Gegen den Andrang des Nil wird das Gebäude durch eine Wehrmauer
aus Quadersteinen geschützt, die in späterer Zeit mit Ziegelsteinen ausgebessert
worden; ob sie auf einem hölzernen Rost gegründet ist', konnte
ich nicht ausmitteln. Die Steine des ganzen Gebäudes sind meistenteils
mit Kalkmörtel verbunden, und hin und wieder sieht man einzelne
Steine, wo Ausbrüche es nöthig machten, nachläfsig mit Kalk eingesetzt
Die Hieroglyphen sind nicht allenthalben gleich gut ausgefiihrt, und Säulen,
Friese, Decken und Wände zum Theil bemalt. Auf meinen Wunsch
zeichnete Herr Doctor R i c c i hier die Procession Tafel XX. Fig. 1. ä:b.,
die Kinderweihe Tafel XXIII. Fig. 1. und mehrere andere noch unbekannte
Darstellungen.
Auch die bei Kctrnak erhaltenen gigantischen Ruinen, von denen das
französische Prachtwerk sehr befriedigende Ansichten giebt, scheinen mir
einen Palast und mehrere Tempel in sich vereinigt zu haben. 'Seit der
französischen Expedition hat man daselbst noch zwei kleinere Tempel entdeckt
und aufgegraben, die zu dem grofsen Ganzen gehörten.
Der Haupttempel zu Karnak war offenbar einer priapischen Gottheit
geweiht, die mit zusammengefügten Beinen und einer Geifsel in der rechten
Hand dargestellt ist *). Yon dem äufseren Vorhofe bis in das Innere des
Heiligthums findet man das Emblem dieses Gottes auf allen Mauern und
Säulen wiederholt. Auf den kolossalen Flügelgebäuden des Tempels sind
auch hier Schlachten und Siege dargestellt **), von denen der engljsdje
Generalconsul, Herr S a l t , sehr genaue Zeichnungen genommen hat, die er
in einem glänzenden Werke der Welt vorlegen wird; die französischen
Abbildungen sind wenig getreu. Auf der einen Wand des kleinen Granittempels
im Innern befindet sich die Initiationsscene, TafelXXI. Fig. !■; die
*) Osiris, dessen Geheimdienst im Tempel des Jupiter simmon, welches der zu K™
erhaltene ist, begangen wurde. Man sehe oben p. 121. 129» 130.
**) Es sind wahrscheinlich Thaten des Sesostris, des mythischen Erbauers, und vielleicht wii •
liehen Gründers des Ammontempels.
Farben sind indefs nicht ganz so wohl erhalten, als sie des gefälligeren Ansehens
wegen hier angegeben sind *).
Die Gebäude zu Karnak waren nicht alle vollendet, wie man dieses an
den Pylonen und besonders an einem Porticus bemerken kann, dessen Steine
nur rauh behauen zusammengefügt sind, um nachher eine ganze Seite auf
einmal zu überarbeiten und zu beendigen, welches Verfahren von den
Aegyptem allenthalben beobachtet zu seyn scheint; allein sehr oft wurde,
wie bei so vielen deutschen Gebäuden dès Mittelalters, der ursprüngliche
Plan der langsam fortrückenden Werke nicht ausgeführt. Unter den Bausteinen
bemerkt man mit Hieroglyphen bedeckte Werkstücke, die von zerstörten
älteren Gebäuden herrühren müssen. Die beiden Obeliske, die, von
vier vorhandenen, in einem der Höfe noch erhalten sind, weichen in ihrer
Höhe auffallend von einander ab; der eine gehört zu den gröfsten Werken
dieser Art. Auf einem kleinen Obelisk, den Signora Lavoratori in Cairo
besitzt, findet man unter ändern Hieroglyphen auch den Osiris dargestellt.
Die Ruinen zu Karnak sind zum Theil den Nilüberschwemmungen ausgesetzt,
und nähern sich mit schnellen Schritten ihrem gänzlichen Untergange,
der durch profane Hände beschleunigt wird. Geschieht nicht bald etwas, um
dem Verderben Einhalt zu thun, so wird man diese Denkmäler nach einem
oder zwei Jahrhunderten nur noch in Kupferwerken bewundern.
Sphinxe mit Stierköpfen, die einige zu Karnak gefunden haben wollen,
bemerkte ich nicht; die vorhandenen haben entweder Löwenkörper mit
menschlichen Antlitzen, jedoch ohne eine Spur von weiblicher Bildung,
oder Widderköpfe. Sphinxe nennt man jetzt in Aegypten auch jene sitzenden
weiblichen Statuen mit Löwen- oder Katzenköpfen, die zu Theben
sowohl am rechten Ufer des Nil, als auch am entgegengesetzten in der Nähe
der Kolosse Tama und Chama gefunden werden, wo sie, in Reihen aufgestellt,
den Zugang zu einem Gebäude gebildet zu haben scheinen. Eine
*) Diese Darstellung findet sich schon in dem französischen Prachtwerke, "Vpl. III. pl. 2.1. Pig. t.,
verdiente aber hier wiederholt zu werden; m. s. die Erklärung der 21sten Tafel.