6 Buch L Kap. 1. §. 2.
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Namen, lässt sich also der Menge der volksthümlich durch eigene
Anschauung den Griechen bekannten Pflanzen nicht einmal zuzählen.
Etwas mehr Ausbeute liefern die hippokrat ischen Schriften,
von denen jedoch einige in ein weit späteres Zeitalter gehören.
In allen, ächten wie unächten zusammengenommen, zählte Dierbach
i) zwei hundert sechs und dreissig Pflanzen.
Die Bücher des Ar i s toteles von den Pflanzen gingen verloren,
und Hessen die specielle Botanik, wie es scheint, unberührt.
In denen seines Jüngern Zeitgenossen und Schülers Theophrastos
zählte Stackhouse 2), abgesehen von solchen Namen, die sich
nur orthographisch unterscheiden, und für reine Synonyme zu
halten sind, vier hundert fünf und fünfzig, unter denen jedoch,
wie auch unter den hippokratischen, mehrere fremden Pflanzen
angehören, deren Producte der Handel den Griechen zuführte,
ohne dass ihnen die Pflanzen selbst bekannt waren, oder die sie
ganz und gar nur aus historischer Ueberlieferung kannten. Die
übrigen dürfen wir ohne Zweifel als volksthümlich in Griechenland
betrachten. Denn weit entfernt, nach Art heutiger Anfänger in
der Botanik überall neue Pflanzen entdecken und als solche beschreiben
zu wollen, beschränkte sich Theophrastos durchaus auf
Betrachtungen über längst bekannte Pflanzen; und nicht einmal
1) Dierbach, J. H., die Arzneimittel des Hippohrates, oder Versuch einer
systematischen Aufzählung der in allen hippolratisehen Schriften vorkommenden Medikamenten
(sie!). Heidelberg, 1824. S.
2) StacJchouse, Joh., catalogus plantarum Theophrasti graeco-latinus, hinter
der Vorrede zum ersten Bande seiner Ausgabe der Historia plantarum des
Theophrastos in zwei Bänden, die 1813 und 1814 zu Oxford erschienen. —
Dazu im zweiten Bande die Plantae omissae in catalogo partis primae vel emendatae.
Cum notis.— Weder Schneider fügte seiner Ausgabe, noch Sprengel
seiner Uebersetzung desselben Werks ein Pflanzenverzeichniss bei. In dem
Index nominum graecorum plantarum cum interpretatione Sprengeiii, den Wimmer
seiner neuesten Ausgabe desselben Werks Vordrucken Hess, zählte ich nur
438 Pflanzen. Hier fehlen aber die Namen der Pflanzen, die Sprengel nicht
zu deuten wagte.
B u c h 1. Kap. 1. §. 2. ,
den Vorrath dieser erschöpfen zu wollen, lag in seinem Plan.
Aus der gemachten Angabe folgt daher nur, dass man zur Zeit
des Theophrastos oder auch schon kurz vor derselben mindestens
gegen fünf hundert Pflanzen kannte, nicht umgekehrt, mehr habe
man nicht gekannt. ^
Wohl bewässert, von Meerbusen und Gebirgen in allen Kichtungen
durchschnitten, überhaupt mannichfach gebildet wie kein
anderes europäisches Land, besitzt Griechenland eine reiche Flora.
S i b t h o r p s prodromus florae Graecae von 1806, das Resultat
einer flüchtigen Durchreise, enthält schon 2335 Pflanzenarten;
wie viel mehr derselben würden wir kennen, hätte nicht der Tod
unsern trefl'lichen Zuccarini an der Bearbeitung einer neuen
griechischen Flora verhindert, die er nach den Mittheilungen seines
Bruders und anderer Baiern, welche Jahre lang in Griechenland
gelebt, bearbeiten wollte! Sicher können wir den Gesammtreichthum
der griechischen Flora ohne die niedern Akotylen auf
3000 Arten schätzen. Der Grieche der alten Zeit lebte viel in
der Natur, j a im vertrautesten Umgange mit ihr; an Schärfe sinnlicher
wie geistiger Auffassung übertraf ihn keine Nation: wäre es
nicht wunderbar, wenn er für die ihn umgebenden Pflanzen nicht
noch weit mehr Sinn gehabt hätte, als des Theophrastos gar nicht
auf diesen Zweck gerichtete Ueberlieferungen erkennen lassen?
Noch jetzt finden wir unter uns, zumal in reicheren Gebirgsgegenden,
Hirten und Andere, die, ohne dazu jemals wissenschaftliche
Anleitung erhalten zu haben, die Heilkunde an Thieren
und Menschen üben, sich dazu vornehmlich der einheimischen
Pflanzen bedienen, und ihre Flora dem Aeussern nach besser
kennen wie mancher Botaniker. Sollte es deren nicht lange vor
Aristoteles und Theophrastos auch unter den Griechen gepben
haben? Indess besassen sie von den meisten Pflanzen, die sie
zu unterscheiden und zu nennen wussten, schwerlich mehr als
einen oberflächlichen Eindruck ihrer Gestalt Farbe Grösse ihres
Geruchs und Geschmacks, nebst geringer, mit Aberglauben vermischter
Kenntniss ihrer medicinischen Kräfte. Das für sich allein
war noch nicht einmal ein Anfang der Wissenschaft, doch war es