T a f e l XX.
Fig. 1. a. b. Basrelief im Tempel des Osiris (oben S. 386.) z a Lu x o r, von Herrn
R i c c i gezeichnet (Kap. XU. p. 256.). E s is t die Darstellung einer Procession.
Zue rst erscheinen drei Männer, welche die H än d e , wie cs scheint, betend Zusammenlegen;
drei andere folgen, deren einer ein Weihrauchschälchen auf einem Geräthe, welches
einen Arm mit der linken Hand nachahmt, u n d ein Gefafs zu Lihationen trägt. Dies
stimmt völlig zusammen mit der Schilderung der Isisprocession im XI. Buch der Metamorphosen
des A p u l e ju s (ed. Elmenh. p . 262.): Quartus Aequitatis ostendebat indicium, defor-
r na tarn nianum sinistram porrecta p almula; quae genuina pigritia, nulla calliditate, nulla
solertia praedita, videbatur aequitati magis aptior quam dextra. Id em . gerebat et aureum
vasculum in modian papillae rotundatum, de quo lacte libabat. »D e r vierte zeigte das Symbol
der Billigkeit, eine Gestalt der linken Hand mit dargcrcichtcr Handfläche, indem diese
wegen ihrer natürlichen Unthätigkeit, ohne L ist u n d Gewandtheit, der Billigkeit angemessener
zu scyn schien, als die rechte. Derselbe tru g auch ein goldenes Gcfäfs, nach
Art einer B ru s t zugerundet; ans welchem er Milch zu Lihationen ausgofs.“ Diese merkwürdige
Zusammenstimmung läfst vermuthen, dafs die erhobenen Hände der anderen nicht
hlos Gehet ausdriieken, sondern jenen Gestus des Schmiickens, welchen A p u l e ju s kurz
vorher (p . 261.) beschreibt: m u lie re s quae gestu brachiorum flexuque digitorum ornatum
atque oppexum criniwn regalium ßngerent. „F ra u e n , welche durch die Bewegung der Arme
und die Biegung der Fin g e r das Schmücken und Kämmen der königlichen Haare (der
Isis) nachahmten.“ Die hier dargestellten sind indefs nicht F rau en , sondern Männer. Es
folgt ein einzeln Gehender, welcher mit beiden Händen ein Sistrnm von ungewöhnlicher
Gestalt schüttelt; wofern nicht dieses Geräth noch eine andere Bedeutung h a t, wenigstens
ähnelt es mehr dem auf der Bemhinischcn T a fel im mittelsten Streifen zur Linken vorkommenden
Symbol, als einem Sistrnm.
Acht Männer tragen dann au f einer Bahre zwei L a d e n , und drei andere Männer
kleinere Laden au f den Schultern; vier dieser Kasten sind oben mit Basilisken oder Uräns-
schlangen verziert. Unwillkuhrlich wird man hie r an die Bnndcslade der Ju d en erinnert.
A p u l e j u s vergifst auch diesen Gebrauch nicht (I.e . p. 2(32.): Ferebatur cista secretorum
capax , penitus celans operta magnificae religionis. „Man tru g eine K iste, welche Geheimnisse
in sich schlofs, ganz verhüllend das Verborgene der erhabenen Religion.“ In dem
Dekret der P rie ste r zu Memphis wird bestimmt, dafs an den grofsen F e s te n , heim Umtragen
d e r T e m p e l der Götte r, auch der des Gottes Ptolcmäus Epiphancs solle umher
getragen werden; au f dem Tempel sollen die zwölf goldenen Kronen des Königes mit
goldenen Schlangen liegen, und au f dem Viereck umher goldene Phylakterien (wahrscheinlich
Basilisken) angebracht seyn (Inscript. R o s e t t . Zeile 42 — 45.). Jed e r Privatmann
wird auch berechtigt, einen Tempel des Ptolcmäus in seinem Hause zu haben (ibid. Zeile 52.),
welches n u r solche kleine Heiligthümer seyn konnten. In der königlichen Sammlung zu
Berlin befinden sich jetzt mehrere kleine Tempel der A rt, die der Herr General in Obcr-
Aegyptcn gekauft h atte , aber sämmtlich dem Osiris geweiht zu seyn scheinen. (M. s. die
Erklärung der T a fel X X X IV . Fig. 1. a . b . c . d .). Von den Aegyptern ging der Gebrauch
der mystischen Laden bekanntlich schon früh zu den Griechen über, und auch der Ausdruck:
xmti» tu fdyu^u, . scheint sich au f das Umtragen solcher kleinen Heiligthümer zu beziehen.
