesterliche Weihung empfangen
■hatte, die, wie jene Bildwerke beweisen, zugleich die Krönung enthielt, und
■hier ohne Zweifel vorgenommen wurde, ehe ihm vergönnt war, das Innere
■zu betreten.
Uns steht es offen! Und was erftlicken wir? Das Symbol der Zeugung,
■ugleich mit dem der Empfängnifs, wird in tiefster Andacht verehrt. Nir-
■ en d in Aegypten, aufser hier vor diesem Zeichen, finden sich Anbetungen
■ n it Kniebeugen und Prosternation! Neben dem Könige und den Priestern
■ieht man im Innern auch Mädchen dargestellt; und hiedurch erhält ein
■nderer geheimnifsvoller Umstand im Dienst des Ammon seine Aufklärung:
■ lie schönsten Mädchen von hoher Geburt wurden diesem Gotte geweiht
■md wohnten im Tempel als Genossinnen Jupiters, sich jedem preisgebend,
■ n e anderswo die Hierodulen der Venus 2).
■ 1) Man sehe unsere T a fel X X I , Fig. 1„- und über alles Gesagte Descripüon de VEg. Theles
■ ' 'i PlancJies UI. pl. 21. %. 1., pl. 38. %. 28. 30. 31.
■ 1 Als eextMxiSis: D io d o r . I , 47. Nach diesem Schriftsteller waren dieser Mädchen meh-
H ü H M eine- S t r ä b ° x v u - f \8 1 6 . H e r o d o t. / , 182, Die Griechen nannten
■ J ™ S®wei“ e;Mädchen Pallades. c f.X m ta th . a d Odyss. I I I . p . 1742, Graf B e lm o r e liefs hier
UnSen. anste^ en und fand ein granitnes Schiff m it einem Idol. R i c h a r d s o n ’’ s travels
■RU>22; II, p , 91>
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