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72 B u c h 1. Kap. 2. §.11.
zugeschrieben, von dem wir noch weniger wissen als von Demokritos
selbst. Dass aber der kleine Diakosmos den Demokritos
zum Verfasser hatte, leidet keinen Zweifel. Von Fragmenten seiner
Schriften hat sich sehr wenig erhalten, und das meiste davon ist
wiederum zweifelhaft. Denn später wurden ihm viele seiner ganz
unwürdige Schriften betrüglicher Weise untergeschoben, von denen
wir das über den Landbau bereits kennen lernten i), und
später noch einige werden kennen lernen; sie galten lange für
ächt, und ihnen gehört ohne Zweifel ein grosser Theil der dem
Demokritos selbst zugeschriebenen Fragmente. Nirgends wäre
eine streng philologisch-historische Kritik nöthiger, und nirgends
fehlt sie mehr als hier.
Eine edle, reich begabte Natur, hohe Begeisterung für Wahrheit
und Wissenschaft, umfassende Kenntnisse und rastloses Forschen
lassen sich an Demokritos nicht verkennen, und selbst
Aristoteles, sein grösster Gegner, gesteht, wie er über Alles nachgedacht,
überall die eigentlichen und natürlichen Ursachen aufgesucht,
und manches früher Vernachlässigte festgestellt habe;
seine Philosophie aber war flacher Materialismus, Geist Leben
Bewegung jede Qualität der Dinge führte er zurück auf die
q u a n t i t a t i v e n Verhältnisse, die Grösse Gestalt und Lagerung
ewig unwandelbarer Atome, und nannte deren Verbindung und
Trennung bald Zuf a l l , in sofern er jede Zweckmässigkeit ablehnte,
bald N o t hwe n d i g k e i t , eine Verkettung von Ewigkeit her bestehender
Ursachen und Wirkungen. Hoher sittlicher Ernst leuchtet
aus vielen seiner Aussprüche hervor, und doch kannte er keinen
höhern Lebenszweck, kein höheres Gut, als den Gleichmuth der
Seele, den er freilich vom gemeinen Gefühl der Lust unterschied,
und durch Forschung nach dem Zusammenhang der Dinge erwerben
lehrte. Entschiedener Gottesleugner, war er zugleich. Erfinder
oder doch Vertheidiger eines theoretisch, wie es scheint,
sehr ausgebildeten Gespensterglaubens, indem er nach Sextus Em-
1) Siehe oben S. 17.
B u c h I. Kap. 2. §. 11. 73
piricus 0 behauptete, „gewisse Erscheinungen { SLSCOAU) kämen
zu den Menschen, theils wohlthätige, theils schadenbringende;
daher er wünschte, dass ihm nur glücklich gelooste zu Theil
werden möchten. Sie wären gross und ungeheuer und schwer
zerstörbar, doch nicht unzerstörbar. Durch ihr Erscheinen und
ihre Stimme deuteten sie den Menschen die Zukunft an." An der
Aechtheit dieser Stelle können wir nicht zweifeln, da sich schon
Cicero 2), zu dem die untergeschobenen Bücher noch nicht gekommen
zu sein scheinen, unverkennbar auf sie bezieht. Für uns
ist sie in sofern wichtig, als sie uns erkennen lässt, warum der
krasseste Aberglaube oder Betrug in Naturwissenschaft und Heilliunst
sich später so gern hinter den Namen des Demokritos versteckte.
So wenig wir sonst von seinen naturwissenschaftlichen Untersuchungen
wissen, so ist uns doch eine derselben, über die sinnlichen
Wahrnehmungen, aus des Theophrastos ausführlichen Berichten
ziemlich genau bekannt, und kann uns als Probe .seiner
Behandlung dienen. Vor allem zeigt sie, wie sehr er ins Besondere
einging mit steter Beziehung desselben aufs Allgemeine. Weniger
können uns freilich die Besonderheiten selbst befriedigen. Aus
Imgehgen, vielkantigen, spitzigen, hakenförmigen u. s. w. Atomen,
und deren verschiedener Grösse und Lagerung gegen einander
erklärt er die Verschiedenheit des Süssen Herben Scharfen u. s. w.,
die verschiedenen Farben und andere Eigenschaften der Dinge.
Die Wahrnehmung solcher Eigenschaften, Avie überhaupt alle Wirkung
der Dinge auf einander, führte er auf wechselseitige Ausströmuno
en und Einströmungen zurück,ö o und schrieb daher allem
ausser den Atomen Poren zu. Dabei war es ein Hauptsatz
1) SexL Empir, adversiis mathemat IX^ sect 19, pag, 552 sqq. edit. Fabricii.
Cicero de nat deor. cap. 43. Er nennt sie patria Democriti quam
Democrito digniora. Thrakien aber war das Vaterland orphischer Geheimnisse.
3) Theophr. de caus. pl VI, cap. 1. sect. 6, und de sens., was in rJiilippson
"YXri arS-^ojitCvr] mit dem Commentar zu vergleichen, üeber die
Farbenlehre des Demokritos ist besonders lehrreich Franti, Aristoteles über
die Farben. München, 1849. 8. S. 4 8 f f .
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