24 B u c h I. Kap. 1. §.4. B u c h I. Kap. 1. §. 4. 25
Aber das alles könnte auch ein speculativer Physiker zu sagen
Veranlassung gefunden haben, und zu diesen scheint ihn Theophrastos
in einer andern Schrift zu zählen, nämlich in dem
Fragment seines Werks über die sinnlichen Wahrnehmungen,
Darin finden wir eine ausführliche Darstellung und Beurtheilung
der Meinungen älterer Philosophen bis zu Piaton herab über denselben
Gegenstand, und darunter auch die des Kleidemos.
Auch Aristoteles 2) erwähnt seiner, doch nur ein einziges Mal, bei
der Lehre vom Blitz, indem er sagt: „Einige, wie Kleidemos,
meinten, der Blitz wäre nicht, sondern schiene nur, indem sie
sich auf etwas Aehnliches beriefen, auf den Wiederschein des
Meers, wenn es bei Nacht mit den Rudern geschlagen wird."
Dasselbe wiederholt Seneca 3) fast wörtlich, so dass er seine
Kenntniss des Kleidemos nur dem Aristoteles zu verdanken scheint.
Ausserdem, meint Phi l ippson 4), käme dies er Kleidemos,
den er zu den Phys ike r n rechnet, nirgends bei den Alten
vor, und von den Neuern hätte ausser Meursius niemand, nicht
einmal Fabricius von ihm gehandelt. Wenn Meursius sage, auch
Plutarchos, Athenäos, Harpokration, Konstantinos Porphyrogenneta
citirten ihn mehrmals, so scheine ihm das ein ganz anderer Kleidemos
zu sein, ein Grammatiker, Ausleger des Homeros, der
keineswegs das Zeitalter vor Aristoteles andeute. Suidas führe
einige grammatische Worterklärungen von ihm an, unter den
Worten a^zeda, rjnEÖL^ov, n^vxvrj, vrjg, Athenäos die Titel seiner
Schriften, welche dieselbe Art und Weise verriethen. Der ältere
Kleidemos sei ein Zeitgenosse des Anaxagoras und Diogenes
(Apolloniates), und nähere sich in seiner Philosophie zumeist ersterem.
— Wir müssen es Philippson Dank wissen, dass er die
1) The ophr. opera, edit, Schneideri vol. / , pag. 662. — Eine neue Recension
des ganzen Fragments nebst lateinischer üebersetzung und Commentar
lieferte L. Phi l ippson in seiner "YA?; avd-Qconivrj, Berolin. 1831,
wo Kleidemos pag. 117 vorkommt.
2) Aristot. meteorol. ZZ, cap. 9, pag, 310 a edit. Bekheri.
3) Senec. quaest. natur, II, cap. 55. vol. V, pag. 139 edit. Ruhkopf.
4) In seiner so eben citirten Schrift pag. 197,
Aufmerksamkeit auf einen so sehr vernachlässigten Schriftsteller
des Alterthums zurücklenkte; seine Resultate weichen indess von
den meinigen so sehr ab, dass ich den Gegenstand etwas genauer
zu beleuchten mich nicht enthalten kann.
Die Meinung des angeblichen P h i l o s o p h e n Kleidemos stellt
Theophrastos hinter die des Anaxagoras, vor die des Diogenes,
und da die übrigen Philosophen, deren Meinungen er anführt,
nach der Zeitfolge geordnet sind, so dürfen wir allerdings vermuthen,
es liege hierin auch eine Zeitbestimmung. Von Anaxagoras
wissen wir ziemlich zuverlässig, dass er von 500 bis 428 v. C.
lebte. Diogenes muss nach 467, ujid scheint kurz vor 422 v. C.
o-eschrieben zu haben, wie ich später, wenn ich zu diesem selbst
komme, näher nachweisen Averde. Setzen wir nun die Blüthezeit
des Anaxagoras, der erst spät als Schriftsteller soll aufgetreten
seini), etwa um 450, so würde sich die des Kleidemos etwa um
440, die des Diogenes um 430, wenn nicht etwas später, annehmen
lassen.
Untersuchen wir jetzt die Schriften und das Zeitalter des vermeinten
Grammatikers Kleidemos. Ein Verzeichniss seiner Werke
fehlt uns, nur Athenäos citirt bei verschiedenen Gelegenheiten folgende
seiner Werke: 1) A t t h i s (Ax^kY), sicher eine Geschichte
von Attika, zu der das, was Athenäos anführt, gehört, und bei
der ihn unter andern Plutarchos im Leben des Theseus des Themistokles
und des Aristides mehrmals mit besonderer Erwähnung
seiner Ausführlichkeit als Zeugen aufruft; 2) NÖotol^), das heisst
wörtlich die H e imk e h r e n d e n , bezeichnete jedoch oft vorzugsweise
die von Troja nach Griechenland zurückkehrenden Helden,
das Werk behandelte demnach wahrscheinlich älteste griechische
Geschichte in weiterem Umfange als die Atthis; 3) Der Ausleg
e r vielleicht der heiligen Gebräuche, denn es
1) A r i s t o t e l e s nennt ihn den Jahren nach älter, den Werken nach
jünger als Empedokles {metaphys. I, cap. 3).
2) Athen, deipnos. VT, ca,p. 5. pag. 235 a. und XIV, cap. 22. pag. 660 D.
3) L. c. XITT, cap. 9. pag. 609 C.
4) L. c. I X , cap. 18. pag. 405 F.