28 Buch I. Kap. 1. §. 4.
B u c h I. Kap. 1. §. 4. 29
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auf eine andre Weise viel natürlicher lösen lässt. Wäre Photios
ein älterer Schriftsteller, hätten die Symraorien zu seiner Zeit noch
existirt, so Mälrde, meine ich, jedermann die Schlussworte der angeführten
Stelle nicht mehr für Worte des Kleidemos, sondern für
einen Zusatz des Photios selbst halten. Wie nun, wenn er die
ganze Stelle nicht unmittelbar aus Kleidemos, sondern etwa aus
des Aristoteles Politica oder sonst einem untergegangenen Werk
früherer Zeit entlehnt hätte ? Dann könnten und müssten wir diesem
die Schlussworte zueignen, für des Kleidemos Alter verlören
sie alle Beweisskraft, und des Pausanias Ausspruch über sein Alter
behielte sein volles Eecht. Ist aber Hellanikos 496 geboren, und
ist die Atthis des Kleidemos älter als die seinige: so kann sie
sicher nicht jünger sein als 440, welches Jahr wir Grund fanden
als die muthmassliche Blüthezeit des angeblichen Philosophen Kleidemos
zu betrachten; kurz die Zeitrechnung nöthigt uns nicht,
den Historiker (denn einen Grammatiker dürfen wir ihn nicht
mehr nennen) und den vermeinten Philosophen für zwei verschiedene
Personen zu halten.
Eben so wenig Grund zu dieser Unterscheidung liegt in dem
wahrscheinlichen Inhalt der Schriften, welche Philippson dem einen
und dem andern zutheilen möchte. Gab es einen nur einigero
massen berühmten Philosophen Namens Kleidemos, ohne Zweifel
hätten ihn spätere Grammatiker, die uns so viele ganz unbedeutende
Philosophen nennen, doch auch einmal genannt; Aristoteles
selbst hätte ihn entweder öfter angeführt oder, wenn er ausser
einer falschen Vorstellung vom Blitz nichts Eigenthümliches bei
ihm fand, gar nicht. Er sagt aber: „Einige' ' hatten diese Meinung
vom Blitz, und unter diesen Einigen hebt er grade den
Kleidemos hervor. Ich folgere daraus, dass Kleidemos zwar kein
berühmter Philosoph, wohl aber ein durch Verdienste anderer Art
berühmter Mann war, dessen gelegentliche Aeusserung über den
Blitz darum Beachtung verdiente, weil sie in einem viel gelesenen
Werk, sei es in der Atthis, sei es in der Protogenie, oder sonst
wo stand. — Im Fragment des Theophrastos fällt die Kürze und
Lückenhaftigkeit auf, mit der sich Kleidemos im Vergleich mit den
a n d e r n Philosophen über sinnliche Wahrnehmung ausspricht. Auch
das bestärkt mich in der Vermuthung, er sei nicht eigentlich Philosoph
gewesen, obgleich er sich gelegentlich über philosophische
Gegenstände zu äussern liebte. Auch die Worte, mit denen Theophrastos
seinen Bericht über ihn schliesst, finde ich bezeichnend:
„nicht so wie Anaxagoras macht er zum allgemeinen Princip den
Geist.'' Ein Philosoph hätte, wenn er den Geist als Princip verwarf,
entweder ein oder mehrere andere Principe aufgestellt, was
Theophrastos anzuzeigen gewiss nicht unterlassen hätte: dem attischen
Historiker und Theologen geziemte und genügte die Verneinung
des einigen Geistes, der seine vaterländischen Götter zu
verdrängen Miene machte. Wie endlich alles, was ihm Theophrastos
in seinen botanischen Werken zuschreibt, in der Atthis,
im Exegeten u. s. w. gelegentlich Platz finden konnte, bedarf keiner
weiteren Erörterung.
Als drittes und letztes Moment füge ich hinzu, dass sich bei
den Alten auch nicht die leiseste Spur der Unterscheidung zweier
Kleidemen zu erkennen giebt. Das würde nichts sagen, wenn sie
sehr verschiedenen Zeiten angehörten; sie wären aber, wie ich gezeigt
zu haben glaube, falls sie verschieden wären, jedenfalls für
Zeitgenossen zu halten. Der Verfasser der Atthis war ein viel
berühmter Mann, unmöglich konnten daher Aristoteles und Theophrastos
einen unbedeutenden gleichzeitigen und gleichnamigen
Philosophen ohne irgend eine Unterscheidung von jenem einführen,
sondern sie hätten entweder sein Vaterland oder seines Vaters
Namen hinzugesetzt, oder wenigstens gesagt, Kleidemos der
Physiker. Nichts von dem allen lesen wir, und müssen uns überzeugen,
dass es nur Einen Kleidemos den Historiker gab, der nach
Anaxagoras, gleichzeitig mit dem Historiker Hellanikos, und vor
Diogenes Apolloniates lebte, und seinen historisch-theologischen
Werken bald philosophische bald botanisch-agronomische Bemerkungen
einzuflechten liebte.
Wie dürftig nun auch die in Vorstehendem zusammengetragenen
Nachrichten über die ältern griechischen Georgiker sind, so
viel lässt sich aus ihnen erkennen, dass der Landbau in Griechen