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eigen, denn nicht auf gleiche Weise verhäh, sich der Stellung nac..
das Oben und das Unten bei ihnen und bei den Thieren. Ungleich
verhält es sich dem Ganzen nach, der Function nach aber
gleich. Denn die Wurzeln sind für die Pflanzen das Oben, denn
von hier aus verbreitet sich die Nahrung bei den Gewächsen, und
mit ihnen nehmen sie dieselbe auf, wie die Thiere mit dem Munde.
Was aber nicht nur lebt, sondern auch Thier ist, bei dem waltet
das Vorn und das Hinten, denn alle Thiere haben Empfindung.
60. Dasselbe findet statt bei den Pflanzen und bei den Thieren.
Denn unter den Thieren sind die Männchen meist langlebiger.
Bei ihnen sind die obern Theile grösser als die untern, — denn
das Männchen ist zwergartiger als das Weibchen —; oben aber
ist das Warme, das Kalte unten; und auch bei den Pflanzen sind
die schwerköpfigen langlebiger, dergleichen sind aber nicht die
einjährigen, sondern die baumartigen. Denn das Oben und der
Kopf der Pflanze ist die Wurzel. Die einjährigen aber machen
ihre Frucht und haben ihr Wachsthum nach dem Unten zu (das
heisst, weil die Wurzel ihr Oben ist, der gewöhnlichen Stellung
gemäss nach oben zu). Doch darüber, und was dazu gehört, soll
in den Büchern von den Pflanzen gehandelt werden '
61. Ferner, da sich alle lebenden Körper nach dem Oben
und Unten unterscheiden, — denn alle, auch die Pflanzen, haben
das Oben und Unten —, so ist klar, dass sie das ernährende
Princip in der Mitte zwischen jenen haben müssen. Denn an
wdchem Theil die Nahrung eingeht, den nennen wir oben, indem
wir sie nach sich selbst, nicht bloss nach ihrer Umgebung betrachten;
unten dagegen, wohin ersteres den Ueberrest sendet.
Das verhält sich aber entgegengesetzt bei den Pflanzen und Thieren.
Bei dem Menschen wegen seiner aufrechten Stellung zeigt sich das
am deutlichsten, dass das sein Oben ist, was auch das Oben des
60) De Vita longa et hrevi cap. 6. pag. 467 a. Schüesst sich an den unter
Nr. 28 gegebenen Satz-,
a) Die letzten Worte hat Wimmer ausgelassen.
61) De juvmt. et senect. cap. 1. pag. 467 b. 468 a.
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Ganzen ist; bei den übrigen Thieren. hält es die Mitte; bei den
Pflanzen aber, welche unbeweglich sind, und ihre Nahrung aus
der Erde nehmen, muss dieser Theil nothwendig immer unten sein.
Denn es entsprechen einander die Wurzeln bei den Pflanzen und
bei den Thieren der sogenannte Mund, mit welchem jene ihre
Nahrung aus der Erde nehmen, diese woher sie wollen {öl" avzMv).
62. Mit Unrecht behauptete Empedokles, bei den Pflanzen
ginge das Wachsthum nach unten zu, wohin sie wurzeln, weil
dahin die Erde ihrer Natur nach getrieben würde; nach oben zu
in gleicher Art wegen des Feuers. Er nahm das Oben und das
Unten nicht ricJitig. Denn keineswegs ist das Oben und Unten
bei allen (einzelnen) Dingen und bei dem Weltall dasselbe, sondern
was bei den Thieren der Kopf, das sind bei den Pflanzen
die Wurzeln, wenn es ziemt die Organe nach ihren Functionen
verschieden oder gleich zu nennen.
63. Geht man allmälig weiter, so wird man gewahr, dass
auch bei den Pflanzen, was da entsteht, sich auf einen Zweck bezieht,
z. B. die Blätter zur Bedeckung der Frucht dasind. Wenn
also von Natur die Schwalbe ihr Nest, die Spinne ihr Gewebe
zweckmässig machen, ferner die Pflanzen ihre Blätter der Früchte
wegen, und die Wurzeln nicht oben sondern unten der Nahrung
wegen: so muss offenbar die Ursache davon in dem, was von
Natur ward und ist, selbst liegen. Und weil die Natur eine zwiefache
ist, einmal als Materie, das andremal als Form, letztre aber
ihr Zweck ist, so muss sie wohl die Ursache sein zu ihrem Zweck.
64. Alle Schalthiere haben gleich den Pflanzen den Kopf
unten. Die Ursache davon ist, dass sie ihre Nahrung von unten
aufnehmen, wie die Pflanzen mit den Wurzeln. Es zeigt sich also
bei ihnen, dass sie, was sonst unten ist, oben, und was sonst
oben, unten haben.
65. Wird die hebende Wärme geringer, das Erdige häufiger,
62) De anima / / , cap. 4. pag. 415 b.
63) Physic.- auscult. I I , cap. 8. pag, 199 a.
64) De partib. animal. IV, cap. 7. pag. 683 b.
65) Ibid. cap. 10. pag. 686 b.
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