C l a u d i a n . de IV . Consul. Honorii, v. 572.:
— Sic numina Memphis
I n vulgus proferre solet: penetralibus e x it
Effigies, brevis illa quid ein, sed plurimus infra
Liniger imposita suspirans vecte sacerdos
Testatur sudore deum. Nilotica sistris
Ripa sonat etc. —
Herodot erwähnt ein ägyptisches F e s t zu Papremis, an welchem ein kleiner hölzerner,
vergoldeter Tempel des Mars au f einem W a g e n vom Volke gezogen wurde (H e r o d . II, 63.).
Ein Mann und eine F ra u beschliefsen die P ro cessio n ; vor dem Munde des ersteren
ist ein rechtwinklicher Triangel angebracht. Alle M änner haben, nach ägyptischer P riestersittc,
ganz geschorene Köpfe: capillum derasi funditus, y e rtic e praenitentes. (A p u l c j . p. 2 6 1 • )•
Die Hieroglyphen wiederholen viermal mit geringer Abwechselung die nämliche F o rmel, so
dafs die Inschrift von der Linken zur Rechten immer au f dem nächsten leeren Raume
fortgesetzt wird, bald u n ten , bald oben; n u r am Schlüsse folgen noch einige besondere
Zeichen. D er sechsmal wiederholte Nämenschild von drei F ig u ren , un te r denen eine
niederhockende weibliche Gestalt mit einem umgekehrten W e ih csch lü ssel au f den Knieen
und einer Straufsfeder au f dem Haupte sich am meisten auszeichnet, findet man auch
an dem berühmten klingenden Kolofs des Memnon oder Amenophis, woraus sich zu ergehen
scheint, dafs einer der Könige dieses Namens einen T h e il des Tempels zu Luxor
vollendete. Die geläufige Benennung M em n o n beruht übrigens au f einem Mifsverstande,
da eine von B u t tm a n n mit grofsem Scharfsinn erklärte griechische Papyrusrolle der
Königlichen Sammlung es aufser Zweifel setzt, dafs tu Mtpiimu das ganze, Theb en gegenüber,
im Tathyritischen Nomus belegene Gebiet der Gräber anzeigt.
Fig. 2. Basrelief in einem Tempel zu Ombos, von Herrn R i c c i gezeichnet (Kap. XIII.
S. 2 8 6 0 ; ein Löwe mit einem Falkenhaupt.
D e r F a lk bezeichnet am gewöhnlichsten die Sonne und alles Heilige (H o r a p . I , 6.).,
der Löwe den Nil (ibid. c. 21.), das F eu e r (A e li a n . de nat. anim. X I I , 7.) den Muth
(H o r a p . I , 17.) u. s. w., so dafs in dieser Gestalt zwei vieldeutige Symbole vereinigt
sind. Auf der bemhinischcn T a fel hält dieser Falkenlöwe u n te r dem Th ro n e der Isis
vor sich den Nilkrug, au f dem oberen Streifen sitzt er geflügelt und mit verfinstertem
Haupte neben der trauernden Isis, au f dem Rande kämpft er siegreich mit einer Schlange.
E r is t offenbar das Vorbild der griechischen Greife, die dem Apollo geheiligt waren (man
sehe in den Jonian antiquities die Reste des Tempels zu Milet.). Aber selbst diese Beziehung
scheint aus Aegypten entlehnt. Löwe und F a lk wurden besonders dem Horus zuge-
cignet. (H o r a p . I , 17. A e li a n . de nat. an. V I I , 9. X , 14'.), als Symbole -des Muthes
und des Siegs. Auf der bemhinischcn T a fel steht ein Löwe unter seinem T h ro n , und
ein Falke über seinem Haupt. Aus d e r erhaltenen Inschrift des Tempels zu Ombos
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