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Uebersetzer zur Last, der den lateinischen nicht verstand. Wie
wenig dieser den arabischen verstanden, geht schon aus der Menge
arabischer Worte, die er unübersetzt in seinen Text aufnahm, hervor;
und Avie oft der Araber oder Syrer das griechische Original
missverstanden haben mag, lässt sich denken. Demungeachtet
bleibt das Werk auch trotz seiner Mängel, auch in der Entstellung,
in der wir es nur noch besitzen, ein Monument einzig in seiner
Art. In den fast anderthalb tausend Jahren von Theophrastos
bis auf Albert den Grossen, der es seinem unschätzbaren Pflanzenwerk
zum Grunde legte, ist es das einzige über Physiologie der
Pflanze. Erst stoischer Rigorismus, später christlich theologischer
Glaubenseifer, verdrängten den Geist peripatetischer Forschung.
Ueber die Gründe und den Zusammenhang der Dinge nachzudenken,
galt für einen Luxus des Verstandes, ja für Gottlosigkeit.
Dieser trostlosen Richtung, wenn auch mit unzulänglicher Kraft,
wenn auch nur auf dem beschränkten Gebiet der Botanik, allein
entgegengetreten zu sein, bleibt stets ehrenvoll und des Danks der
Nachwelt werth, nicht zu gedenken des Einflusses, den es später
durch Albert den Grossen auf die Wiedergeburt der Botanik
ausübte.
Und nun schliesslich einiges zur Probe aus der Schrift selbst.
Wo ich dabei von dem Text, den ich in meiner Ausgabe lieferte,
abweiche, geschieht es auf Auctorität jener alten Ausgabe des
Gregorius de Gregoriis, deren ich damals ermangelte, und deren
Werth mein Recensent Herr Thomas mit Recht geltend machte,
wenn auch vielleicht ein wenig zu hoch anschlug.
A u s des Nikolaos Damaskenos zwei Bücher n von den
P f l a n z en.
B u c h I, Kapi t e l 1. — „Leben Avaltet in den Thieren und
in den Pflanzen; in jenen deutlich und unverkennbar, in diesen
verborgen und nicht so entschieden. Um es auch bei diesen erkennen
zu lassen, ist eine weitläuftige Untersuchung nöthig. Denn
es steht nicht fest (nec constat enim. Greg.)? ob die Pflanzen eine
Seele und das Vermögen, Schmerz und Freude zu unterscheiden,
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besitzen oder nicht. Anaxagoras und Empedokles (Abrucalis) sagen,
sie Avürden vom Verlangen bewegt, sie empfänden auch, betrübten
und freueten sich. Ja Anaxagoras behauptet, sie wären
Thiere, die Freude und Schmerz empfänden, indem er sich auf
die Biegungen (ich lese flexus statt fluxus) der Blätter beruft.
Empedokles aber meint, die Geschlechter wären in ihnen vermischt.
Piaton sagt nur, sie besässen Verlangen, Avegen des heftigen
Bedürfnisses der Nahrung. Stände das fest, so würde daraus
folijen, dass sie sich auch freueten und betrübten, und dass sie t
empfänden. Zweifelhaft erseheint auch, ob sie vom Schlaf erquickt,
durch Wachen aufgeregt werden, ob sie athmen, und ob sie Geschlechtlichkeit
mit vermischten Geschlechtern besitzen oder nicht.
So viele Zweifel machen eine lange Untersuchung nöthig. Doch
die wollen wir übergehen, und nicht das Einzelne weitläufig erörtern.
Einige sagten aber, die Pflanzen hätten Seelen, weil sie
sahen, dass dieselben erzeugt und ernährt w^erden, wachsen,- in
der Jugend grünen, und im Alter sich auflösen, indem nichts Unbeseeltes
diese Eigenschaften mit den Pflanzen theilt. Da sie
dieselben aber besitzen, so hielten sie dafür, dass sich die Pflanzen
auch vom Verlangen bestimmen Hessen."
K a p i t e l 2. — „Zuerst wollen wir nun das Offenbare, sodann
das Verborgene untersuchen. Piaton sagt, was Speise zu
sich nimmt, das verlangt nach Speise, freuet sich der Sättigung,
und betrübt sich, wenn es hungert; und diese AiFectionen finden
nicht statt ohne Empfindung. So schloss dieser Bewunderungswürdige,
wenn er meinte, sie besässen Empfindung und Verlangen.
Anaxagoras aber und Demokritos und Empedokles legten ihnen
sogar Verstand und Einsicht bei. Wir jedoch, dies als schimpflich
zurückweisend, wollen bei der gesunden Meinung stehen bleiben
und sagen, dass den Pflanzen weder Empfindung noch Verlangen
zukommt. Denn Verlangen geht nur aus Empfindung hervor, und
das Ziel unseres Wollens bestimmt sich nach der Empfindung.
Bei den Pflanzen finden wir aber weder Empfindung, noch ein
Sinnesorgan, noch etwas dem Aehnliches, noch eine bestimmte
Gestalt, noch ein Verfolgen der Dinge, noch Bewegung (überhaupt),
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