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70 B u c h r. Kap. 2. §.11. B u c h 1. Kap. 2. §. 11. 71
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Baumes, auf den es übertragen ward; mit der Zeit aber sendet es
AYurzeln in die Erde durch den Baum hindurch, auf den es übertragen
ward, und nimmt, aus der Erde anziehend, sich die Nässe,
die ihm zur Nahrung dient; daher man sich nicht wundern darf,
wenn gepfropfte Bäume zweierlei Frucht tragen, denn sie leben
(beide unmittelbar) von der Erde. So viel über die Bäume und
über die Früchte, weil ich die halb vollendete Rede nicht abbrechen
konnte/'
Man sieht, wie mancher Gedanke hier, wenn auch in abenteuerlicher
Verbindving, schon vorkommt, der später bald vergessen
ward, bald wieder auftauchte. Ich erinnere nur an die Aehnlichkeit
der letzten Behauptung, dass das Pfropfreis seine Wurzeln
durch den Wildling bis in den Boden treibe, mit der von Aubert
d u P e t i t -Th o u a r s aufgestellten Theorie des AYachsthums der
Baumstämme in die Dicke.
§. 11.
D e m o k r i t o s Abderita,
Zu den Philosophen zurückkehrend, wende ich mich jetzt zu
D e m o k r i t o s von Abdera, einer thrakischen, von ionischen
Einwanderern bevölkerten Stadt. Seiner eigenen Angabe nach
hatte er sein Hauptwerk, den kleinen Diakosmos, 730 Jahr
nach Troja's Zerstörung geschrieben. Daher, wie es scheint, die
sehr verschiedenen Bestimmungen der Zeit seiner Geburt seiner
Blüthezeit seines Todes, je nachdem man jenes in der That vorhistorische
Ereigniss früher oder später setzte. Er selbst hatte
sich aber auch in jenem Werke vierzig Jahr jünger als Anaxao;
oras genannt. Halten wir uns mit Clinton u o o nd Brandis an diese
Zeitbestimmung, so fällt seine Greburt um das Jahr 460 v, Chr.;
und so hatte sie schon Apollodoros in seiner Chronologie berechnet.
Sein Tod, wenn es wahr ist, wie von vielen Seiten
behauptet wird, dass er etwas über 100 Jahr alt geworden, fiele
1) Bei Biog. Laert. IX, cap. 7. sect.41, wo sich auch die übrigen Angaben
nebst Abweichungen davon beisammen finden.
_enn bald nach 360 v. Chr., und die Zeit seiner Blüthe, die man
bei Philosophen gewöhnlich um das vierzigste Lebensjahr zu setzen
pflegt, sicher nicht vor 420, vielleicht weit später. Denn schon
Theophrastos rühmte ihn wegen seiner grossen, zu wissenschaftlichen
Zwecken unternommenen Reisen, die seiner schriftstellerischen
Thätigkeit ohne Zweifel vorhergingen; des Aufenthalts
in Aegypten rühmt er sich selbst 2), und wäre die Lesart richtig,
so hätte er sich gar 80 Jahr lang in der Fremde umhergetrieben.
Dass er einen grossen Theil Asiens durchstreift, bezeugt auch
Strabon 3), und unter seinen Schriften wird eine über die heihgea
Inschriften zu Babylon, eine andere über Chaldäa oder die Chaldäer
angeführt i) ; ja Aelianos lässt ihn gar bis nach Indien
o-ekommen sein. Ich begreife bei dem allen nicht, was Petersen«')
veranlassen konnte, in seiner Untersuchung über die Zeit der
hippokratischen Schriften die Blüthenzeit des Demokritos der des
Anaxagoras bis auf vier Jalir zu nähern. In der chronologischen
Tabelle am Schluss der Arbeit steht Anaxagoras unter 444, Demokritos
unter 440 v. Chr. Ich möchte letztern bis auf 420, wenn
nicht gar bis 400 herabsetzen.
Schwerer noch als die Bestimmung seiner Zeit ist die Beurtheilung
seines wissenschaft l ichen Wirkens, wie seiner
Vorzüge und Schwächen überhaupt. Ausser dßm Wenigen, wa?
Aristoteles und Theophrastos mittheilen, wissen wir über ihn fast
nichts Zuverlässiges. Seine Schriften gingen sehr früh verloren;
vermuthlich eine der wichtigsten darunter, der grosse Diakosmos,
wird gewöhnHch ihm, von Theophrastos aber dem Leuk
i p p os, seinem Zeitgenossen und Vorgänger in der Atomistik,
1) Bei Aelian. var. hisL IV, cap. 20.
2) In einem Fragment bei Clemens Älexandr. stromaf. I , cap. 15. §. 69.
pag. 131 edit. Sylburg.
3) Strah. XV, pag. 70S edit. Casauh., vol. I I I , pag. 277 edit, stereot.
4) Diog. Laiirt. l. c. sect. 49.
5) Aelian. l. c. Vergl. über dies alles Brandis Handbuch d. Gesch. der
gr. röm. Philosophie I , S. 294 ff.
G ) Petersen l. c. pag. 49.