den erblichen Würden begnadigt seyn sollten. Auch hier sehe ich daher in
dem Hohenpriester, der mit den Tempelgöttern in einer Reihe auftritt, 55
wie in den zunächst neben ihm stehenden weiblichen und männlichen
Gestalten, solche mythische Zeitgenossen der Götter und Repräsentanten der
Priesterschaft; und als eine Bestätigung des Gesagten darf man es ansehen,
dafs alle diese nicht den Stab des Osiris mit dem Sonnenauge, sondern das
gewöhnliche Gnadenscepter fuhren. Hieraus erklärt sich vielleicht auch,
warum nach Pausanias der angebliche Stifter des ammonischen Orakels, der
anfangs ein libyscher Hirt gewesen seyn soll, ebenfalls Ammon heilst, wie
der Gott selbst '); wofern nicht dies ein blofser Hellenismus ist. Soviel im
Allgemeinen üher die Darstellungen dieser Reihe.
Zunächst neben dem Thron Ammons erscheint eine männliche Gestalt,
deren Haupt, bei Männern ganz ungewöhnlich, mit der grofsen ägyptischen
Haube bedeckt ist. Ohne Zweifel sehen wir in ihm den Propheten des
Tempels, dessen Würde die höchste unter allen priesterlichen war 2). Der
Osirisstab in seiner Hand und der Palmenschmuck auf seinem Haupt erinnern
uns aber, dafs O s i r i s selber es sey, der hier dem Prophetenamt vorsteht
wie er auch das Orakel gegründet haben sollte 3); Isis und Osiris sindplSt;
auf beiden Seiten des Tempels dem Ammon die nächsten. Suidas bemerkt
einen ägyptischen Namen des Bacchus-Osiris, der ihn besonders, als. Propheten
bezeichnete 4); und Osiris als Prophet war auch ohne Zweifel
gemeint, wenn Aristoteles einen libyschen Apollo Sohn des Ammon nanntes).
Denn Horus, der sonst gewöhnlich mit Apollo verglichen wird, kann h'a
nicht gemeint seyn; allein da es die erste und höchste Eigenschaft des
griechischen Apollo war, der Prophet seines Vaters Jupiter zu seyn, in dessen
1 ) P a u s a n . IV , 23. Fast bei allen ägyptischen Gottheiten' seines. Pantheons erwähnt
b lo n s k y Beispiele mit den Göttern gleichnamiger Priester. Die Aegypter glaubten auch, daß oi|
Götter mit sterblichen Frauen 'Kinder erzeugen, aber nicht Menschen mit Göttinnen.
2) C lem . A l e x . S tr om . V I , p . 634. Sylb. 3) D io d o r . I I I , 72. Oben p. 105.106',
4) S u id a s . s. v. 99-us und ’ApS-as.
5) Bei C lem . A l e x . P r o t r e p t . p . 17. Sylb.
Namen, als des obersten Inhabers der Geschicke, er die Zukunft an vielen
O rak elo rten verkündigte *), so war es natürlich, dafs man auch den weissagenden
Sohn Ammons in dem von Griechen so eifrig befragten libyschen
Orakel f ü r 'Apollo hielt.
Vor ihm steht eine Göttin mit einem Löwenhaupt, auf dem die Sonnenscheibe
mit dem Zeichen des guten Genius ruht; sie scheint einer männlichen
Gestalt zu winken,-die nach ihr zurücksieht. Der Löwe, von dem
Griechen und Römer so viel Wunderbares erzählen, dafs er fast zu den
mythischen Wesen gehört, ist auch bei den Aegyptern ein sehr vieldeutiges
Symbol. Er bezeichnet das W a sse r , weil der Nil am gewaltigsten schwillt,
während die Sonne den Löwen des Thierkreises durchläuft; aber auch Feuer,
Stärke, Muth, Wachsamkeit und unbändiger Zorn, selbst das Fieber wurde
durch ihn symbolisirt 2). In ganz verschiedenem Sinn ist er deshalb einer
Reihe von Göttern geweiht: dem Nil, dem Vulkan, der Sonne, dem Horus
und dem Mars, wovon jene gut und heilbringend, dieser ein fast typho-
nisches Wesen ist.’ Aber nur einer Göttin wird der Löwe von den Alten
unzertrennlich heige.se.llt/, nämlich der Göttermutter R h e a , mit welchem
; Namen die Griechen auch die Gemahlin und Schwester des ägyptischen
Kronos bezeichnen 3), und diese Göttin sehen wir hier dargestellt Das ihr
geweihte Löwensymbol trug ohne Zweifel. wesentlich dazu bei, jene Benen-
! nung auf sie zu übertragen.
Aehnlich ihrer Tochter Nephthys, in der sie gleichsam sich wiederholt
f|, erscheint auch Rhea als ein Wesen von zweideutiger Natur, aber
t furchtbarer. So wie man den Kronos Antäus nannte 5) , den Widersacher,
| hiefs Rhea die Widersacherin, A n tä a 6). Als jener den alten Beherrscher
1) Aies irfotpiTtii $l<rr\ ir*T{of. A e s c li. E lim . 19. H om e r . H. in A p . 132.
2) H o ra p o lio I , 18. 19. 20. 21. I I , 38. 75. 76. A e l ia n . H. A n . X I I , 7.
% -fDiodor. I , 13. P l u ta r c h . de Is. et Osir. 12. 4) Oben pag. 132. und 136.
5) Oben pag. 103. J a b l o n s k y Panth. I . p. 303. weist auch' Antäus als ägyptischen Got-
[ ernamen nach, der eigentlich A n t e s lautete, bezieht ihn aber unrichtig auf M e n d e s .
6) A p o llo n . K h o d . I , 1141. Schol. f f y m n . O rp h . 41.