Lagerplatz los, um den Scheik und dessen Schwager zu ermorden,, laut
schreiend, dafs sie beide ihnen vormals den Feind und jetzt Christenhunde
zugeführt hätten. Andere Bewohner Siwahs dagegen, die mit Recht befürchteten,
dafs die angefangenen Händel in ihrem Ausgange leicht unangenehme
Folgen für ihr Ländchen haben dürften, setzten sich jenen entgegen, und so
wuchsen bald Parthei und Gegenparthei zu einem bedeutenden Haufen .an,
der sich-lärmend auf uns zuwälzte. Der Zank ward sehr heftig und schien
äufserst bedenklich für uns endigen zu wollen; glücklicherweise liefs sich
aber einer der Hauptscheiks von der friedlichen Parthei, welcher blind war,
schnell unter den Haufen führen, und da zu gleicher Zeit der Hauptchef
der Religion eintraf, so gelang es ihnen, die Unruhigen dadurch zu beschwichtigen,
dafs sie ein Paar der Rädelsführer sofort ergreifen. und in
Ketten legen liefsen. Der eine hatte sich aber bei dieser Gelegenheit yer-
theidigt, und den ersten ihn ergreifenden durch einen Säbelhieb verwundet
Der Religionschef und die übrigen Scheiks begaben sich hierauf fi||Jieh
zu meinem Scheik, und baten wegen des Vorgefallenen um Entschuldigung.
Da aber die Gemüther sehr erhitzt waren, und mehrere von der Parthei der
Arrestanten geschworen hatten, den Scheik und die Seinigen zu ermorden,
so hielten es zwei Oberhäupter von der Gegenparthei für rathsam, ihn persönlich
mit noch sechs ihrer Verwandten wohlbewaffnet in seinem Zelt zu
bewachen. Zu mir verfügte sich indessen der blinde Scheik und versprach
durch einen Eidschwur, mich im Falle 'eines Angriffes in den ihmrunter-
geordneten halben Theil von Siwah zu führen, und hier mit Aufopferung
seiner selbst zu vertheidigen, meinend, es fehle ihm hierzu weder an Pulver,
noch an Blei. Ich dankte ihm für seinen guten Willen und entliefs ihn. ■
Da die Unruhestifter gemeint hatten, es träfe ihr Unmuth eigentlich
nicht mich und die Meinigen, sondern blos den Scheik und dessen Schwager,
so nahm ich wohlweislich von dem ganzen Lärm gar keine Notiz, und
blieb ruhig in meinem Zelte; jedoch war ich fest entschlossen, im Falk
eines Angriffs mein Leben so theuer als möglich zu verkaufen. Mein Scheit
dagegen, der sehr vorlaut zu seyn pflegte, war nun kleinmüthig geworden
und schien aufser sich; als er Abends bei mir essen sollte, kam er ganz
zerstört in mein Zelt, brachte das Essen zwar an den Mund, vermochte aber
nicht es .herunterzubringen; sondern stürzte plötzlich wieder hinaus und
verkroch sich, wähnend — wie ich dies später erfuhr — dafs er an meiner
Seite ermordet werden würde. Die Nacht ging jedoch ruhig vorüber, und
auch der zweite Tag; als ich aber am dritten Tage jene obbenannte Ruine
J}el-del-Rum blos in Begleitung einiger Siwaher besuchen wollte, so ergriff
meinen Scheik die Angst von neuem, und er begleitete mich nebst seinem
Schwager. Während des Essens war er sehr unruhig, verstand nichts von
dem, was ich ihm sägte, und ging gar nicht in die Munterkeit meines übrigen
Geleites ein. Endlich sprang er ganz verstört auf, führte meinen Mamelucken
bei Seite, und erklärte ihm, dafs er und sein Schwager gesonnen seyen, ihr
Leben durch eine schnelle Flucht zu retten, zu welchem Behufe er ein
Kameel mit Lebensmitteln und Futter für ihre beiden Pferde mitgenommen
habe. Der Mameluck, klüger als er, rieth ihm glücklicherweise von der Ausführung
seines Vorhabens ab, das die nachtheiligsten Folgen für mich hätte
haben können. Denn, verliefs er mich, so ward ich der Wuth der Siwaher,
die sich nun von mir verrathen wähnen mufsten, geopfert, und das Glimpflichste,
was mir in diesem .Falle widerfahren konnte, war, von ihnen als
Geifsel, zurückbehalten zu werden, während der treulose Scheik seinen Kopf
der Rache des Pascha Preis gab. Er sah dies ein, und beschloß mit mir
nach Siwah zurückzukehren; allem er war von diesem Augenblick an so
geängstigt, dafs ich früher oder später einem neuen Versuch zu seiner
flucht entgegensehen mufste. Ich beschlofs also, meine Abreise so sehr
als möglich zu beschleunigen, damit fünfzehn der vornehmsten Siwaher, die
sich seit einiger Zeit’bei Hassan-Bey in JDamanhour befanden, nicht Zeit
gewännen, zurückzukehren. In diesem Falle möchten nämlich die Siwaher,
die jene, so lange sie in der Gewalt Hassan-Bey’s waren, als ausgelieferte
Geifeeln betrachten mufsten, ihr nachgiebiges Verfahren geändert haben.
Um indefs jeden Verdacht der Furcht zu entfernen, entschlofs ich mich,
noch zwei Tage hier zu verweilen. Ich versammelte daher gleich Abends
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