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118 B u c h IL Kap. 1. §. 16.
VIL Von der Ernährung der Pflanzen.
74. Da nichts ernährt wird, Avas nicht am Leben Theil hat,
so mag das Beseelte ein sich ernährender Körper sein, in so fern
er beseelt^ ist, so dass die Nahrung wesentlich für das Beseelte
ist, und nicht als iiebenbestimmung. Es ist aber ein Unterschied,
zur Nahrung zu sein, oder zum Wachsthum. Denn in sofern das
Ernährende ein gewisses Quantum ist, macht es das Beseelte
wachsen, in sofern es .aber eben dies und das Wesen ist, ernährt
es. Denn es unterhält das Wesen (dessen, was es ernährt),
es ist so lange, als dasselbe ernährt wird, und bewirkt die Entstehung,
nicht des Ernährten, aber wohl eines demselben Gleichen;
denn es ist sogar selbst das Wesen. Doch nichts erzeugt sich
selbst, sondern es erhält sich nur. Demnach ist ein solches Princip
der Seele eine Kraft das zu erhalten, was ein solches Princip
hat; die Nahrung aber macht es zum Wirken geschickt, daher
ohne Nahrung nichts zu sein vermag. Da ihrer aber drei sind,
das Ernährte, das, wodurch es ernährt wird, und das Ernährende:
so ist das Ernährende die erste Seele, das Ernährte der sie habende
Körper, und das, wodurch er ernährt wird, die Nahrung. Da es
aber angemessen ist, alles nach seinem Zweck zu benennen, der
Zweck aber seinesgleichen zu erzeugen ist: so mag die erste Seele
das seinesgleichen Erzeugende heissen. Das, wodurch ernährt
wird, ist abei: ein zwiefaches, gleichwie das, wodurch man steuert,
die Hand und das Steuerruder, so hier bei einigen das Bewegende
und das Bewegte, bei andern nur das Bewegende^). Eür alle
Nahrung-ist aber nothwendig, dass sie gar gemacht werden könne;
das Garmachen aber bewirkt die Wärme; folglich hat alles Beseelte
Wärme.
75. Alle gemischte Körper, wie viel deren sich um den Mittelpunkt
(das heisst, auf der Erde) befinden, sind zusammengesetzt
74) De anima II, cap, 4. pag. 416 h.
a) Diesen Satz hat Wimmer ausgelassen;
75) De general, et corrupt. II, cap. 8. pag. 3S4b. und 335 a.
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aus allen einfachen Körpern. Die Erde waltet in allen, weil jeder
der einfachen Körper an seinem eigenen Ort am meisten und
häufigsten ist; das Wasser, weil das Zusammengesetzte fixirt werden
muss, unter den einfachen Körpern aber nur das Wasser
zum Eixiren geeignet ist, auch weil die Erde - ohne Feuchtigkeit
nicht zusammen bleiben kann, sondern jene sie zusammenhält;
denn wenn das Feuchte ganz aus ihr entweicht, so zerfällt sie.
Aus diesen Ursachen walten die Erde und das Wasser; die Luft
aber und das Feuer,^ weil sie der Erde und dem Wasser entgegengesetzt
sind. Die Erde ist der Luft, das Wasser dem Feuer entgegengesetzt,
so weit ein Wesen dem andern Wesen entgegengesetzt
sein kann. Wenn nun die Erzeugungen aus Entgegengesetztem
erfolgen, und die Einen Aeussersten der Gegensätze
worin walten, so müssen nothwendig auch die andern darin walten,
so dass sich in jedem Zusammengesetzten alle vier einfachen Körper
befinden. Dasselbe scheint auch eines jeden Nahrung zu bezeugen.
Alles ernährt sich von dem, woraus es besteht, und alles
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ernährt sich von mehrerem; auch was sich nur von Einem zu
nähren scheint, wie die Pflanzen von Wasser, ernährt sich von
mehrerem; denn Erde ist mit dem Wasser vermischt. Daher auch
die Landleute mit Mischungen (oder wie Wimmer liest: mit zugemischtem
Dünger) zu begiessen pflegen.
76. Dass die verschiedenen Arten des Geschmacks Erleidungen
oder Beraubungen nicht alles Trockenen, sondern nur
des Ernährenden sind, lässt sich daraus abnehmen, däss weder
Trockenes ohne Feuchtes noch Feuchtes ohne Trockenes ist.
Keins davon für sich allein, sondern nur Gemischtes giebt den
Thieren (oder auch selbst den Pflanzen, nach einer andern Lesart)
Nahrung. Und es ist der von den Thieren eingenommenen
Nahrung eigenthümlich, dass diejenigen unter den sinnhchen
Dingen, die durch Berührung (der Zunge) wirken, das Wachsthum
und die Abnahme bewirken. Die Ursache davon ist die
damit eingenommene Wärme und Kälte, denn diese bewirken das
76) De sensu et sensibil. cap. 4. pag. 441b.