370 Bu c h IV. Kap. 1. §. 53.
§. r)3.
P u b l i u s Virgilius (Vergilius) Maro.
Dieses Dichters Leben ist von seiner bis auf unsere Zeit so
oft und ausführlich beschrieben i), und gewiss den meisten meiner
Leser noch von der Schule her in seinen Hauptzügen so bekannt,
dass für unsern Zweck wenige chronologische Bestimmungen genügen.
Den 15. October 70 v. Chr. zu Andes bei Mantua auf
seines Vaters ländhcher Besitzung geboren, und daselbst erzogen,
führte er unter dem Schutz mächtiger Freunde und des Kaiser
Auo- ustus selbst, dessen Grünst ihm sein dichterisches Talent erwarb,
ein ruhiges Leben, verbrachte seine späteren Jahre meist
in Unteritalien und starb, kaum von einem Ausfluge nach Athen
zurückgekehrt, zu Brundisium in Calabrien den 22. September 19
V. Chr. im noch nicht vollendeten ein und fünfzigsten Jahre seines
Lebens.
Schon seine Bucól i c a sind reich an Beziehungen auf itahänische
Pflanzennatur; was ihm aber vor allem hier seine Stelle
giebt, ist sein Meisterwerk, die Geórgi ca, eine poetische Schilderung
der Landwirthschaft in vier Gesängen. Dass auch in den
zwölf Büchern der A ene ide einige Pflanzen vorkommen, die in
jenen Gedichten fehlen, sei uns eine willkommne Zugabe zu dem
von Virgilius uns überlieferten Schatz botanischer Kenntnisse.
Das Hauptwerk für uns, die G e ó r g i c a , begann der Dichter
um das Jahr o7 v. Chr. und 35 erschien der erste Gesang, der
zweite gegen 30. Um dieselbe Zeit setzen die Grammatiker, die
sein Leben beschrieben oder seine Werke erklärten, die Vollendung
des ganzen Werks, ungeachtet der Beziehungen auf spätere Ereignisse
aus den Jahren 30 bis 20 v. Chr. im dritten Gesänge
Vers 26 fF. und am Schluss des vierten. Zur Hebung dieses Wider-
1) Eine Biographie des Dichters, sei es ein Abdruck der des Tiberius
C l a u d i u s Donatus oder eine neue Bearbeitung, oder beides, steht fast
vor jeder grösseren Ausgabe seiner AVerkc«. Vergl. Bähr Geschichte der römisehen
Literatur I, S. 22.3 die Anmerkimg *).
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spruchs erklärte man die erste Stelle für eine zufällig eingetroffene
dichterische Vision, die zweite für einen fremden Zusatz. Der
scharfsinnigste und geschmackvollste aller Ausleger des Dichters,
unser Johann Heinrich Voss, fand eine bessere Lösung. Er
zeigte die UnStatthaftigkeit der vorausgesetzten Weissagung und
rechtfertigte glänzend die angefochtene Stelle; die Angabe der
Grammatiker bezog er auf eine frühere Vorlesung, auch wohl Mittheilung
der beiden letzten Gesänge in ihrer ersten unvollendeten
Gestalt, berief sich dabei auf die Aussage derselben Grammatiker,
dass das Gedicht spätere Ausbesserungen erfahren habe, und setzte
den Abschluss desselben kurz vor des Dichters Tod^).
Da die Aeneide im Grunde nicht hierher gehört, so beschränke
ich mich auf Angabe der beiden Ausgaben der Bucólica
und Geórgica, welche für den Botaniker die wichtigsten sind.
V i r g i l i i georgicorum libri IV. The georgics of Virgi l . With
an english translation and notes by J. Martyn. London
1741. 4.
V i r g i l i i bucolicorum eclogae X. The bucolics of Virgil.
With an english translation and notes by J. Martyn. London
1749. 4,
Beide Werke wurden öfter, auch in 8., wieder abgedruckt. John
M a r t y n war Arzt und Professor der Botanik zu Cambridge, der
Freund Sherard's, Sloane's und unsres Dillenius, der erste, der
seine Landsleute mit Linne's Arbeiten bekannt machte-), und der
ex'ste, der zur Erläuterung unsres Dichters gründliche botanische
und ökonomische Kenntnisse mitbrachte.
D e s Publius Virgilius Maro ländHche Gedichte. Uebersetzt
und erklärt von J . H, Voss. Band I —IV. Altona. 1797 —
1800. 8.
G) Siehe Vos sens Anmerkungen zu den betreffenden Stellen in seiner
gleich anzuführenden Ausgabe /F, Seite 529 und 919 ff.
3) Pitlteney's GeschicMe der Botanik bis auf die neuern Zeiten^ mit besonderer
Rücksicht auf England. Ans dan Eh(jJii^ih(n von Kuhn, JJ. S. 406 ff.
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