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wir; und um darüber nicht dem mindesten Zweifel Raum zu lassen,
beginnt er sein fünftes Buch mit folgenden Worten: „Ich habe von
denjenigen körperlichen liebeln gehandelt, denen am besten
d i e ganze L e b e n s a r t begegnet ; jetzt gehe ich zu dem Theil
derMedicin über, der mehr mit A r z n e imi t t e l n kämpft." —
„Vor allem muss man das wissen, dass alle Theile der Medicin
so verwebt sind, dass sie sich gar nicht ganz trennen lassen.
Auch der Theil, der durch die Lebensart einwirkt, wendet mitunter
em Arzneimittel an; der, welcher vorzugsM^eise mit Arzneimitteln
kämpft, muss auch die Lebensart zu Hülfe nehmen, die bei allen
körperlichen Uebeln von grossem Nutzen ist, u. s. w."
Weil aber bald nach Celsus die sogenannte Diätetik verdrängt
von der sogenannten Pharmakeutik (beide im Sinne der Griecheli
genommen) mehr und mehr in den Hintergrund trat, wie schon das
Werk des Scribonius Largus über die zusammengesetzten Arzneimittel
zeigt, das doch kaum fünfzig Jahr jünger als das des Celsus
ist; weil sich endlich die ganze Medicin nach und nach in ein Register
von Arzneindtteln und eins von Krankheiten, die auf einander
Bezug nahmen, auflöste: so dürfen wir uns nicht wundern, dass
bessere spätere Aerzte, die sich jenen alten Diätetikern anschlössen,
den Begriff der P h a rma k e u t i k auf das beschränkten, was
wir j e t z t Arzneimi t tel lehr e nennen, und was wir wenigstens
zur Hälfte streng genommen nur als Hülfswissenschaft der eigentlichen
Medicin betrachten können, indem die Naturgeschichte der
rohen ArzneistofFe mit der Medicin unmittelbar nichts zu schaffen hat.
Zum Theil scheint jedoch die Schuld des Missverständnisses,
als hätten schon Celsus und die frühern Griechen in Alexandrien
das Wort Pharmakeutik in der modernen Bedeutung gebraucht,
entweder auf Celsus selbst oder, was ich lieber glauben möchte,
auf seine Abschreiber zu fallen. Wir lesen nämlich in allen unsern
Ausgaben des Celsus in der Vorrede zum ersten Buch da, wo er
von der Eintheilung der Medicin in Diätetik Pharmakeutik und
Chirurgie auf die Behandlung des ersten der drei Theile übergeht:
„Quoniam^ autem ex tribus medicinae partibus ut diificillima sie
etiam clarissima est ea, quae morbi s medetur , ante omnia de
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hac dicendum est." Es ist sonnenklar, dass hier stehen sollte,
quae morbis vict u medetur. Denn nur dadurch wäre der diätetische
Theil der Medicin, der nun behandelt werden soll, der
früheren Unterscheidung gemäss bezeichnet. Wäre dagegen die
Diätetik, wie es in jenen Worten liegt, der Theil der Medicin,
welches überhaupt von den Krankheiten handelt: so könnte
man freilich die folgende Pharmakeutik nur noch als Arzneimittellehre
gelten lassen. Es ist auffallend, dass dieser handgreifliche
Fehler des Textes, gleichviel ob Celsus selbst oder seine Abschreiber
das ganz unerlässliche Wort aus Versehen ausgelassen,
noch keinen Verbesserer gefunden hat.
Aus diesen beiden Gründen, der Verderbniss jener Stelle bei
Celsus, und dem unglücksehgen Gange, den die Geschichte der
Medicin bald nach Beginn unsrer Zeitrechnung genommen, sind
sowohl Haller wie Sprengel zu entschuldigen, wenn sie sich von
dem tief eingewurzelten Vorurtheil, als hätte Pharmakeutik schon
bei den alexandrinischen Aerzten nur Arzneimittellehre bedeutet,
nicht los machen konnten.
Hallerl) drückt sich darüber so aus: „Um die Zeit des Herophilos
und Erasistratos theilte sich die Medicin in drei Disciplinen,
und von der Diätetik oder Kur der innern Krankheiten
trennten sich die Chirurgie und Pharmakie. Der Botanik war
diese Theilung günstig, indem die Pharmakopolen ihren Geist mit
ungetheilter Aufmerksamkeit weit schärfer auf die Kenntniss der
Pflanzen richteten, wie an denen, die ich jetzt nennen werde, erhellt.
Ich werde^E_eigeji,_ dass . die Pharmakopolen auch Rhizotomen
genannt wurden. Das aber schadete der Medicin, dass die
vorzüglichsten Aerzte die Pflanzenkunde vernachlässigten, und von
Quacksalbern bereitete Arzneien anwandten. In sofern nützte
auch das, als die Pflanzenkunde dadurch unter das Volk kam."
Hier sehen wir, wie aus der ersten schon genugsam erörterten
Verwechselung die zweite folgt, die der P h a rma k e u t e n , das
heisst der A e r z t e , welche vorzugsweise mit Medicamenten kämpf-
1) II all 67' hiblioth. boian, I ^ pag, 52 sq.
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