unternahm und ausführte, ansehen! N u r Menschen bewegen den Kolofs; in der W irk lichkeit
ohne Zweifel mit ganz anderen Anstrengungen, als die beschränkte Kunst der
Aegypter darzustellen vermochte. Aufserdem is t aber di.es Bild höchst merkwürdig, weil
es über die ägyptische A rt, die Perspective zu behandeln, alle Zweifel löst. Die vier
Reihen der Zieh en d en , die über einander erscheinen, müssen offenbar als au f demselben
Boden stehend gedacht werden, der sich gleichsam un te r ihnen empor zieht. Die zu oberst
angebrachten Gruppen mit Palmzweigen u n d Bananenblättern, gehen daher nicht dem Zuge
vörauf, wie im Texte gesagt is t, sondern bewillkommnen das anlangcnde Götterbild, dem
sie mit Lobliedern und Zeichen der F e ie r entgegen treten. Ehen so mufs man die hinter
dem Kolofs Gehenden sich neben einander denken; lind der dem Kolofs Zugekehrte, welcher
Schriftrollen oder Schlägel in den Händen fü h rt, s teh t au f ebener E rd e .- Die Seltsamkeit
in der Richtung der Stricke, is t hlofs eine Folge dieser ungeschickten Darstellungsart.
Um aber den Aegyptern nicht Unrecht zu th u n , mufs hier hinzugesetzt werden, dafs
auch die Griechen, ungeachtet schon Agatharchus, Dempcrit u n d Anaxagoras die Perspective
wissenschaftlich zu bearbeiten anfingen, gewöhnlich eben so verfuhren und das
Entfernte in die Höhe rückten. Ich bernfe mich deshalb au f die bekannte Tabula iliaca,
wo man die Einnahme von T ro ja au f diese 'W e ise dargestellt sieht; au f das merkwürdige
Gemälde der Unterwelt in M i l l i n ’s Vase des tombeaux deCanosa; au f m ehrere Amazoncn-
schlachten in dessen Peintures de vases aritiques, und au f die Darstellung des Sieges
Alexanders hei Arhela im P a la st Chigi zu R om , welches letztere W e r k über die späte
Beibehaltung der alten kunstlosen Sitte keinen Zweifel übrig läfst. Auch die historischen
Reliefs am Triumphbogen des Septimius Severus zu Rom sind eben so aufgefafst; und
selbst die neuere Malerei pflegte noch im 1 5ten u n d zu Anfang des 16 ten Jahrhunderts
die En tfernungen ungehörig m die Höhe zu ziehen, obgleich man bei Gebäuden in der
Beobachtung der Perspective bewundernswürdig genau war.
Der eingekerbte behauene Balken, welcher neben dem Kolofs von drei Männern
getragen wird, soll ohne Zweifel zur Anlegung der hölzernen Bahn dienen, auf welcher
der Schlitten fortgleitet. Merkwürdig ist auch der gefärbte Kopfputz der Statue; neuere
Reisende erzählen einstimmig, dafs selbst die granitnen Kolosse der Aegypter bemalt
waren. Ueber das Geräth in der Hand der Bildsäule, wage ich nichts zu bestimmen; dafs
es nicht das gehenkelte Kreuz sey, wie Böttiger glaubt, scheint-mir unzweifelhaft. Dasselbe
Werkzeug erblickt man in der Hand der Dresdener männlichen Mumie, und es
deutet vielleicht den Griff einer Waffe an, deren Spitze nach unten gekehrt ist, um nicht
Krieg und Kampf, sondern Frieden auszudrücken.
Die regelmäfsig abwechselnde Verschiedenheit der Farbe der Ziehenden, selbst in den
Haaren, läfst sich wohl nur mit grofser Vorsicht zur Anknüpfung von Hypothesen über
eine Mehrheit ägyptischer Menschenragen benutzen. Da indefs in Böttiger’s Erwähnung
dieses Gegenstandes eine Aufforderung liegt, meine Ansicht darüber mitzutheilen, so gebe
ich hier Folgendes, theils als gewifs, theils zur ferneren Prüfung:
So weit die beglaubigte Geschichte zurück geht, wohnten in Aegypten, dem Garten
des Herrn, wie Moses sagt (1. Mos. 13, 10.), vier unterschiedene Völker, als einheimische
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Landeskinder, neben einander; in den blühenden Zeiten des Reiches Einer Regierung,
und durchgängig auch denselben Gesetzen unterthan.
