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 24.  Auch  die  Pflanzen  leben  getheilt  offenbar  fort,  und  von  
 den  Thieren  einige  Insecten,  als  hätten  sie  der  Art,  wenn  auch  
 nicht  der  Zahl  nach,  noch  dieselbe  Seele.  
 25.  Wie  unter  den  Pflanzen  einige  getheilt  und  von  einander  
 getrennt  offenbar  fortleben,  indem  bei  ihnen  der  Entelechie  nach  
 die  Seele  in  jeder  Pflanze  nur  einfach,  der Möglichkeit  nach  aber  
 mehrfach  ist:  so  sehen  wir  es  auch  bei  einer  andern  Theilung  der  
 Seele  an  den  Insecten,  wenn  man  sie  durchschneidet.  
 26.  Das  Princip  der  ernährenden  Seele  ist  offenbar  sowohl  
 der Wahrnehmung  nach,  wie  auch  aus  Verstandesgründen,  in  dem  
 mittlem  der  drei  Theile  (des  voll  ausgebildeten  Thiers).  Denn  
 viele  Thiere,  wenn  man  ihnen  den  einen  oder  andern  jener  Theile  
 nimmt,  entweder  den,  welcher  Kopf  genannt  wird,  oder  den,  
 welcher  die Nahrung  in  sich  aufnimmt,  leben  fort  mit  dem,  woran  
 der  mittlere  Theil  blieb.  So  verhält  es  sich  augenscheinlich  bei  
 den  Insecten,  z.  B.  bei  den  Wespen  und  Bienen.  Und  auch  von  
 den  nicht  eingekerbten  Thieren  können  viele  .vermöge  des  Ernährenden  
 zerschnitten  fortleben;  denn  sie  haben  diesen  Theil  
 (der  Seele)  in  Wirklichkeit  einfach,  der  Möglichkeit  nach  aber  
 mehrfach,  indem  sie  eben  so  verschmolzen  sind  wie  die  Pflanzen.  
 Denn  auch  die  Pflanzen,  wenn  man  sie  theilt,  leben  getrennt  fort,  
 und  aus  einem  Anfange  werden  viele  Bäume.  Aus  welchem  Grunde  
 aber  manche  Pflanzen  getheilt  nicht  fortleben  können,  andere  sich  
 durch  Stecklinge  vermehren  lassen,  wollen  wir  an  einem  andern  
 Ort  untersuchen.  Auch  hierin  verhalten  sich  die  Pflanzen  auf  
 gleiche  Art  wie  die  Insecten;  die  ernährende  Seele  muss  auch  bei  
 ihnen  in  Wirklichkeit  zwar  einfach,  jedoch  der  Möglichkeit  na'ch  
 mehrfach  sein.  Eben  so  auch  die  empfindende  Seele;  denn  Empfindung  
 haben  offenbar  die,  getrennten  Theile.  Doch  sich  in  
 ihrer  Natur  erhalten  können  nur  die  Pflanzen,  jene  nicht,  indem  
 sie  die  zur  Erhaltung  erforderlichen  Organe  nicht  haben,  und  einige  
 24)  De  anima  I,  cap.  9.  pag.  Hl  h.  
 25)  Ibid.  II,  cap.  2.  pag.  413, b.  
 26)  De  juvent.  et  senect.  cap.  2.  pag.  468 a.  b.  
 des  die  Nahrung  ergreifenden,  andere  des  sie  in  sich  aufnehmenden  
 Organs,  andere  anderer,  oder  jener  beiden  ermangeln.  
 27.  Eingekerbt  zu  sein,  ist  ihnen  nothwendig;  denn  das  
 waltet  vor  in  ihrem  Wesen,  viele  Principien  zu  haben,  und  darin  
 gleichen  sie  den  Pflanzen,  können  auch  gleich  diesen  getrennt  
 'ortleben,  doch  jene'  nur  für  eine  Weile,  diese  dagegen  werden  
 ihrer  Natur  nach  wieder  vollständig,  und  der  Zahl  nach  aus  einer  
 zwei  oder  mehrere.  
 28.  Die  Pflanzen  gleichen,  wie  gesagt  den  Insecten,  getrennt  
 leben  sie  fort,  und  aus  Einer  werden  zwei  oder  mehrere.  Allein  
 die  Insecten  bringen  es  zwar  bis  zum  Fortleben,  doch  nicht  auf  
 lange  Zeit;  denn  das  in  jedem  befindliche  Princip  hat  keine  Organe, 
   und  kann  sich  dieselben  nicht  bilden.  Das  in  der  Pflanze  
 befindliche  dagegen  vermag  das,  denn  diese  hat  der  Möglichkeit  
 nach  überall  die Wurzel  und  den  Stengel.  Daher  kommen  an  ihr  
 stets  junge  und  ältere  Triebe  vor,  die  sich,  weil  sie  langlebig  sind,  
 wenig  unterscheiden.  Eben  so  die  Stecklinge;  denn  auch  beim  
 Stecken,  könnte  man  gewissermassen  sagen,  finde  dasselbe  statt,  
 da  das  Gresteckte  doch  nur  irgend  ein  Theil  ist.  Was  aber  beim  
 Stecken  an  getrennten  Theilen,  das  findet  dort  am  Zusammenhängenden  
 statt.  Der  Grrund  davon  ist,  dass  das  der  Möglichkeit  
 nach  seiende  Princip  überall  waltet.  
 29.  In  Betreff  der  Ortsbewegung  ist  zu  untersuchen,  was  
 denn  das  Thier  zur  fortschreitenden  Bewegung  bestimmt.  Dass  
 nicht  etwa  die  ernährende  Kraft,  ist  klar;  denn  diese  Bewegung  
 erfolgt  stets  wegen  etwas,  sei  es  eine  Vorstellung  oder  ein  Verangen, 
   und  kein  Thier,  was  nicht  Verlangen  oder  Abscheu  hat,  
 oewegt  sich  ohne  Zwang,  Auch  würden  sonst  die  Pflanzen  beweghch  
 sein,  und  irgend  ein  Organ  der  Bewegung  haben.  
 30.  Nach  dem,  was  früher  in  andern  Schriften  über  die  so- 
 27)  De  partib.  animal.  /F,  cap.  6.  pag.  682  b.  
 28)  De  vita  longa  et  brevi  cap.  6.  pag.  467  a.  
 29)  De  anima  III,  cap.  9.  pag.  432  b.  
 30)  De  somno  et  vigii.  cap.  1.  pag.  454  a.