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zum neunzehnten Buch benutzten Schriftsteller ausweist, in lateinischer
Sprache geschrieben. Titel und Zueignung könnten
verleiten, das Werk für ein Gedicht zu halten, gleichsam einen
Nachtrag zu des Virgilius Geórgica; allein das tiefe Schweigen
der fleissigen Commentatoren dieses Werks über jenes, wie auch
des Columella, der sein Gedicht über den Gartenbau gradezu als
Fortsetzung der Geórgica des Virgilius ankündigt, steht dem entgegen,
und was Plinius aus dem Werke mittheilt, ist zu unbedeutend,
um irgend eine Vermuthung über Form und weitem Inhalt
zu gestatten. Er sagt nur, nach Sabinus Tiro im Buch der
Cepurica, welches er dem Mäcenas gewidmet, sei es unvortheilhaft,
die Raute die Cunila (Satureja Thymbra?^) die Minze und
das Ocimum (Basilicum 2) mit Eisen zu berühren 3).
Das Bemerkenswerthe dabei bleibt immer, dass der Gartenbau
in der römischen Literatur schon so früh wenigstens Einen,
vielleicht gar mehrere besondere Vertreter fand, obgleich ihn auch
die Landwirthe keineswegs vernachlässigten, und dass die römische
Literatur die griechische in diesem Zweige an Reichthum
sogar überboten zu haben scheint. In dem Verzeichnisse der
Schriftsteller, welche Plinius zu seinem neunzehnten Buch, welches
vom Gartenbau handelt, benutzt hatte, finden wir neunzehn einheimische
gegen nur sechs griechische genannt, während sonst die
Menge der letztern beträchtlich zu überwiegen pflegt; und unter
den sechs Griechen hatte vermuthlich kein einziger, unter den
neunzehn Römern hatten mindestens noch drei, C ä s emius , Cas
t r i t i u s und F i rmu s sonst ganz unbekannte Personen, Cepu-
1) Das ist die gewöhnliche Interpretation. Doch verdient bemerkt zu
^verden, dass nach Bertoloni (ßor. liaL VT^ parj, 53) gegenwärtig Safnreja
hortensis den Namen Cunilia oder Coniella führt.
2) Dasselbe behauptet schon Cat o von dem Futterkraut Ocim^nn,
Liess sich Tiro etwa durch die Gleichheit des Namens verleiten? Denn
dass er in seinem Gartenbuch von jenem Futterkraut gehandelt, ist doch
nicht wahrscheinlich.
3) Auf den Sabinos, von dem uns Oribasios ein längeres Fragment
erhielt, und von dem Haller meint, er wäre vielleicht mit dem Sabinus
Tiro identischj werde ich später Buch VI, §. ?1 zurückkommen.
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r i c a , das heisst Gartenbücher geschrieben. Auch Athenäos, bei
dem fast ein halbes Hundert griechischer Schriftsteller über Kochkunst
und verwandte Gegenstände vorkommt, dem es also nicht an
Veranlassung fehlte, der Gartenschriftsteller zu gedenken, citirt nach
dem von Dalechamp verfertigten Verzeichniss der bei ihm vorkommenden
Schriftsteller neben sechs griechischen Georgikern nur einen einzigen,
den Eudernos Athenäos^), der über Gemüse geschrieben.
Ja sogar noch in der weit späteren Sammlung der
Geoponika, welche vorzugsweise aus griechischen Schriftstellern
zusammengetragen ist, und dem Gartenbau drei ganze Bücher,
das 10. 11. und 12. gewidmet hat, kommt nur ein einziger vor,
der besonders über Gartenkunst geschrieben, nämlich Nestor,
der Dichter des A l exikepos oder Heilgartens 2).
Eine gewisse Vernachlässigung dieses Zweiges der Literatur
von Seiten der sonst so schreibseligen Griechen ist also Thatsache;
und keineswegs vom eigentlichen Griechenland, sondern
von Kleinasien, namentlich Kilikien aus über Gross-Griechenland
(Unter-Italien) scheint die feinere Gartenkunst zu den Römern
gelangt zu sein. Schon Virgilius^) preist einen Greis aus Korykos
in Kilikien, den er bei Tarentum in Unteritalien sah, als vorzüglichen
Gärtner,
„der verlassenes Landes
Wenige Juger besass, und nicht einträglich dem Pflugstier,
Noch anlockende Weide dem Vieh, noch gefällig dem Bacchus.
Doch weitzeilig Gemüs' in dem Dornwall, rings auch mit weissen
Lilien, heilige Grün', und zehrendem Mohne sich pflanzend.
Dünkt er sich reich wie Fürsten an Muth, und in späterer Dämmrung
Kehrend belud er den Tisch mit unerkauften Gerichten.
Kosen im Frühling brach er zuerst, und im lierbste die Baumfrucht;
Und wann noch durch Frost der traurige Winter die Felsen
Spaltete, noch mit Eise den Lauf anhielt der Gewässer,
1) Athenaei deipnosophist, IX^ cap> 2, pccg. 260 E, et 371 wo vom
Kohl drei, vom Mangold vier Sorten unterschieden werden.
2) G eoponic, XII^ cap. 16.
3) Virgil, (jeorgic, IVj ver.% 127 sqq.^ nach der üebersetzung von Vogg,
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