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260 B u c h III. Kap. 2. §. 34
34.
V e r l o r e n e griechische Schriftsteller über Heil- oder
N a h r u n g s m i t t e l von unbest immtem Alter.
Noch sind einige Schriftsteller zu nennen, die theils unzweifelhaft
theils wahrscheinlich zu den vorgenannten gehören, ihnen
aber nicht eingereihet werden konnten wegen unsrer Unkenntniss
ihrer Zeit. Einige andre füge ich hinzu, die vielleicht viel später
lebten als Augustus, weil sie von meinen Vorgängern unter die
altern gestellt wurden, und doch irgendwo genannt werden müssen.
Ich beschränke mich aber auf diejenigen, deren Werke entweder
Avirklich einigen botanischen Gehalt gehabt zu haben scheinen, oder
denen meine Vorgänger ohne Grund einen solchen zuschrieben.
Denn auch Irrthümer, zumal bedeutender Männer, zu berichtigen,
ist des Geschichtschreibers Pflicht.
M n e s i t h e o s der Athenä e r , ein ausgezeichneter Arzt der
dogmatischen Secte^), war älter als Varrò (geboren 116, gestorben
um 27 V. Chr.), der einige Worte von ihm in eine seiner
menippischen Satiren aufnahm 2); näher lässt sich sein Zeitalter
nicht bestimmen. In seinem Werk über di e N a h r u nog s m i t t e l
{neol ¿óeoKov nach Athenäos, nsQÌ Msofiarcop nach Galenos)
scheint er bei den Pflanzen von physiologisch-morphologischen
Principien ausgegangen zu sein, und neben der blossen Erfahrung
auch dem Gedanken sein Recht eingeräumt zu haben, ein Verfahren,
was schon an sich Anerkennung verdient, zumal in jener geistesdürren
Zeit. Galenos stellt ihn in seinem eigenen Werke über
die Kräfte der Nahrungsmittel dem D i o k le s gegenüber, der nur
die Erfahrung gelten Hess, wogegen jener behauptete, schon in
der Verschiedenheit der Pflanzenorgane, welche die Nahrungsmittel
lieferten, läge ein Fingerzeig ihrer verschiedenen BeschaiFen-
1) Vergi. Spre7igel Gesch. d. Med. / , S. 478, mit E o s e n b a ums An
merkungen.
2) Bei Gelliusj noct. atL X I I I , cap. 30.
3) Galen, opera edid. Kühi voL VI, pag, 457.
B u c h III. Kap. 2. §. 34. 261
leit; von anderer Natur Avären Wurzeln, von anderer Stengel,
und wieder von je anderer Blätter Früchte] Samen. Wie er sich
über die Wurzeln ausgesprochen, lesen v^^ir noch mit seinen eigenen
Worten bei Galenos i). „Zuerst nun, sagt er, sind alle Wurzeln
schwer verdauhch und turbulent; ich meine dergleichen wie
Eettich Knoblauch Zwiebeln Rüben und mehr der Art; denn
alle Pflanzen, deren Wurzel, und was sonst unter der Erde wächst,
genossen wird, gehören zur Klasse der schwer verdaulichen. Denn
durch die Wurzeln wird allen Theilen die Nahrung zugeführt,
dieselbe sammelt daher viel Feuchtigkeit in sich, und enthält sie
meist wenig gekocht. Sie kann nicht vollständig gekocht sein,
denn das Gekochte stellt sich als das Vollendete dar, die Feuchtigkeit
der Wurzel soll aber die vollständige Kochung erst anderswo
erhalten, nachdem sie in die Pflanzentheile, welche alle
von der Wurzel ernährt werden, überging; nothwendig müssen
also in ihr ungekochte Feuchtigkeiten sein, der oben erst stattfindenden
Kochung gewärtig. Daraus erklärt sich, warum die
Wurzeln die meiste Feuchtigkeit ungekocht enthalten, und unserm
Körper eine feuchte und turbulente Nahrung darbieten müssen."
— Galenos tadelt diese Schlussfolge als mit der Erfahrung im
Widerspruch stehend; in unsern Tagen wird gewiss niemand ihre
Vertheidigung übernehmen; als erster Versuch einer wissenschafthch
begründeten Signatura rerum, wie sie sich trotz aller Abirrungen
dem denkenden Naturforscher immer aufs neue aufdrängt,
und mit der Zeit sicher einmal durchdringen wird, verdient sie
Öge wiss unsere volle Aufmerksamkeit. - ^
H i k e s i o s . Unter ihm stand „zur Zeit unserer Väter", wie
Strabon2) sich ausdrückt, die medicinische Schule der Erasistrateer
zu Smyrna. Und so schrieb Strabon zwischen den Jahren 18
und 25 n. Chr., vermuthlich in sehr hohem Alter. Es ist also
wohl möglich, dass Hikesios, wie Sprengel3) vermuthet, zu den
1) Galeu. opera edit. Kühn vol. VI, pag. 645.
2) Strab. Xll, cap. 8, vol. I I I , pag. 77 edit. stereotyp.
3) Sprengel Gesch. d. Bot. I, S. 112.
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