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160 Buch IL Kap. 2. §. 19.
machen; als die logische Präcislon denen, die, ohne Ahnung des
eigentlichen Wesens der Pflanze, ihre willkürlichen Bestimmungen
der Natur aufdrängen, und sie mit Definitionen hofmeistern. Doch
genug hiervon, da ich hinter dieser TJebersicht das ganze erste
Kapitel als Probe des Werkes in treuer Uebersetzung zu geben
denke.
Bei der darauf versuchten Aufzählung und Unterscheidung
der vornehmsten Pflanzentheile vermissen wir freilich den rechten
Maassstab ihrer Würdigung. Die wichtigsten, die Geschlechtsorgane,
entgingen dem Verfasser ganz; und erkannte er auch^ wie
schon seine Vorgänger, die Bedeutung des Samens als Pflanzenei,
so blieb ihm doch das Verhältniss der Samen zur Blume wiewohl
er den flos superus und inferus zu unterscheiden wusste, —
vöUig unbekannt.
Besser gelingen ihm Kategorien für die Verschiedenheit der
sich entsprechenden Theile verschiedener Pflanzen, von denen er
zuerst die äussern, dann im zweiten Kapitel die innern nennt,
S a f t Fasern Adern Fleisch Holz Rinde und Mark.
Man muss sich hüten, hierbei an das zu denken, was wir mit
Hülfe des Mikroskops kennen lernten, und was uns nun schon sö
geläufig ward, dass wir Mühe haben uns in eine frühere Vorstellungsweise
zurück zu versetzen. Adern sollen unstreitig nach
Analogie mit dem thierischen Körper Saftkanäle sein, und da die
pfärbten sogenannten Milchsäfte bei den Pflanzen vorzugsweise
ins Auge fallen, und auf dem Durchschnitt eines Blatts am reichlichsten
da hervortreten, wo die stärksten Tracheenbündel liegen,
so nahm Theophrastos dergleichen Tracheenbündel geradezu für
Adern. Galt aber der Safterguss beim Durchschnitt als Kennzeichen
der Adern, so mussten natürlich auch die grossen Harzkanäle
der Nadelhölzer Adern sein.
Um zu ermitteln, was er F a s e r n {Iveg) nannte, müssen wir
auf Aristoteles zurückgehen, der bei den Thieren zweierlei Fasern
unterschied. Von der einen Art spricht er ausführlicher ^ und
1) Ar ist. de partib. animal. II, cap. 4. pag.
B u c h IL Kap. 2. §. 19. 161
sagt, sie befänden sich im Blut, dessen gerinnbaren Theil sie ausmachten.
Diese gehören nicht hierher. Die zweite Art stellt er
an einer andern Stelle*) zur Vergleichung neben die erste, und
sagt von diesen Fasern nur, sie hielten das Mittel zwischen den
(der Ernährung dienenden) Adern uud den (der Bewegung dienenden)
Sehnen oder Nerven —, denn beide verwechselte er noch
unter gemeinschaftlichem Namen. Einige dieser Sehnen, lügt er
noch hinzu, führten sogar Blutwasser {r/ojQ)^ An einer dritten
Stelle 2) sagt er, das Fleisch verbände sich mit den Knochen durch
zarte faserartige Bänder. Er fasste also schon im thierischen Körper
sehr verschiedene Theile, wie es scheint vornehmlich Milchgefässe
und feinere Sehnen oder Nerven, unter dem Namen Fasern
der zweiten Art zusammen, indem er sich einbilden mochte, dass
sie vorzugsweise aus seinen sogenannten Blutfasern entständen; was
Wunder, dass ein von Haus aus so verworrener Begriff bei derUebertragung
auf den Pflanzenkörper sich noch mehr verwirrete ? zusammenhängend,
spaltbar, gestreckt, ohne Seiten- und ohne Endkeim,
also ohne Verzweigung, beschreibt Theophrastos die Pflanzenf
a s e r n . Es ist wohl mehr als wahrscheinlich, dass er darunter
den Bast und die Tracheenbündel der Internodien und länoÖ^ eren
Blattstiele, in denen sich kein Milchsaft befand, verstand; aber bei
manchen Pflanzen nennt er auch den Mittelnerv und die Kippen
der Blätter eben so, und damit verschwindet für uns der Unterschied
seiner Adern und Fasern beinahe ganz. Denn das Milchsaftfuhren
und Anastomosiren, und das Nichtmilchsaftführen und
Mchtanastomosiren fallen bekanntlich keineswegs immer zusammen.
Doch ehe wir das tadeln, wollen wir uns erinnern, dass wir ungeachtet
unsrer anatomischen Kenntnisse in unsern Pflanzenbeschreibungen
noch immer von foliis nervosis und venosis sprechen,
acht theophrastisch, und ohne uns des Sinns dieser Ausdrücke
bewusst zu sein.
Im dritten Kapitel stellt Theophrastos das auf, was wir sein
1) Ar ist. histor, animal. III, cap. 6. pag. 515.
2) Ar ist. de partib. animal. II, cap. 9. pag. 654.
Meyer, Gesch. d. Botanik. I.
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