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384 B u c h IV. Kap. 2. §. 56.
niederwerfen. Die Wirkung dieses Verfahrens lasse sich an
Sträuchen (des Weinstocks) wahrnehmen, die dauerhafter würden,
wenn man den Stamm unten spähe, damit das Mark den überflüssigen
und krankhaften Saft ausströmen Lasse i). Das Holz
verschiedener Bäume, wie der Eiche Ulme Zypresse Pappel Fichte
und anderer besitze, je nach seiner elementaren BeschafFenheit,
verschiedene Vorzüge und Mängel. So sei das Fichtenholz, weil
es zumeist aus Luft und Feuer bestehe, leicht, und werde gleichwohl
unter Lasten wenig gekrümmt; doch wegen seiner grösseren
Wärme leide es vom Wurmfrass, und wegen seiner luftigen Beschaffenheit
fange es leicht Feuer. Die Eiche dagegen, reich an
erdigen Bestandtheilen, arm an Feuchtigkeit Luft und Feuer, hat
unter der Erde unverwüstliche Dauer; weil sie aber nicht porös
'^sondern so dicht ist, dass sie keine Feuchtigkeit in sich aufnehmen
kann, so fliehet sie dieselbe, wenn sie mit ihr in Berührung kommt,
und wirft sich. Die Speiseeiche (Q. Aesculus) hat wegen der
Gleichmässigkeit ihrer elementaren Bestandtheile als Bauholz
grosse Vorzüge; wird sie aber ins Feuchte gebracht, so nimmt
sie dieselbe vermöge ihrer Porosität leicht auf, verliert ihre Luft
und ihr Feuer, und leidet von der Nässe. Die Cerrus (Quercus
Cerris) die Korkeiche die Buche, unter deren Bestandtheilen die
Luft vorherrscht, nehmen daher die Feuchtigkeit tief in sich auf
und verderben leicht. — In solcher Weise wird ferner die Brauchbarkeit
der weissen und schwarzen Pappel der Weide der Linde
des Keuschbaums der Erle der Esche der Ulme der Hainbuche
der Zypresse der Pinie der Zeder des Wacholders und der
Lerchentanne nach damaligem Stande der Wissenschaft begründet;
zwar nach unsern Vorstellungen sehr verkehrt, doch wer bürgt
dafür, dass nicht nach abermals zwei tausend Jahren, was wir
jetzt für ausgemacht halten, eben so ungenügend erscheint?
Im z e h n t e n und letzen Kapitel des Buches wird auch noch
1) Das ist das schon von T h eOp h r a s t o s {U.ü. plant. 11, cap. 1 sect. 6)
empfohlene Mittel, Bäume fruchtbarer zu machen. Man soll den Stamm am
Grunde spalten, und einen Stein in den Spalt bringen.
Buch IV. Kap. 2. §. 56. 385
der Einfluss äusserer Verhältnisse auf die Beschaffenheit des
Bauholzes untersucht. Fichten von der Süd- und von der Nordseite
des Gebirgs besitzen sehr verschiedene Eigenschaften. Auch
diese sucht Vitruvius nach aristotelischen oder vielmehr demokritischen
Grundsätzen zu erklären.
Weniger Botanisches Hefern d ienächs t folgendenBücher ,
die der eigenthchen Baukunst gewidmet sind. Es wird erzählt,
wie eine Vase, zufällig über eine Akanthuspflanze gestellt, die
Erfindung des korinthischen Capitals veranlasst hätte (IV. cap. 1).
Die Verjüngung des Säulenschaftes nach oben zu wäre eine Nachahmung
der Natur; denn eben so verjünge sich nach dem Gipfel
zu der Stamm der Bäume (V, cap. 1), Bei den Dielen, welche
dem Estrich zur Unterlage dienen (VII, cap. 1), so wie bei der
Holzunterlage gewölbter Decken (ibid., cap. 3) kommt es vorzüglich
darauf an, Holz zu wählen, das sich nicht wirft; weshalb
nochmals die für jeden dieser Zwecke brauchbarsten Hölzer durchgegangen
werden. Zum Wölben werden, ausser schon genannten
Holzarten, vorzüglich auch Buchsbaum Oelbaum und Steineiche
empfohlen, und vor der gemeinen Eiche gewarnt. Ueber dem
Holzwerk wird am besten griechisches Rohr mit Bindfäden aus
spanischem Spartum (Stipa tenacissima) befestigt. In Ermangelung
des griechischen Rohrs soll man aus den nahen Sümpfen die
zartesten Halme auswählen. Das griechische Rohr war also zarter
(ob Saccharum Ravennae ?).
Im siebten Buch, nachdem das Berappen der Wände abgethan,
dehnt sich Vitruvius auch auf die Verzierung derselben
durch Malerei aus, und handelt umständlich von der Natur der
Farbestoife, vorzüghch der minerahschen, kürzer auch der vegetabihschen
(cap. 14), doch nur als Surrogate für die kostbareren
mineralischen. Purpur erzeuge man durch Färberröthe Kermes
(Hysginumi) oder auch Heidelbeeren, Gelb durch Violen, Grün
1) Sehr übereilt erklärt R o d e (in dem seiner Ausgabe des Vitruvius
angehängten Lexicon Vitruvianiim) Hysginum für Waid, wie schon daraus erhellt,
dass diese Pflanze wenige Zeilen weiter bei Vitruvius selbst unter ihren
Meyer, Gesch. d. Botanik. 1. 25