138 Buch I. Kap. 2. §. 16. B u c h 1. Kap. 2. §. 16. 139
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nicht eher, als bis sie gleich den schon getrennten Leibesfrüchten
Nahrung einnehmen und das Werk einer solchen Seele verrichten;
denn anfangs scheint alles der Art ein Pfianzenleben zu führen.
129. Da Einige sagen, (der Same) komme aus dem ganzen
Körper, so müssen wir zunächst untersuchen, wie es sich damit
verhält Aus diesen vier Gründen suchen sie es wahrscheinlich
zu machen, dass der Same vom ganzen Körper ausgehe. Untersucht
man aber genauer, so wird das Gegentheil einleuchtend. .
Und von den Pflanzen gilt dasselbe. Denn offenbar müsste auch
bei ihnen der Same aus allen Theilen hervorgehen. Viele aber
haben manche Theile nicht; andere wurden ihnen vielleicht genommen,
und andere Avachsen nach. Auch geht von den Früchten
nichts ab, und doch entstehen auch diese in derselben Gestalt.
130. Ferner gebären einige Thiere nach einer einzigen Beiwohnung
viele (Junge), die Pflanzen aber sämmtlich; denn es ist
klar, dass sie in Folgen einer einzigen Anregung {xLvijaecog) alle
Früchte des Jahrs tragen. Wie wäre das möglich, wenn der
Same aus der ganzen Pflanze käme? Denn nothwendig entsteht
nur Eine Ausscheidung aus Einer Beiwohnung und Einer Wiedertrennung
{?xal fAiäg dia'AQiaecüg), welche im Uterus nicht weiter
getheilt werden kann; denn die Absonderung erfolgt wie von einem
neuen Gewächs oder Thier, nicht wie vom Samen. Auch f ragen
die von der Pflanze gemachten Stecklinge Samen, woraus folgt,
dass sie schon vor dem Ablegen ihre Frucht aus ihrem eigenen
Volumen trugen, und der Same nicht von der ganzen Pflanze
ausging,
131. Die Ausscheidung des Samens erfolgt bei Allen wie
die jeder andern Secretion. Jede wird an ihren eigenen Platz
getrieben, nicht durch die Kraft der Luft oder einer andern
zwingenden Ursache der Art, wie wenn jemand sagte, bei
129) De generat. animal. /, cap. 17.-18. pag. 721
130) Ihid. 1, cap. 18. pag. 723 h.
131) Ihid. I, cap. 4, pag. 737 b. 738 a.
722 a.
den Pflanzen würden die Samen durch die Luft jedesmal an dem
Ort ausgeschieden, an welchem sie die Frucht zu tragen pflegen.
132. Die unvollendeten (Thiere) legen die Eier wie die
Fische; denn ausserhalb werden die der Fische vollendet, und
nehmen zu, indem sie sehr fruchtbar sind, und dies Werk bei
ihnen so wie bei den Pflanzen ist. Brächten sie die Eier in
sich selbst zur Vollendung, so könnten es der Menge nach nur
wenige sein. Nun aber vermögen sie so viele (zu legen), dass
alles an ihnen Gebärmutter zu sein scheint , wenigstens an den
kleinen Fischen. Denn diese sind die fruchtbarsten, wie das auch
bei Andern der Fall ist, die eine diesen ähnliche Natur haben,
sowohl unter den Pflanzen, wie unter den Thieren. Denn das
Wachsthum in die Grösse kehrt sich bei ihnen dem Samen zu.
133. Bei vielen Thieren und Pflanzen so wie Gattungen im
Vergleich mit andern Gattungen zeigt sich hierin (in der Samenbildung)
ein Unterschied, ja auch bei gleichartigen derselben Gattung
im Vergleich unter einander, z. B. zwischen Mensch und
Mensch, Weinstock und Weinstock. Einige sind vielsamig, andere
armsamig, andere ganz ohne Samen, und zwar nicht aus
Schwäche, sondern bei einigen grade umgekehrt, weil alles auf
den Körper verwandt wird. So ist es bei einigen Menschen.
Sind sie wohl genährt, fleischig oder etwas fett, so sondern sie
weniger Samen aus, und verlangen um so weniger nach den Werken
der Liebe. Diesem Zustande gleicht auch die Krankheit der
Weinstöcke, die man das Böcken nennt. Wegen der Nahrung
13J) De generat. animal. I, cap. 8. pag. 718 b.
a) Die Worte lauten in der Bekkerschen Ausgabe ohne Varianten:
äaxs ^oxelv ojov dvai zi^v iaxiQav h.aziqav, und geben entweder gar keinen
oder, wenn man ihn erzwingen will, keinen passenden Sinn. Lesen wir aber
olov statt 0)0V, — eine gar bescheidene Veränderung, wie mich dünkt, so
wird alles klar, und wir erhalten ein Wortspiel. Da vöiSQa, die Gebärmutter,
ursprünglich der hintere Theil heisst, so kann vötäqa sy.areQcc, wörtlich ein
Hinterer an beiden Enden, nur so viel heissen, wie eine Gebärmutter, die
von hinten bis vor durch das ganze Thier geht.
133) De generat. animal, /, cap. 18. pag. 725 b, — 726 a.
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