Mutter. Man will die Ursache darin suchen, dafs die Ausländer sich in ihrer
Lebensart nicht nach der hiesigen Landessitte bequemen, und an geschickten I
Aerzten, einen oder ein Paar vielleicht abgerechnet, ein großer Mangel ist,
Die Pest dauert in Cairo nicht so lange als in Alexandrien und änderen I
an der Meeresküste gelegenen Orten. Gemeiniglich zeigt sie sich hier erst I
gegen das Ende des März oder zu Anfang dès April, während sie zu Alexan-
drien einen Monat früher anfängt, erst im Juny oder July mit der zuneh-
menden Hitze abnimmt und weit heftiger wüthet. In Oberägypten ist sie I
eine seltene Erscheinung. Uebrigens wird dieses Miasma blos durch Beruh- I
rung fortgepflanzt, nicht durch die Luft, wie man gegen die allgemeine I
Erfahrung oft annimmt; Lokalanlässe vermehren indefs seine Bösartigkeit
und selbst die herrschenden Winde sind von bedeutendem Einflufs, bei I
anhaltendem Chamsin nimmt die Pest furchtbar zu und tödtet den Ange- |
steckten schnell. Merkwürdig ist es, dafs Furcht die Susceptibilität vermehrt,
Furchtlosigkeit aber schützt Dieses Jahr (1820) starben in Cairo,
bei einer Bevölkerung von 300,000 Seelen, täglich nur acht bis fünfzehn
Personen; in Alexandrien dagegen, bei nur 15,000 Einwohnern, täglich dreifsig
bis vierzig, indefs befanden sich am Ausladungsplatz des Mahmudieh viele
fremde Arbeiter, die das Uebel besonders traf.
Zu den Ergötzungen, womit man in Cairo den Fremden zu unterhalten
pflegt, gehören die Tänzerinnen und Sängerinnen, deren es verschiedene Klassen
giebt Die Avanak tanzen blos, die Baoasi begleiten ihren Tanz zugleich
mit Gesang, eine dritte Art, Halmè, in der Mehrzahl Haodlem, Gelehrte genannt,
sind blos Sängerinnen, die nur tanzen, wenn es durchaus verlangt wird,
Eine dieser letzteren heifst jetzt in Cairo, wegen ihrer Stimme und seltenen
Kunst, sie in einem Athemzuge zu moduliren, die arabische Catalani, und
wird so sehr bewundert, daft sie für jeden Abend, wo sie sich hören lälsf
von demWirth 1000 Piaster (einige 80 Thaler Preußisch) und einen Schawl
verlangt, und aufserdem von jedem Anwesenden ein Geschenk erhält.
Ich hörte diese Philomele nicht, allein zwei andere Sängerinnen erster
Klasse, die man mir zu Ehren bei einer Levantinerin zu einem Abendzirkel
ein^eladen hatte, und die ihre ganze Kunst aufboten. Aber weder ihr
Gesang, noch ihr Tanz wollten mir sonderlich gefallen, obgleich alle anwesenden
Levantiner ihnen entzückt die deutlichsten Beweise des Beifalls zollten
Im Tanz, den sie mit metallenen Klappern begleiteten, bestand ihre
höchste Kunst in einem wollüstigen Wiegen und Drehen des Körpers, wobei
ie sich dicht vor jeden Anwesenden hinstellten, und jene unanständigen
B ew e r tu n g en so lange fortsetzten, bis dieser ihnen ein Geschenk darreichte,
dessen Betrag sie dann gewöhnlich der Gesellschaft bekannt machten. Ich
entfernte mich bald, erfuhr aber, dafs die übrige Gesellschaft, aus gebildeten
Männern, Frauen und Mädchen bestehend, ihnen mit dem gröfsten Entzücken
bis zum folgenden Morgen um drei Uhr zugehört und zugesehen habe.
Diese/Sängerinnen waren verheirathet und galten für anständige Frauen;
bewundernswürdiger als ihre Kunst aber schien mir die Unersättlichkeit, womit
sie Branntwein und hitzige Getränke, beinahe die ganze Nacht hindurch, in
grolsen Gläsern hinunterstürzten, um ihre unerschöpflichen Gesangsorgane zu
erfrischen. Andere dieser Weiber leben als Hetären, zahlen der Regierung einen
Tribut und vererben gewöhnlich ihre Kunst auf ihre Töchter. Sie wohnen
Igemeinschaftlich in kleinen Städten und Dörfern, besonders zu Metubis in
Unterägypten, ziehen aber im ganzen Lande herum, und erhalten, vorzüglich
Während der grofsen Feste, schaarenweis Erlaubnifs, in die Städte zu kommen.
Bei einer Ausflucht nach Matarieh fand ich ein ganzes Lager derselben
bei einander, das, wie man mir sagte, nicht weniger als hundert enthielt.
Einige sind jung und hübsch, sehen aber gemeiniglich sehr entkräftet aus.
Man pflegt sie in die Harems zu berufen, um die jungen Mädchen im Tanz,
im Gesang und in der Grazie zu unterrichten; und weil diese Weiber oft
reich sind, finden sie bisweilen Gelegenheit, sich gut zu verheirathen. Sie
färben, wie die meisten Orientalinnen, die Nägel, das Innere der Hand, die
Fußsohlen und oft auch Kinn und Wangen mit Henna ( Lausoma inermis,
einem Baum, der schon bei Cairo wächst *)J orangegelb, die Augenlieder,
*) Man s. Hrn. Prof. J o h n 's chemische Analyse der Blauer desselben unter den Beilagen.
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