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nach, so gefahrvollen, langwierigen Reise meine Begleiterin zu seyn, genofe
der besten Gesundheit, und erleichterte mir durch ihre heitere Laune
und durch Mittheilung interessanter Lektüre meine Lage sehr.
Wir hatten nicht weniger als drei Stürme zu bestehen, wovon der
letzte, der uns im jonischen Meere befiel, ziemlich heftig war. Allein
beschwerlicher, als alle Stürme, waren für mich die Windstillen und die
damit verbundenen Seeströmungen, oder nach der Schiffersprache unserer
Seeleute, die Bonaz und Maretten fbonaccia, mar eiteJ. Letztere erhalten
nämlich das Schiff in einem steten Hin- und Herschwanken, und steigern
dadurch aufs unangenehmste die Seekrankheit. Auch an ernstlichen Gefahren
fehlte es nicht. Gleich in den ersten Tagen der Fahrt hatte sich der
Fock- und Top-Mast losgelöst, und drohte herabzufallen. Zum Glück trat
eine Windstille ein, und nach langer, mühsamer Arbeit gelang es, ihn wieder
zu befestigen. Während des langweiligen Hin- und Herlavirens an der
italienischen Küste droheten mehrere Wasserhosen uns zu vernichten; doch
entkamen wir ihnen durch eine zeitige Wendung der Segel. Zuletzt liefen wir
noch Gefahr zu stranden, weil wir die niedrige afrikanische Küste, ganz in
der Nähe derselben, in dem Dunstnebel, womit sie verschleiert war, völlig
aus dem Gesichte verloren. Ein plötzlich eintretender Nordwind rettete uns,
indem er die Nebel vor sich her verwehte, und uns mit Schnelligkeit dem
Hafen von Alexandrien zutrieb, in welchen wir noch bei Tage emliefen.
Einige Lootsen, die uns entgegen gesandt wurden, führten uns sehr
geschickt durch die sogenannte Pforte des Marabout, den einzigen sichern
Pafs, in den alten Hafen, mitten durch eine bedeutende Anzahl hier lie-
gen der Schiffe.
Wer nie selbst, nach langer beschwerlicher Seefahrt, vom Bord des
Schiffes dem Ziel seiner Reise sehnsüchtig entgegen sah, macht sich nur
eine schwache Vorstellung von dem erhebenden Gefühl des Gelingens, der
Sicherheit und Rettung, womit der Landende endlich den festen Boden
wieder betritt. Vor uns lag nun jenes uralte Aegypten, womit meine Phantasie
so lange sich beschäftigt hatte, und jene berühmte Stadt Alexanders
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und der Ptolemäer, in der einst der Handel und Reichthum der alten
Welt sich vereinigte. Aber das Bild, welches unsern Augen sich darstellte,
war nichts weniger als einladend und erfreulich.
Wie ein schmaler weifser Streif zieht sich die afrikanische Küste weit
hin, bis sie im schwülen Nebel unkenntlich wird. Kein Berg, kein Baum,
nichts Grünes oder Belebtes erfreut das Auge. Sie ist niedrig und öde,
nackter Sand oder Sandsteinfels. Nur die sogenannte Säule des Pompejus
ragt einsam empor, und dient den Schiffern als Wahrzeichen. Dann
erblickt man den Palast und den Harem des Pascha, und den Palast seines
Sohnes I b r a h i m auf der dürren Sandzunge, die sich zwischen dem alten
und neuen Hafen hinzieht. Alexandrien selbst gleicht, von aufsen gesehen,
mehr einer Brandstätte, als einem von Menschen bewohnten Orte; allenthalben
Schutt und Trümmer und halbverwitterte Mauern. Die Häuser
ohne Dach scheinen dem ungewohnten Auge verlassen und öde. Jene weiten
Palmenpflanzungen, die einst die Stadt umgaben, und von denen selbst
neuere Reisende so reizende Schilderungen machen, sind verschwunden.
Die Franzosen haben sie, während der Invasion, zu besserer Vertheidigung
der Stadt abgehauen.
Nur beim Einlaufen in den Hafen sah ich einige Palmen, und bei mein
en späteren Ausflüchten in der Umgebung der Stadt einzelne Gruppen derselben
und hin und wieder Gärten, die mit Palmbäumen angefüllt waren.
Desto erfreulicher war in anderer Beziehung unser Empfang in Alexandrien.
Die gerühmte Gastfreiheit der Orientalen wird von den hier wohnenden
reichen Europäern auf die zuvorkommendste und edelste Weise
geübt. Eine nicht genug zu lobende Tugend in einem Lande, wo es an
allen öffentlichen Bequemlichkeiten für Reisende fehlt. Kaum waren wir
im alten Hafen angelangt, so betrat Herr D h o v e t t i , früher Oberstlieutenant
in französischen Diensten und jetzt Generalconsul in Aegypten, unser
Schiff, und lud mich auf das verbindlichste zu seinem Handelscompagnon,
d em Herrn T o u r n e a u , in dessen Hause bereits alles zu unserm Empfange
vorbereitet sey. Ich war ihm, so wie Herrn D r o v e t t i , von Livorno aus