dieselbe Weise dargestellt, wie er in Oberägypten beständig sich wieder
findet Denn nicht blos zu Thehen, welches vorzugsweise die Stadt Ammons
hiefs, und wo der Tempel von Karnak, der ungeheuerste, den je Menschen
errichteten, ihm geweiht war, auch zu Philä, Elephantine, Latopolis und
an anderen Orten der Thebaide kommt er in häufigen Abbildungen vor,
meistens deutlich bezeichnet als höchster Landesgott. Am oberen Nil, in
Aethiopien, herrschte gleichfalls der Dienst des Ammon, wovon in merkwürdigen
Denkmälern sich noch jetzt die Beweise finden T). In Meroe, wie
zu Theben und hier in Libyen, waren seine Tempel zugleich Orakel 2).
Wir verweilen zunächst bei den Bildwerken der Aussenseite des Heiligthums
3).
Das symbolische Haupt Ammons ist das eines Widders, bedeckt mit
der grofsen ägyptischen Haube, die niemals fehlt, wenn ein Thierkopf mit
einem menschlichen Leibe verbunden erscheint. Der obere Kopfputz ist
hier unkenntlich, wiederholt sich aber im Innern des Tempels 4). In der
rechten Hand erhebt Ammon den Götterstab mit dem Vogelhaupt, dem
Symbol gnädiger Erhörung (evx^i<rrla() s), gegen den Opfernden vor
ihm; in seiner Linken fuhrt er den mystischen Schlüssel. Der Gürtel des
Schurzes fällt hinten herab.
Neben Ammon sehen wir eine weibliche Gestalt, die mit aufgehobener
Hand gleichfalls den Opfernden ihrer Huld versichert. Die vorn herabfallende
Haube auf ihrem Haupte zeigt, dafs es eine Vermählte, der Geier darüber,
dals es eine mütterliche Göttin sey 6). Ihr Leib ist gleichsam mit Einigen
umwunden; in der einen Hand fuhrt auch sie den mystischen Schlüssel.
Keines dieser Zeichen unterscheidet sie für uns deutlich genug von ändern
ägyptischen Göttinnen; nur der oberste Aufsatz ihres Hauptes bürgt dafür,
dafs nicht Isis gemeint sey.
1) Journal o f a visit to some partS o f Aethiopia by G. W a d d in g t o n . London 1825.
2) H e r o d o t. I I , 29. 55. 58. 83. 3) Man sehe Ta fel X . Fig. 2*' .
4) Man sehe T a fel V I I I . 5) H o r a p o l io hierogl. I , 55. 6) H o ra p . I , iU
Versuchen wir indefs ihrer Bedeutung näher zu kommen. Zu Olympia
verehrte man im Prytaneum eine ammonische Juno 1); Pausanias, der das
Orakel des Ammon besucht hatte 2), wodurch sein Zeugnifs hier doppeltes
Gewicht erhält, begleitet jene Nachricht mit der Bemerkung, diese Juno
gehöre zu den libyschen Gottheiten, denn es hätten die Eleer seit den ältesten
Zeiten das Orakel Ammon’s befragt und bei demselben Altäre geweiht.
Nun entsprach zwar nach Herodot keine ägyptische Göttin der griechischen
Juno 3); wir sehen indefs aus jener Angabe, dafs Ammon in Libyen Götter
zu Tempelgenossen hatte, unter denen sich ein hohes weibliches Wesen
befand, das man der Juno vergleichen konnte. Eine deutliche Spur ver-
räth uns, dafs es Venus war.
Zu Dodona kannte man als Tempelgenossin des weissagenden Jupiter
nicht die Juno, sondern Dione 4). Hier an eine blos zufällige Verschiedenheit
zu denken, wozu die grammatische Bildung des Namens allerdings
auffordern könnte 5), verbietet die ausdrückliche Nennung der Venus, als
Mitinhaberin des dodonäischen Orakels neben Jupiter 6). Da nun dieses
eine frühe Kolonie 7), oder, wofern man die Priestersagen nicht annehmen
will, doch eine Nachahmung des thebäischen und ammonischen Orakels war 8);
so wird nichts natürlicher, als jene merkwürdige Abweichung vom griechischen
Tempelritus, in einem der ältesten Heiligthümer, aus dem Festhalten
des ausländischen Vorbildes abzuleiten, das bei so geheimnifsvollen Dingen
unerlafslich scheinen müfste. Auch in Libyen war ohne Zweifel also Venus -
D i o n e die Tempelgenossin (SW trunuac,) des orakelnden Jupiter, und diese
Göttin sehen wir hier neben ihm dargestellt
1) P a u s an. H, 1 5 . 2) L. I X , 16. 3) H e r o d o t. I I , 50.
4) D e m o s ! h . in Midiam c. 15. S t r a b o l. F I I ■ fin .
5) Man sehe bei der angeführten Stelle des Demosthenes Buttmanrds geistreiche Anmerkung
über die griechischen Götternamen.
6) ’S e r r iu s zu V i r g . A e n . I I I , 466. ' 7) H e r o d o t. I I , 5 4 — 56.
8) H e ro d o t. I I , 58.