gerettet. Diese Räuber waren von unserer Stärke genau unterrichtet, und
da sie uns verfehlt hatten, nach Augila gezogen, der nächsten Oase gegen
Westen.
Mannigfaltiger kann man sich nichts denken, als die Felsen, welche
Siwah besonders von der Nordseite einschliefsen, gleichsam als hätte die
Natur selbst dieses gesegnete Plätzchen gegen jeden Angriff befestigt. Bald
glaubte ich altes Burggemäuer, Thürme und Bollwerke zu sehen, bald
Kegel, Pyramiden oder phantastisch zerrissene Klippen, die ich nicht ohne
Verwunderung betrachten konnte. Endlich erreichten wir den Thalrand'
der Oase und erblickten das auf einer Felsenmasse, wie eine Burg, aufge-
thürmte und dicht in einander gedrängte Siwah mit noch zwei ändern
Dörfern der Oase, umgeben von Gärten und Palmenwäldern; ein unendlich
erfreuender Anblick, wenn man, wie ich, wochenlang nichts als die dürre
Wüste um sich gesehen.
Im Schutze einer Felsenwand erwarteten wir hier unsern Nachtrab, der
in einer Viertelstunde eintraf. Die Freude der Araber, als sie die Oase mit
ihren Gärten vor sich sahen, überschritt alle Grenzen. Sie sprangen, schrieen,
sangen, tanzten und feuerten ihre Gewehre ab, und zwar mit solcher Unvorsichtigkeit,
dafs mir die Kugeln um die Ohren pfiffen. Das scheue Pferd
unseres Scheiks, welches ich ritt, machte bei jedem Schuß einen hohen
.Satz oder sprang auf die Seite, so dafs diese Freudenbezeugungen meinem
wunden, verbundenen Arm sehr übel bekamen. Die Beduinen triumphirten,
zugleich dem Hunger und einem Angriff ihrer Feinde entgangen zu seyn,
und ließen, wie erwachsene Kinder, durch nichts in ihrer tobenden Lustigkeit
sich stören.
Das Schießen war übrigens unter allen Umständen fast ihr liebster Zeitvertreib.
Sie schossen während des Marsches und im Lager, selbst wenn
die größte Ursache war, unsere Gegenwart verborgen zu halten. Voll Widersprüche
waren sie dagegen oft ängstlich ohne allen Grund, und sprachen
von drohender Gefahr, während sie zu derselben Zeit sich einzeln von den
Karavane entfernten, oder singend und tanzend hinter derselben e i n h e r z o g e n
Es treten nämlich mehrere zusammen, hängen die Gewehre über den Rücken,
und singen, indem sie einen kadenzirten Geschwindschritt beobachten und
I dazu in die Hände schlagen, eine Art Kanon, wobei immer ein Vortanzender
[ die ersten Worte anstimmt, und die übrigen alsdann einfallen. Den Inhalt
[d ie s e r, Lieder konnte ich nicht erfahren, mein Dollmetscher behauptete,
[ er verstehe die Worte nicht. Aus der Mimik, womit sie vorgetragen wur-
[deu, ließ sich indefs leicht schließen, daß sie etwas Unsittliches enthalten
[mochten. Einer dieser Gesänge oder Kanons hieß; Ana - Doja - Firnina.
welche Worte der Vorsänger zuerst sang; alsdann fielen die Uebrigen beim
zweitenmale ein, und nach der dritten Wiederholung stiefs der Vorsänger
lein gellendes Geheul aus, welches Jau lautete, und eben so genannt wurde.
¡ Zuweilen begleiteten sie diesen Gesang mit einer arabischen Doppelflöte von
[Rohr, die an die antiken Flöten dieser Art erinnert, und deren Klang von
[unserer Schalmei, oder von dem sogenannten polnischen Bock sich in
[nichts unterscheidet Das Spielen der Flöte scheint den Kameelen angenehm
[zu seyn. Auch im Lager versammelten sich die Araber zum Gesang; sie
[traten in einen Kreis zusammen, in dessen Mitte einer gestellt wurde, der,
[während sie auf obige Weise sangen und in die Hände klatschten, sich
unaufhörlich auf und nieder ducken mußte.
An allen diesen Belustigungen ließen sie . es bei dem Eintreffen vor
Siwah nicht fehlen. Ich sandte den Scheik und seinen Schwager mit den
[Empfehlungsschreiben, die ich an das erste Oberhaupt der Religion und an
[den ältesten Scheik bei mir führte, nach Siwah voraus, indem ich mit der
Karavane langsam folgte. Der Weg führte etwa eine halbe Stunde lang
durch lauter Palmenpflanzungen, bis wir den Hauptort erreichten. Anfangs
wurden große Schwierigkeiten gemacht, ob man mich einlassen wolle;
[denn die Siwaher sind ein gar argwöhnisches Völkchen. Endlich erfolgte die
Entscheidung, dafs ich auf einem freien Platze zwischen der Ringmauer und
den Häusern mit meiner Begleitung mich lagern solle. Hier wurde mein Zelt
der Nähe eines Bethauses bei dem Grabe Scheik Soliman's, eines Heiligen,
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