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42 B u c h I. Kap. 2. §• 7.
35. Ans Vielfachem, und jetzt ans demEinssein schied sich die Vielheit.
Zwiefach Sterblichem^) so der Entstand^), zwiefach das Vergängniss.
Nämlich den ersten erzeugt und zerstört die Versammelung Aller,
Aber das zweit' entfleucht machtlos, wenn sie wieder sich trennten-^),
Und nicht endet im Fluge der Zeit je solcherlei Wechsel,
40. Bald von der Liebe zusammengebracht wird alles zu Einem,
Bald dann wieder ein jedes zersprengt durch des Haders Verfolgung.
Doch wie sofort durch des Einen Zersplitterung werden die Vielen,
So auch werden sie nie theilhaftig beständiger Dauer;
Und wie im Fluge der Zeit nie endiget solcherlei Wechsel,
45. Also bestehn unverändert in sich sie den ewigen Kreislauf.
Auf! jetzt horche der Kunde; denn Trunkenheit steigert die
Sinne.
Denn wie ich sagte zuvor und erläuterte: Grenzen der Kunde
Doppelte nenn' ich. Denn jetzo verwuchs das Eins zum Alleinsein
Aus Vielfachem, und jetzt aus Einssein schied sich die Vielheit,
50. Feuer und Wasser und Erd' und des Himmels unendliche Höhe,
1) Sterblich, vergänglich, ist nach Empedoldes alles ausser den beiden
Grundkräften und den vier Wurzeln der Dinge. Im Original steht die Mehrzahl
Sterbliche, nämlich Dinge. Ich wählte die einfache Zahl, damit der
Leser nicht verleitet werde, nur an die Menschen zu denken, die Empedokles
freilich auch zu den sterblichen Dingen rechnet, und deren Seelen er nur
dadurch vor gänzlicher Vernichtung rettet, dass er mit Pythagoras Seelenwanderung
annimmt, von der Pflanze an bis zu den Göttern hinauf, welche
nach Verdienst oder Verschuldung in höhere oder geringere Wesen erfolgt.
2) Entstand und Vergängniss erlaubte ich mir zu sagen, um wenigstens
e i n männliches Wort zu gewinnen, damit in den folgenden Versen der Artikel
den Leser sogleich orientire, auf was sich das erste, das Entstehen, auf
was das andere, das Vergehen, sich beziehen soll.
3) Sobald sich die vier Wurzeln aus ihren Verbindungen trennten, und
wiederum zum Sphäros balleten, unterliegen sie welter keiner Zerstörung
mehr. An sich sind sie ewig: nur das durch Mischung aus ihnen Gßwordene
erleidet den Tod, die Entmischung.
4) Trunkenheit für Begeisterung, versteht sich von selbst.
B u c h l . Kap. 2. §.7. 43
Auch der verderbliche Hader abseits i) gleichwiegend in allem,
Auch in jenen die Liebe, sich gleich in dieLäng' und dieBreite 2).
Diese betrachte genau, nicht zagenden Blickes im Geist nur,
Sie, die den Sterblichen auch, wie man sagt, ursprünglich verleibt
ist,
55. Liebes dem Sinn einfiössend, und ähnliche Thaten bewirkend.
Freudeverkündigerin heisst bald sie, bald Aphrodite,
Deren Verschlingungen noch kein Sterblicher völlig erkannte
Jemals. Doch nun höre der Wort' untrüglichen Richtpfad:
Gleich sind jene zumal, und an Abkunft keins vor dem andern 3),
60. Obschon anderes wirkend ein jedes nach seiner Gewohnheit,
Und nach der Reih' obwaltend im wogendenKreise des Zeitstroms.
Auch ist nimmer Entstand bei diesen und nimmer Vergängniss,
Denn wenn sie jemals ganz aufhöreten, wären sie gar nicht
Und was könnte vermehren das All? woher sollt' es ihm kommen?
65. Oder wohin sich verlieren? Ist ihrer doch keins so vereinsamt.
Sondern dasselbige sind sie, doch unter einander gestürmet
Werden sie anderswo immer ein Anderes, ewig dieselben.
1) Im Sphäros werden >vir die Liebe im Mittelpunkt, den Hader an der
Oberfläche, also absei t s , finden, von wo aus er gleichwohl noch so gewaltig
auf alles einwirkt, dass er der Liebe liberall das Gleichgewicht halt.
Daraus erklärt sich auch das folgende in, d. h. innerhalb der vier Wurzeln.
2) Nämlich des Sphäros, den wir bei dieser ganzen Schilderung als
Gegensatz der aus ihm gebildeten, und in Ihn sich zurückbildenden Welt,
nie aus dem Sinn verlieren dürfen.
3) Keine der vier Wurzeln entspringt, wie Andere meinten, aus der andern.
4) Es war ein Hauptsatz, den die Eleaten den älteren lonikern entgegenstellten,
das wahre Sein schliesse jede Veränderung aus, es werde und vergehe
nicht; was entstehe und vergehe, dem fehle eben das wahre Sem. Diesen
Satz erkennt Empedokles an, unter andern sehr bestimmt in folgenden Versen:
Aus NichtSeiendem kann Etwas ohnmöglich entstehen,
Und dass ein Seiendes je aufhöre, das ist unausführbar.
Immerdar wird es bestehn, wohin immerdar jemand es stürze.
Er leugnete aber das von den Eleaten behauptete e inige Sein, indem er
zwei Grundkräfte und vier Wurzeln sein Hess. Daher der gleich folgende
Ausdruck, keins der Elemente sei so vereinsamt, dass es sich, wie ich erläuternd
hinzusetze, in eine Wüste verlieren könnte.
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