Erstlich Libyer im mareotischen Nomus und überhaupt am Westufer des Nil, außerhalb
des Delta, in den Oasen und vielleicht im Thale des Mörissees. Sie gehorchten
nur mit Widerstreben den strengen Satzungen der Aegypter,. von denen sie in der Sprache
sich unterschieden (Herodot II, 18.); waren aber schon von Sesostris 4em Reiche
cinvcrleibt (Diodor I, 53.).
Zweitens Aethiopier im südlichen Aegypten bis Elephantine (Herodot II, 29-);
sogar Theben war ursprünglich von ihnen angelegt. Aethiopische Dynastieen, deren eine von
Manetho ausdrücklich als aus Elephantine stammend angeführt wird, hatten Aegypten
achtzehn Könige gegeben (Herodot II, 100.), und in späterer Zeit eine andere durch
Waffengewalt über Aegypten geherrscht. Vieles Aegyptische, selbst in der Landesreligion,
verräth äthiopischen Ursprung. Gleichwohl war die Sprache beider Völker gänzlich verschieden
(Herodot HI, 19.), welche Angabe Herodots durch die Vergleichung des
Koptischen mit allen bekannt gewordenen mjbischen und äthiopischen Dialecten gerechtfertigt
wird. Auch in den Sitten fand bedeutende Verschiedenheit statt; die Aethiopier
nahmen indefs zum Thcil ägyptische Cultur an (Herodot II, 30.).
Drittens Stämme arabischer Abkunft, zwischen dem Nil und rothen Meere wohnend,
und aufserhalb des Delta, dem Strome gegen Osten. Sie hatten zu Zeiten durch W^affen-
gewalt sich des ganzen Landes bemächtigt, bequemten sich nie völlig den ägyptischen
Satzungen, und galten als Hirten und Viehhalter für unrein (I. Mos. 43, 32. 46, 34.).
Zu diesen gehörten einst auch die Juden, die sich, aufser der Viehzucht, hlofs mit
den schwersten und niedrigsten Arbeiten beschäftigen durften, und aufs Unwürdigste
bedrückt wurden (2. Mos. 1, 13. 14.). Sie waren aber nicht die einzigen, welche dies
Loos traf; seit den ältesten Zeiten scheinen Araber und ihre Stammesverwandten als
Karavanenfiihrer, Hirten, Diener und Sklaven in ganz Aegypten sehr zahlreich gewesen zu
scyn (1. Mos. 39, 1. 44,33.). In Alexandrien und den innern Provinzen ( L e t r o n n e
Kecherches p. 274.J war das Amt des Alabarchen oder Arabervogts eins der bedeutendsten.
Zu diesen dreien kommen endlich viertens, als Hauptvolk, die Aegypter selbst, im
Delta und zu beiden Seiten des Nil bis Syene hinauf; das uralte Memphis ihre Hauptstadtf
Die Bewohner der Sümpfe in der Nähe des Meers unterschieden in vielen Stücken sich von
den übrigen Aegyptern, gehörten aber dennoch zu demselben Stamm (Herodot II, 92.).
Aufser diesen offenbar einheimischen Völkern wohnte schon in früher Zeit in der
Nähe von Memphis eine babylonische Kolonie, semitischen Ursprungs, wahrscheinlich auf
Anlafs einer alten Eroberung angelegt. Der Dienst der assyrischen Venus und der Bau
der Pyramide von Sakkara, ganz mit dem Belustempel zu Babylon übereinstimmend,
scheint zu verrathen, dafs die Stammesverschiedenheit sich nie ganz ausglich. Auch die
Phönizier hatten zu Memphis eine Niederlassung, ohne .Zweifel des Handels wegen. Später
zogen Griechen und Kleinasiatcn, besonders Karier (Herodot II, 61. 152. 163.), in
immer gröfserer Anzahl nach Aegypten, jedoch meist die Landesreligion sich aneignend,
was auch dann noch der Fall blieb, als die Griechen seit Alexander Herren des Landes